"Man muss einen langen Atem haben"

Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny versichert: "Der Ausbau des Wien Museums wird selbstverständlich realisiert werden!"
Der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) im Interview über Versprechungen, Vertröstungen und das sinkende Kulturbudget.

KURIER: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten sinkt das Wiener Kulturbudget. Schrillen da nicht die Alarmglocken?

Andreas Mailath-Pokorny: Nein. Das Budget sinkt laut Voranschlag um etwa zwei Millionen Euro. Ich habe insgesamt in der Geschäftsgruppe ein sehr viel größeres Budget. Das ist zwar nicht flexibel manövrierbar, aber ich gehe davon aus, dass wir die Kürzung durch Umschichtungen ausgleichen können. Und es ist in der Vergangenheit immer gelungen, mehr Geld für Kultur locker zu machen, als vorgesehen war. Das wird mit Sicherheit wieder gelingen.

Es gab bereits Kürzungen bei den Förderungen für Institutionen wie die Viennale, die Kunsthalle und das Jüdische Museum. Andererseits erhalten die üppig subventionierten Wiener Symphoniker laut Voranschlag auch 2017 mehr Geld. Ist das noch zu argumentieren?

Wir versuchen, Kürzungen durch Zuschüsse für Investitionen auszugleichen. Ich sehe das nicht dramatisch. Natürlich würde ich mir für die Kultur – wie für den Sport – mehr Geld wünschen. Aber ich muss respektieren, dass es sehr viele zusätzliche Ausgaben in den Bereichen Bildung und Soziales gibt. Ich halte daher ein Halten eines Budgetansatzes in schwierigen Zeiten durchaus für einen Erfolg.

Beate Meinl-Reisinger, Chefin der Wiener Neos, kritisiert, dass die Hälfte der gesamten Förderungen für die darstellende Kunst an die Vereinigten Bühnen Wien gehen. Das Konzerthaus schaffe einen Eigendeckungsgrad von über 87 Prozent, die VBW hingegen kamen selbst in der Sparte Musical auf lediglich 54,8 Prozent.

Das ist nichts Neues. Wenn man in Wien eine vielfältige Kulturlandschaft haben will, dann gibt es eben sogenannte große und sogenannte kleine Institutionen. Die Verteilung ist ausgewogen. Ich bekenne mich zur Förderung des Musiktheaters. Und Oper kostet viel Geld.

Wir reden aber nicht über die Oper im Theater an der Wien, sondern das Musical im Ronacher und Raimund Theater. Die letzte Eigenproduktion, "Schikaneder", kam bisher auf eine durchschnittliche Auslastung von unter 70 Prozent. Besteht nicht längst Reformbedarf?

Ich habe als Kulturpolitiker gelernt, dass man einen langen Atem haben muss. Und ich halte "Schikander" für ein ausgezeichnet gemachtes Musical. Geben wir ihm eine Chance! Die Verträge der beiden Intendanten Roland Geyer und Christian Struppeck laufen 2020 aus. Mit der Neuausschreibung der künstlerischen Leitungen werden wir mit Sicherheit auch neue Wege bestreiten.

Kulturminister Thomas Drozda war bis zum Mai Generaldirektor der VBW. Er plädierte dafür, die Zahl der Sitze im Raimund Theater zu erhöhen, um das Haus wirtschaftlicher führen zu können. Konzepte für den Ausbau liegen seit Jahren vor. Warum passiert nichts?

Ich halte das Projekt grundsätzlich für vernünftig. Aber ich möchte auch die Meinung des neuen Geschäftsführers Franz Patay hören – nach dessen Einarbeitungsphase. Ich sage gleich dazu, dass wir jetzt einmal die Sanierung des Volkstheaters mit zwölf Millionen Euro ermöglichen. Zudem gibt es als großes Vorhaben die Erweiterung des Wien Museums.

Sie ist bereits seit einem Jahrzehnt Thema. Werden Sie ein "Wien Museum Neu" noch als aktiver Kulturpolitiker erleben?

Wir arbeiten intensiv an der Einreichplanung, zudem werden die Fragen der Flächenwidmung geklärt. Und wir beschäftigen uns mit Finanzierungsmodellen. Das braucht viel Zeit, wird aber zügig erledigt werden.

Zügig? Sie haben schon vor sechs Jahren angekündigt, die Finanzierungsfrage klären zu wollen.

Aber man kann sie erst klären, wenn die detaillierte Einreichplanung vorliegt. Ich versichere Ihnen: Der Ausbau wird selbstverständlich realisiert werden!

Sind Sie sicher? Die Spange des benachbarten Winterthur-Gebäudes soll, was sinnvoll erscheint, weggerissen werden. Die Folge wäre eine Aufstockung auf die Höhe des künftigen Wien Museums. Die Pläne liegen vor. Aber die "Kronen Zeitung" fährt eine Kampagne gegen das angebliche "Glasfurunkel" ...

