Warlikowski liebt es traditionellerweise, Kuben hin- und herzuschieben auf der Bühne (die auch diesmal von seiner Frau Malgorzata stammt). In "Macbeth" schiebt er den Hexenchor gleich zu Beginn in einem Kubus herein, die meisten Damen sind ziemlich alt, alle blind. Seherinnen müssen ja anders schauen als mit den Augen.
Warlikowski schiebt aber auch eine unfassbar lange Bank, wie in einem Bahnhof, vor und zurück. Und Tribünen, zunächst für den Chor, dann für die Opfer von Macbeth, allesamt kleine Mädchen, die auf der Bühne vergiftet werden. Und Macbeth selbst schiebt sich, nachdem er sich selbst offenbar kastriert hat, in einem Rollstuhl herum. All das wirkt sehr verloren auf der riesigen Bühne, Warlikowsi nützt die gesamte Portalbreite von mehr als 30 Metern und auch den Raum daneben (für den Chor). Diese ganze Breite zu bespielen, damit hat in Salzburg David Pountney im Jahr 2002 für Debatten gesorgt, bei Puccinis "Turandot", aber das ist ja eine ganz andere Schlachtplatte als "Macbeth".
Die kammerspielartigen Szenen zwischen Macbeth und seiner Lady wirken in diesem Cinemascope-Format sehr dünn und hilflos. Die Intensität der Musik, sie verpufft szenisch. Dafür ist die Bebilderung recht ästhetisch, aber nicht sehr substanziell. Und der Regisseur spielt immer wieder Filmausschnitte und Videos ein, vor allem von Kindern und Wäldern, man denkt an sowjetisches Kino, zum Beispiel von Sergej Eisenstein. Es scheint auch um "Oedipus rex" zu gehen, jedenfalls um Komplexe und frühkindliche Prägungen.
Die arme Lady Macbeth muss während ihrer großen Szenen mit Feuer spielen, sich umziehen oder mit Stöckelschuhen über die lange Bahnhofsbank klettern.
Eine Inszenierung von Warlikowski, dem Psychologen und Philosophen, ist nie ganz schlecht. Diese hier bei den Salzburger Festspielen ist weit weniger gut als andere. Und sie setzt allzu plakativ auf Schockmomente, die der Regisseur mit den bekannten Tricks aus seinem Zauberkasten zu kreieren versuchen. Diese Inszenierung wirkt wie ein Patchwork aus seinen bisherigen Arbeiten und nicht sonderlich originär.
Im Fokus war schon vorab der Auftritt von Asmik Grigorian gestanden, die seit Jahren regelmäßig für Erfolge der Festspiele (und für sich selbst) gesorgt hatte. Nach Puccinis "Trittico" (alle Frauenpartien) oder Salome oder Chrysothemis in "Elektra" oder Marie in "Wozzeck" ist die Lady Macbeth aber auch eine weniger gute Partie für sie. Sie singt wunderschön, punktet mit ihrer sicheren Höhe, ist aber zu wenig differenziert, zu wenig brutal in ihrem Ausdruck, zu linear, auch zu wenig kraftvoll, obwohl sie oft forciert. Diese Partie sollte man - auch laut Verdi - gar nicht schön singen. Das jedenfalls haben zuletzt einige vor ihr diesbezüglich "schöner" gemacht.
Vladislav Sulimsky hat als Macbeth einen nobel geführt Bariton, aber auch recht wenig Dramatik. Für diese Rolle gibt es freilich ebenfalls zahlreiche große Vorbilder, deren Erreichung weit weg ist. Tareq Nazmi ist ein profunder Banco, Jonathan Tetelman ein Macduff, dessen Tenor sich in der Höhe, wenn er mit Power agiert, schön öffnet, in den zarteren Passagen verfügt er über weit weniger Nuancen.
Der Chor (Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor) ist mächtig, hochdramatisch und mitreißend. Das Tollste an diesem Abend ist das Orchester unter der Leitung von Philippe Jordan. "Macbeth" (Jordan hatte schon die letzte Premiere an der Wiener Staatsoper dirigiert) klingt farbenprächtig, fein ausbalanciert, exzellent differenziert, superpräzise, wuchtig und dann wieder ganz zart. Eine erstklassige Leistung des Musikdirektors der Wiener Staatsoper, der kurzfristig für Franz Welser-Möst eingesprungen war, weil sich dieser einer medizinischen Behandlung unterziehen muss.
Am Ende gab es viel Applaus für die meisten Sänger und für den Dirigenten, auch aus dem Graben. Das Verhältnis mit dem Orchester ist also weiterhin äußerst fruchtbar und künstlerisch definitiv erfolgreich, auch wenn von mancher Seite anderes zu kolportieren versucht wurde. Schade, dass es an der Staatsoper nicht in eine zweite Periode geht.
Leider hat das schottische Stück (allein den Namen des Werkes auszusprechen, bringt angeblich schon Unglück) auch diesmal Pech gebracht - einer Besucherin, die im ersten Teil kollabierte und sofort mit der Rettung ins Krankenhaus gefahren werden musste. Sie war aber zum Glück bald wieder ansprechbar.
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