Endlich eine, die nicht süß sein will

Lena Dunham hat ihre Biografie geschrieben: "Not that kind of girl - Was ich im Leben so gelernt habe" ist bei S. Fischer erschienen.
Das Buch der "Girls"-Erfinderin ist da. Tabulos, witzig und wunderbar neurotisch.

Falls sich jemand gefragt hat, was aus den Töchtern der Feministinnen der 70er-Jahre wurde: Möglicherweise Frauen wie Lena Dunham.

Die 28-jährige New Yorker Regisseurin hat das, was man bei uns "keinen Genierer" nennt. Sie sagt, was sie denkt, verzichtet auf Mode-Ratschläge, rennt trotz Nicht-Model-Figur ständig nackt durchs Bild und hat mit der HBO-Serie "Girls" die wohltuende Antithese zu "Sex and the City" aufgestellt.

Rund 3,6 Millionen Dollar Vorschuss soll Dunham für ihr erstes Buch "Not That Kind of Girl" bekommen haben. Eine Menge Geld, besonders für einen Erstling. Bestseller-Autor Jason Pinter hat sich in der Huffington Post ausgerechnet, wieso das keine übertriebene Summe ist. Fazit: Es ist ein Geschäft für alle Seiten.

Und zahlt es sich auch als Leserin oder Leser aus, mehrere Stunden und rund 20 Euro in die skurrile Autobiografie einer Endzwanzigerin aus Brooklyn zu investieren?

Die kurze Antwort: Ja. Das Buch ist meistens sehr lustig, stellenweise ein bisschen traurig, etwas geschwätzig und trotzdem klug.

Top-Ten-Ängste

Dunham schreibt über ihren Körper, ihre Männer, ihre Essgewohnheiten, ihre Familie, ihr New York. Mit scharfem Intellekt erzählt sie, ohne Luft zu holen, von Entjungferung und ersten Filmen. Von der Angst vor dem Tod, von dem sie schon als Kind besessen war, von Variationen von Selbsthass und von Kondomen, die in Zimmerpalmen hängen bleiben. Sie beschreibt die "Top Ten meiner Ängste in Sachen Krankheit" und erzählt glaubwürdig davon, dass man auch mit 27 und 3,6 Millionen Dollar Vorschuss manchmal einfach nur wegrennen möchte.

Natürlich ist dies ein egozentrisches Buch. Dunham schreibt über sich und trifft doch den Nerv – vielleicht nicht einer ganzen Generation, aber doch sehr vieler junger Frauen. Und sie fügt der Gender-Debatte ein neues, unverbrauchtes Kapitel hinzu. Sie ist selbstverständlich Feministin und macht sich überhaupt keine Gedanken, ob die Mädchen mit den Buben mitspielen dürfen. Während es gerade noch State of the Art war, Geschlechterunterschiede wegzudiskutieren, widmet Dunham ihrer Gebärmutter ein ganzes, sehr lustiges, etwas neurotisches Kapitel.

Endlich eine, die nicht süß sein will
cover
Überhaupt, die Sache mit dem unperfekten Körper. Dunhams Mutter, eine Künstlerin, entdeckte das "Selfie" schon in den 70ern. Dass die Tochter ihren Körper gern nackt ins Bild rückt, ist nur eine Konsequenz davon. "Es hat am College angefangen. Auf der Suche nach Schauspielerinnen, die genau das Gefühl von sexueller Verzweiflung verkörpern konnten, nach dem ich suchte, castete ich mich selbst." Dass immer alles einfach wäre, behauptet sie nicht. Beinahe-Vergewaltigungen, Liebeskummer und Körperkomplexe samt Essstörungen sind Thema. Natürlich geht man zum Therapeuten. Stellenweise erinnert das an Bridget Jones – weniger harmlos und mit Hirn. Lena Dunham ist eine Autorin, die man seiner Tochter zu lesen geben möchte. Braucht man aber nicht, die Tochter kannte sie längst, bevor man sie selbst entdeckte. Und in Zeiten, wo auch kluge Mädchen in typischer Selfie-Pose – Wangen einziehen, Kulleraugen machen – vor allem "süß" wirken wollen ... tut eine wie Lena Dunham gut. Eine, die keinen Genierer hat.

Info: Lena Dunham: „Not That Kind of Girl.“ Übersetzt von Sophie Zeitz und Tobias Schnettler. S. Fischer, 304 S., 20,60 €.

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