Martin Schwab: "Passt wie die Faust aufs Auge"

Martin Schwab über Hermann Hesses Beschreibungen der Zukunft: "Sie ist grauenhaft, diese Zukunft, der Vorhof der Hölle. Sehr lustig!"
Schauspieler Martin Schwab über die Sehnsucht nach Jugend und darüber, wie es ist, wenn man dem Teufel die Seele wegschnappt.

Dieser Tage stellt Martin Schwab im Burgtheater als "Teiresias" wieder eindrucksvoll unter Beweis, warum einem sofort die markante Stimme einfällt, wenn man seinen Namen hört: In seiner Rolle als blinder Seher singt Schwab einen Song von Leonard Cohen. Ein eindringlicher, starker Moment.

Heute Abend ist der 77-Jährige in der, wie er sagt, "wahrscheinlich wichtigsten Rolle für einen Schauspieler" zu erleben: dem Faust. Gemeinsam mit dem Merlin Ensemble erzählt er bei einem Gastspiel im Akademietheater unter dem Motto "Faust ohne Goethe" Varianten der Geschichte des Doktor Johann Faust. Faust-Texte aus vier Jahrhunderten, die, von Christopher Marlowe, Hermann Hesse bis Nikolaus Lenau, von Tod und Teufel erzählen. Beethoven, Liszt und Schumann bilden den musikalischen Teil, der vom Merlin Ensemble rund um Geiger Martin Walch bestritten wird. Die Ironie dabei: In knapp 50 Jahren Schauspielkarriere hat der gebürtige Baden-Württemberger und eingemeindete Wiener Martin Schwab weder Faust noch Mephisto gespielt, jetzt ist er beides auf einmal.

KURIER: Das Motto des Abends ist "Faust ohne Goethe".

Martin Schwab: Die Grundlage ist das alte Volksbuch, das die Geschichte des Johann Faust erzählt. Da geht’s einfach darum, dass sich ein Gelehrter dem Teufel verschrieben hat. Man muss sich einmal vorstellen, was das heißt: Die Wissenschaft im Bunde mit dem Teufel! Marlowe hat das dann mehr zum Schocker gemacht, aber auch bei Lenau ist es sehr gruselig.

Mit der Musik dazu wird daraus ein Melodram.

Das Melodram ist was Tolles. Sie müssen es nicht sehen, Sie können die Musik aber dazu benutzen, die großen Gefühle zu vergrößern. Beim Melodram geht’s zur Sache!

Auch in der Faust-Geschichte selbst geht’s zur Sache, es ist eine großartige Story. Andererseits geht es um etwas Höheres, den Sinn des Lebens. Deshalb hält sie sich ja schon so lange.

Ja, aber bei unserer Auswahl geht es nicht vorrangig um die Sinnsuche. Die verpufft, sobald er sich dem Teufel verschrieben hat.

Aber war die Frage nach dem "Wozu" nicht schon von Anfang an da?

Goethe hat am schärfsten herausgearbeitet, dass der, der alles studiert hat, trotzdem "weiß, dass wir nichts wissen können" …

… der moderne Mensch schlechthin.

Ja, kann man sagen. Aber wahrscheinlich ist es zeitlos, dass Menschen, besonders Männer, fragen: War das jetzt mein Leben? Man müsste noch einmal jung sein! Die Jugend gibt dann der Teufel mit dem Trank, mit dem man "Helena in jedem Weibe" sieht.

"Schönsaufen" heißt das auf Wienerisch. Bei manchen Männern klassische Midlife-Crisis. Neues Auto oder junge Freundin. Aber auch Frauen kennen die Frage nach dem "Wozu?". Die Suche nach dem Sinn des Lebens. Kann man den Faust nicht auch als Alternativ-Bibel sehen?

Ja. Und für mich ist Goethes Faust wahrscheinlich die größte Rolle. Aber bei unserem Faust-Abend geht es vorrangig darum, was das Volksbuch uns lehrt. Inklusive Überraschungen wie einer Geschichte von Hermann Hesse, der uns in die Zukunft schauen lässt. Wir müssen feststellen: Sie ist grauenhaft, diese Zukunft, der Vorhof der Hölle. Sehr lustig!

Beinhaltet nicht auch der Pakt mit dem Teufel, so volkstümlich er auch daherkommt, das Streben nach Höherem?

Ja, das ist eine Schlussfolgerung. Aber zunächst ist es ein emotionales Wühlen. Wenn dazu die Musik kommt, wird es sehr dramatisch. Auf die unterhaltsame, nicht auf die philosophische Art. Die Musik passt, wie man so sagt, dazu wie die Faust aufs Auge. Und im zweiten Teil, wenn sich der Teufel beschwert, man habe ihm Fausts Seele "weggeschnappt", ist es einfach sehr lustig.

Info: "Faust – Historia von Doktor Johann Fausten" von und mit Martin Schwab und dem Merlin Ensemble Wien. 10 Juni, 20 Uhr, Akademietheater.

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