Kunstfigur, Außenseiter, Weltflüchtling

Bastian Kraft
Bastian Kraft inszeniert im Akademietheater die dramatisierte Version des Films "Ludwig II.".

Am 10. Dezember hat im Akademietheater " Ludwig II." Premiere. Der junge deutsche Regisseur Bastian Kraft dramatisiert den legendären Film von Luchino Visconti, in dem Helmut Berger die tragische Figur des legendären bayerischen "Märchenkönigs", Welt-Verweigerers und Kunstförderers verkörperte.

In Wien spielt Markus Meyer den Ludwig, Regina Fritsch die Kaiserin Elisabeth und Johann Adam Oest den Richard Wagner.

KURIER: Sie sind 1980 geboren. Ist die Figur Ludwig II. nicht sehr weit weg von Ihnen?

Bastian Kraft: Im Gegenteil. Seit ich den Visconti-Film als Student zum ersten Mal sah, fühle ich mich Ludwig in leidenschaftlicher Ambivalenz verbunden. Ich hatte schon immer eine Sympathie für Außenseiter. An Ludwig interessiert mich einerseits seine visionäre Politik: Statt Wirtschaft oder Kriegführung ins Zentrum zu stellen, gab er der Förderung von Kunst und Kultur oberste Priorität. Richard Wagner war ihm wichtiger als alle Machtspiele, und im Bau von fantastischen Schlössern fand er sein wichtigstes Betätigungsfeld. Außerdem ist da die persönliche Ebene: Ludwig ist ja eine Figur, die zwischen Realität und Träumen, Fiktion und Gegenwelten hin und her wechselt. Er war ein Weltflüchtling.

Im Prinzip war er ein früher Popstar – die eigene Kunstfigur.

Durchaus. Er hatte einen Sinn für Selbstinszenierung – was ihn mit den Figuren Elisabeth und Wagner verbindet. Aber das Abdriften in Traumwelten – das betrifft uns doch in Wahrheit alle. Mir imponiert Ludwigs Selbstverständnis, dass er dem Bereich des Fantastischen in seinem Alltag so großem Raum zubilligte. Er hat sich seine eigene Realität geschaffen.

Das sehen viele Menschen heute auch so – sie sind im Internet als ihre eigenen Avatare unterwegs.

Genau. Tristan war Ludwigs Avatar. Und während wir in Computerspielen Städte und Burgen errichten, ließ Ludwig seine architektonischen Visionen Realität werden. Ich finde ja, wenn jemand eine Stunde lang in virtuelle Parallel-Welten eintaucht, dann ist dieses Erlebnis genauso real wie die Stunde, die er vorher in der Bank hinter seinem Schreibtisch verbracht hat.

Ludwigs fantastische Märchen-Burgen sieht man heute noch, sie sind heute Touristenattraktionen.

Ist das nicht erstaunlich? Das, wofür Ludwig zu Lebzeiten am meisten angefeindet wurde – seine Schlösser und die Wagner-Förderung – sind Generationen später der Stolz Bayerns. Niemand würde heute sagen, es war Unsinn, dafür Geld auszugeben. Seine Vision war ja, die Menschen mit Kunst zu bereichern – alle sollten Wagners Opern hören.

Wie bringt man diese ausufernde, maßlose Figur Ludwig II. auf die Bühne?

Ludwig ist für mich ein Konglomerat aus Bildern und Assoziationen – ebenso wie Elisabeth und Wagner. Die historischen Figuren dahinter sind schwer greifbar. Wenn man an Elisabeth denkt, hat man unweigerlich das Gesicht von Romy Schneider im Kopf. Und bei Ludwig denkt man an Helmut Berger. Da verschmelzen die Personen. Wenn nun bei uns Regina Fritsch die Elisabeth spielt, fügt sie diesem mehrfach belichteten Foto eine weitere Ebene hinzu.

Wie bei Bob Dylan – den gibt’s ja genau genommen auch nicht, er ist nicht fassbar ...

Genau darum ging es in dem Film "I’m Not There", worin er von acht verschiedenen Schauspielern dargestellt wurde. Jeder Mensch trägt verschiedene Ichs in sich. Wenn ich bei meiner Großmutter auf dem Sofa sitze, bin ich eine andere Person, als wenn ich im Akademietheater eine Probe leite. Das heißt nicht, dass ich schizophren bin – oder dass der eine der Echte und der andere der Falsche ist.

Sie gelten als Experte für das Dramatisieren von Romanen und Filmen. Was ist das Spannende daran?

Ich liebe die Herausforderung, jedes Mal aufs Neue eine eigene Erzählform zu finden. Romane nehmen einen mit in die Köpfe ihrer Protagonisten, oft sind es Reisen ins Innere der Psyche. Ich frage mich dann, wie man den Zuschauer im Theater auf eine solche Reise mitnehmen kann.

Möchten Sie etwas zu Donald Trump sagen oder lieber nicht?

Ludwig und Trump sind einander verwandt in ihrem Hang zum Prunk. Doch während Ludwigs Verschwendungssucht immer darum kreiste, Visionen und Ideale zu verwirklichen, bleibt das Geld in Trumps Welt Selbstzweck, inhaltslos. Mich beschäftigt die symbolische Wirkung, die von dieser Wahl ausgeht. Das, wofür Trump steht, gehört nun zwangsläufig zum Paradigma der USA: Man kann auf diese Weise Erfolg haben. Denn er wurde ja nicht trotz der schrecklichen Sachen gewählt, die er gesagt hat – sondern wegen.

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