Schätze des Louvre in der Provinz

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Mit der Louvre-Filiale heißt es im nordfranzösischen Lens jetzt "Kunst statt Kohle"

Glanz und Renommee für eine sonst recht triste französische Bergbau-Stadt: Lens, 200 km nördlich von Paris, erhielt eine Filiale des Louvre.
Bilbao und sein Guggenheim waren das Vorbild. Das Pariser Centre Pompidou hat schon eine Filiale im ostfranzösischen Metz und die Londoner Tate Gallery eine in Liverpool. Jetzt trumpft auch der Louvre mit einer Dependence in der Provinz auf.
Aber die Nase zu rümpfen und zu glauben, der Kunsttransfer ins nordfranzösische Departement Pas-de-Calais sei schnöde Entwicklungshilfe für die „Sch’tis“, das Nordvolk, von dem die Pariser und die Südfranzosen gern behaupten, es sei sprachlich und überhaupt ein wenig rückständig, ist nicht angebracht.

Lockvogel Kunst

"Kultur statt Kohle" heißt es jetzt in der 35.000-Einwohner-Stadt bei Lille, die von Paris in einer Stunde via TGV erreichbar ist.
Die japanischen Architekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa der Agentur SANAA haben luftig-transparente Flachbauten aus Glas und Aluminium mit 7000 Ausstellungsfläche – fünf ineinander übergehende Vierecke, insgesamt 350 Meter lang – in den Park auf die ehemalige Kohlehalde gestellt.

Ein Jahr Eintritt frei

Eine beeindruckende Hit-Compilation der Louvre-Kunstschätze soll jährlich bis zu 500.000 Besucher in den Hauptort des ehemaligen Kohlereviers von Frankreich bringen und für neue wirtschaftliche Impulse in einer der ärmsten Regionen Frankreichs mit fast 20 Prozent Arbeitslosen sorgen.
Im ersten Jahr ist der Eintritt sogar gratis im Zweit-Louvre: Der zeigt im zentralen 3000 großen offenen Raum ohne Trennwände in der Dauerschau „Galérie du temps“ die Kronjuwelen des „Museums der Museen“ in Paris.

Anders als in Paris

Schätze des Louvre in der Provinz
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Präsentiert werden neben Prunkstücken wie Eugène Delacroix’ Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“, inspiriert von der Julirevolution 1830, mehr als 200 Bilder, Skulpturen und andere Objekte vom Mutterhaus in Paris. Dort kamen viele der mehr als 350.000 Werke aus den Beständen aus Platzmangel bisher noch nie in die Ausstellungsräume.

Um Kulturtouristen von nah und fern zu gewinnen, setzt Xavier Dectot, Louvre-Lens-Direktor, auf das spezielle Ausstellungskonzept: „In der ,Galerie der Zeit‘, dem Herzstück des Museums, zeigen wir die Exponate ganz anders als in Paris. Dort ist der Louvre strikt in Abteilungen untergliedert, was die Unterschiede betont. In Lens verdeutlichen wir, wie die Kulturen miteinander verbunden sind.“

Für die Zeitreise durch die Kunst von 3000 v. Chr. bis 1850 wurden im fensterlosen Trakt rund spektakuläre Meisterwerke ausgewählt: 70 Objekte aus der Antike, 45 aus dem Mittelalter und 90 aus der Moderne.

Museale Experimente

„Dieser andere Louvre vereint, was in Paris über das ganze Museum verstreut ist. Denn wir wollten in Lens mehr als bloß eine Außenstelle: Hat der Pariser Louvre seit der Französischen Revolution von 1789 die Aufgabe, die Schätze der Nation zu versammeln, soll im Norden ein zeitgemäßes Labor entstehen für kulturelle und museale Experimente“, sagt Louvre-Direktor Henri Loyrette.

Ein Fünftel der Werke werde nach einem Jahr ausgetauscht, so Loyrette, „um das Interesse des Publikums wachzuhalten. Wir zeigen hier die ganze Spannweite unserer Werke, geografisch und chronologisch.“

In der „Galérie temporaire“ bietet die Eröffnungsschau „Renaissance. Revolutionen im europäischen Kunstgeschehen 1400–1530“ (bis 11. März 2013) mehr als 250 Preziosen u. a. von Raphael, Dürer, Cranach, Pisanello.

Ein Glanzstück ist hier das frisch restaurierte Gemälde „Maria mit dem Kind und der heiligen Anna“ von Leonardo da Vinci. Auf die Renaissance folgen im nächsten Jahr die Ausstellungen „Die Welt von Homer“ und „Die Virtuosität der Kunst“.

Weiterführende Links:
www.louvrelens.fr

Mitten in der abgetakelten Kohlestadt Lens – 35 Kilometer südlich von Lille – steht die Filiale des berühmtesten Museums der Welt. Die Gegend im Nordosten Frankreichs lebte einst vom Bergbau. Die Kohleminen wurden aber bereits vor 20 Jahren geschlossen. Heute ist die Region, deren Kohlerevier 2012 zum UNESCO-Welterbe ernannt wurde, eine der ärmsten Frankreichs.

Ohne Imponiergehabe

Die Architekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa, 2010 mit dem renommierten Pritzker-Preis ausgezeichnet, verzichteten beim Museum – schlichten Flachbauten aus Glas und Metall – auf jedes städtebauliche Imponiergehabe. Die Politik erhofft sich neue Impulse für die Region. 150 Mio. € hat das Projekt der kulturellen Dezentralisierung im Dreiländereck neben Belgien und den Niederlanden gekostet, finanziert von Region, Staat und Sponsoren. Das Pariser Stammhaus musste nur seine Schatzkisten öffnen – und ließ sich nicht lumpen: Unter den ersten Leihgaben befinden sich ausnahmslos Top-Exponate, u. a. „La liberté qui guide le peuple“ zur Julirevolution von 1830. Das 260 x 325 cm große und mit Rahmen 150 kg schwere „Freiheits“-Gemälde von Eugene Delacroix verließ den Louvre überhaupt erst zum dritten Mal.

Ein Jahr lang gewährt das Museum Besuchern freien Eintritt. Ab Paris ist man mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV in weniger als einer Stunde vor Ort. Von Brüssel aus sogar noch schneller.
Also wie wär’s mit einem Kulturwochenende in Lens?

INFO: Kombi-Tickets Flug + TGV über www.airfrance.at. TGV-Bahnhof für den Louvre ist Lille Europe und dann weiter mit einem Lokalzug nach Lens. Ruefa vertritt in Österreich die Franz. Eisenbahnen: Weiterfahrt ab Flughafen CDG 2 mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV nach Lille und Lens (ca. 2 Std., tgl. ca. zehn Verbindungen, ab 27,70 €) oder vom Gare du Nord in Paris direkt nach Lens (69 Minuten, tgl. rund fünf Verbindungen, ab 15 €). TGV-Tickets in Österreich buchbar bei Ruefa Bahn- und Fährencenter, 1., Kärntner Ring 10 bzw. 01/503 00 20 10.

Weiterführende Links:
www.bahnkarten.at

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