"Lohengrin": Bei Nézet-Séguin in allerbesten Händen

Yannick Nezet-Seguin
Der designierte Chefdirigent der MET sorgte an der Wiener Staatsoper für einen glanzvollen Abend.

Es ist natürlich recht kühn, vier Jahre, ehe jemand sein Amt überhaupt antritt, Mutmaßungen zu äußern, wie er sich denn in diesem schlagen werde. Aber das Opernbusiness, in dem derart langfristige Planungen gang und gäbe sind, lebt ja von solchen Termingeschäften.

Aus momentaner Sicht war es jedenfalls eine weise Entscheidung der New Yorker Metropolitan Opera, den kanadischen Dirigenten Yannick Nézet-Séguin, 1975 in Montreal geboren, ab 2020 zum Chefdirigenten und Nachfolger von James Levine zu machen. Er ist am Pult nicht nur technisch fabelhaft, sondern auch ein intensiver Gestalter und offenbar jetzt schon in mehreren Bereichen des Repertoires äußerst kundig.

Zauber

Nach diversen Erfolgen mit den Wiener Philharmonikern (u. a. bei den Salzburger Festspielen mit Mozart) brillierte der viel beschäftigte Nézet-Séguin nun an der Wiener Staatsoper nach dem "Fliegenden Holländer" im Jahr 2014 mit Richard Wagners "Lohengrin". Vom ersten Moment an, vom zarten Beginn des Vorspiels, herrschte ein Zauber im Raum, wie man ihn nur an besonderen Abenden fühlt. Wir reden hier von einer Könnerschaft, wie sie etwa letztens in Dresden Christian Thielemann bei diesem Werk gezeigt hatte oder Semyon Bychkov 2005 in Wien. Nézet-Séguin ist ein exzellenter Erzähler, agiert dramaturgisch klug, setzt dramatische Akzente, weiß das ihm leidenschaftlich folgende Orchester im richtigen Moment zu zügeln, schafft scheinbar mühelos die Balance zwischen Graben und Bühne und kann mit dem famosen Musikern prachtvolle Farben entwickeln.

Veredelung

Er veredelt also selbst eine Produktion (von Regisseur Andreas Homoki), die mit ihrer Lederhosen- und Hofbräuhaus-Ästhetik an Banalität und Klischeereichtum schwerlich zu übertreffen ist.

Auch sängerisch hatte der zweite Abend der neuen Saison einiges zu bieten, etwa den österreichischen Bass Günther Groissböck als schön phrasierenden, niemals zu stark forcierenden König Heinrich. Der mittlerweile auch schon Bayreuth-erprobte Stefan Vinke sprang kurzfristig für den erkrankten Klaus Florian Vogt ein, was nicht zum Schaden der Aufführung sein sollte. Vinke ist nämlich ein präziser, kultivierter Tenor mit heldischer Höhe, allerdings nicht der größten Stimme.

Letzteres im Gegensatz zu Tomasz Konieczny, der als Telramund voller Kraft begeisterte und auch recht wortdeutlich sang (sogar besser als beim "Lohengrin" mit Anna Netrebko und Piotr Beczala in Dresden). Petra Lang singt die Ortrud, statt sie zu brüllen – und das in den meisten Passagen sehr gut. Ricarda Merbeth singt die Elsa mit allzu starkem Vibrato und wenig Ausstrahlung. Boaz Daniel ist ein solider Heerrufer.

Der Staatsopernchor bestach mit Exaktheit und trug auch die wuchtigsten Ausbrüche kraftvoll mit.

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