Lichtgestalten in der Weihnachtszeit

Neumeier und sein großartiges Ensemble berühren an der Wien
Kritik. John Neumeiers "Weihnachtsoratorium I–VI" im Theater an der Wien.

Menschen auf der Reise, Unruhe, Angst – und doch gibt es Hoffnung. John Neumeier und sein Hamburg Ballett stellen beim Gastspiel im Theater an der Wien (bis 20. Dezember) das 2013 in Hamburg uraufgeführte "Weihnachtsoratorium I–VI" zur Komposition Bachs als Geschichte vor, die den Glauben an ein humanistisches Ideal mehr ins Zentrum rückt als religiöse Bezüge.

Alle sind Solisten

Fabelhaft gelingt dem Meisterchoreografen der Auftakt mit einem überbordenden "Jauchzet, frohlocket" und vielen charakteristischen Elementen seiner Bewegungssprache. Wunderbar das Ensemble, das diese Bezeichnung nicht verdient. In dieser Form gibt es nur mehr Solistinnen und Solisten.

Im allgemeinen Trubel erscheint "Ein Mann", Lloyd Riggins, der als ruhiger Außenseiter mit einem Weihnachtsbäumchen erscheint. Später wird er in die Handlung eingreifen, gerät in eine Party-Gesellschaft und tröstet Einsame: ein Vorbild.

Doch da sind auch andere, fast zu viele, die den Rahmen der schlicht gestalteten Bühne (Ferdinand Wögerbauer) im Theater an der Wien nahezu sprengen. Anna Laudere berührt als "Die Mutter" in einer Geburtsszene in ständiger Angst um das Kind – eine Vorwegnahme der Passion, des Leidens und Sterbens Christi, das in diesem Stück immer präsent ist. Carsten Jung ist "Ihr Mann", dem Neumeier expressive Bewegungen zuordnet.

Neumeier erfindet für alle Rollen ein spezifisches Tanzvokabular. Besonders gelungen sind die Engel. Silvia Azzoni und Alexandr Trusch sorgen für Glanz. Im Vergleich zu den emotional getanzten Arien sind die Bewegungen der "drei Weisen" plakativ, während "Der König", also Herodes, das Böse in Tangoschritten vermittelt.

Erwin Ortner dirigiert das Wiener KammerOrchester, leitet den tadellosen Schoenberg Chor, die vier Sänger, ist den Tänzern ein sicherer Partner.

KURIER-Wertung:

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