Ja, auch ich habe begrüßt, dass der Übergang entfernt werden soll. Denn dann steht das Wien Museum wieder als Solitär. Ich finde zudem den Entwurf des Büros Henke Schreieck für das Winterthur-Gebäude gelungen. Es geht um eine Aufwertung des östlichen Karlsplatzes, der teilweise ein Gstätt’n ist. Und ja, es gibt einen logischen Zusammenhang zwischen den beiden Projekten. Ich bin dankbar, dass der Wettbewerb für das Winterthur-Gebäude in Abstimmung mit der Stadt Wien gemacht wurde. Aber ich sehe weder das eine, noch das andere Projekt in Gefahr.

Bleiben wir am Karlsplatz: Die Secession mit dem "Krauthappel" ist sanierungsbedürftig. Der Stadtrechnungshof stellte fest, dass der Künstlerverein das nicht allein schultern kann.

Wir werden mit Sicherheit unseren Beitrag leisten, um die Secession als Wahrzeichen und Baudenkmal zu erhalten. Und ich bin in Gesprächen mit Drozda über eine Beteiligung des Bundes. Wir werden gemeinsam rechtzeitig eine Lösung präsentieren.

Wechseln wir zu anderen Baustellen. Zum Beispiel Kunsthalle Wien: Direktor Nicolaus Schafhausen plädierte im KURIER-Interview unlängst für eine Verlegung des Standortes. Was meinen Sie?

Aus meiner Sicht gibt es keinen besseren Standort als das MuseumsQuartier. Und ich sehe keine Veranlassung, ihn aufzugeben. Mit guten Ausstellungen wird man schon Publikum anlocken können – an einem so zentralen Ort wie dem MQ.

Das Sigmund-Freud-Museum in der Berggasse 19 platzt aus allen Nähten, Monika Pessler kämpft um die Finanzierung des dringend benötigten Ausbaus. Es geht im Vergleich um bescheidene Summen. Darf die Direktorin hoffen?

Ich antworte mit einem Zitat: Wir schaffen das! Und zwar in Bälde.

Die Marx Halle hat sich als Veranstaltungsort etabliert. Nun gibt es andere Nutzungskonzepte. Die Vienna Contemporary könnte dann nicht mehr dort stattfinden. Wäre das nicht bedauerlich?

Es ist legitim, über Nutzungen nachzudenken, aber es ist noch nichts entschieden. Ich bin dagegen, immer sofort Besitzstandsrechte auszurufen. Es müssen Veränderungen möglich sein. Kulturveranstaltungen sollen aber auch in Zukunft dort stattfinden – in modifizierter Weise.

Die Wiener Festwochen informierten in der Vergangenheit immer kurz vor Weihnachten über das Programm. Der neue Intendant, Tomas Zierhofer-Kin, hingegen vertröstete auf Februar. Ist das marketingtechnisch sinnvoll?

Ich habe Zierhofer-Kin bestellt, weil er grundsätzlich eine andere Herangehensweise hat. Das ist hohes Risiko. Aber wo, wenn nicht bei einem Festival, kann und soll man etwas riskieren? Und wenn der Intendant entscheidet, dass er flexibler auf die Veränderungen in der Welt reagieren will, dann hat das meine volle Unterstützung.

Sie haben einmal ein Austropop-Institut angekündigt. Was ist damit?

Das gibt es schon. Im Rahmen der Wien Bibliothek wird aus Nachlässen, Schenkungen und so weiter ein Archiv der österreichischen Popmusik aufgebaut; Walter Gröbchen und Thomas Mießgang arbeiten daran mit.

Was tut sich sonst Neues? Welche Strategien verfolgen Sie für die nächsten Jahre?

Wir erfassen gerade, was es an Initiativen im Bereich Bezirkskultur gibt. Ich habe Stephan Rabl, den bisherigen Leiter des Dschungels, eingeladen, sich dieses Themas koordinierend anzunehmen. Und wir widmen einen Gutteil des Förderprogramms "Shift" der Bezirkskultur.

Das haben Sie bereits bei einer Pressekonferenz im Herbst erläutert.

Stimmt, aber es ist wichtig. Ein anderes Thema sind die digitalen Angebote der Wiener Kulturinstitutionen, die zum Teil durchaus ausbaufähig sind – im internationalen Vergleich. Da ich nun auch für die Kommunikationstechnologie zuständig bin, möchte in die Online-Präsenz vergrößern. Und weil ich sie gerne zu Weihnachten verschenkt hätte: Ich wünsche mir eine einfach erwerbbare Jahreskarte fürs Wien Museum.

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