ZDF

Lenz-Verfilmung: Es gibt kein Gut, kein Böse

Der 18-jährige Christian (Jonas Nay) und Englischlehrerin Stella Petersen (Julia Koschitz) kommen sich nahe
Eine Liebe, die nicht sein darf, widerfährt Julia Koschitz in der "Schweigeminute" (20.15, ZDF).

Anfang der 1960er-Jahre, am Ende eines Sommers an der Ostsee: Englisch-Lehrerin Stella und ihr Schüler Christian liegen am Strand. Der 18-Jährige hält ein Buch William Faulkners in Händen und sie versucht, ihm das näher zu bringen: "Bei Faulkner gibt es kein gut oder böse, kein richtig oder falsch, seine Figuren können nicht anders, sie handeln so, wie sie eben handeln."

So ergeht es auch Stella (Julia Koschitz) und Christian (Jonas Nay) in die "Schweigeminute" (20.15, ZDF), der filmischen Adaption des Spätwerks des großen Siegfried Lenz. "Eine wunderschöne, melancholische Liebesgeschichte, die eigentlich nicht sein darf", so die österreichische Schauspielerin. Für diese Rolle hat sie mehrere Castings absolviert. Denn "als ich das Buch gelesen hatte, wusste ich, ich will das unbedingt machen."

Affäre

Lenz-Verfilmung: Es gibt kein Gut, kein Böse
Christian (Jonas Nay) und Stella (Julia Koschitz) genießen die Zeit zu zweit. Sie dürfen dabei nur nicht entdeckt werden.
Die hübsche Stella ist eben nach Jahren in London ins Dorf ihres kranken Vaters zurückgekommen. Sie sorgt allseits für gesteigertes Interesse. Christian, Sohn des Steinfischers, verliebt sich in sie und sie beginnen eine heimliche Affäre, die im Dorf aber nicht unentdeckt bleibt. Das erregt Missfallen; es gibt aber auch Verständnis. "Manchmal bist du wehrlos und es passiert einfach, und du weißt nicht, warum es passiert", meint etwa Christians Vater. Das Verhältnis findet ein plötzliches Ende, als Stella bei einem Bootsunglück schwer verletzt wird …

Stella ist eine Frau, die nicht viel auf Konventionen gibt. "Mich hat die Freiheit und Selbstbestimmtheit dieser Figur fasziniert", erläutert die mehrfach preisgekrönte Schauspielerin. "Doch Stella weiß auch, dass jede offen demonstrierte Nähe sie in die Bredouille bringen kann." Die erste Begegnung mit Christian auf einer Insel ist für sie deshalb "eine einmalige Sache". Aber Christian lässt nicht locker. Koschitz: "Natürlich kann er Stella intellektuell nicht das Wasser reichen. Sie empfindet trotzdem eine große Nähe zu ihm, körperlich, aber auch geistig." Sogar eine gemeinsame Zukunft scheint möglich, als das Unglück passiert.

Zwischentöne

Lenz-Verfilmung: Es gibt kein Gut, kein Böse
Fototermin anlässlich der Dreharbeiten zum TV- Zweiteiler über "Das Sacher" in Wien am 03.05.2016. Im Bild: Julia Koschitz, Francesca Habsburger, Josefine Preuß
Lenz erzählt die Geschichte im Rückblick und aus Christians Sicht. "Das Drehbuch hält sich bis hin zu Dialogen in großen Teilen an die Novelle", erläutert die 41-Jährige, die um Weihnachten im Event-Zweiteiler "Das Sacher" zu sehen sein wird (s. Bild). Das latent Nebulose bei Lenz wird im stimmungsvoll inszenierten Film konkret, doch bleibt Raum für Interpretationen und Zwischentöne. Und wo in TV-Schnulzen viele Worte gemacht werden, reichen hier Blicke und Gesten. So wird die "Schweigeminute" zum Glücksfall inmitten von TV-Banalitäten.

Zur Person Julia Koschitz

Die 41-Jährige Österreicherin wurde in Brüssel geboren, studierte in Wien am Schubert-Konservatorium. Sie startete die Karriere auf deutschen Bühnen. Das breite Publikum kennt die mehrfach für die ROMY Nominierte und vielfach preisgekrönte Schauspielerin durch Serien wie „Doctor’s Diary“ und „München 7“ oder von TV- und Kino-Filmen wie „Wunder von Kärnten“ oder „Hin und weg“.

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