Damals, im Partykeller der Eltern

LarsEidinger hat eine Vorliebe für dunkle und instrumental gehaltene Downbeat-Musik.
Schauspieler Lars Eidinger über Kruder und Dorfmeister und sein Album, das Ende der 1990er entstand.

Der deutsche Schauspieler Lars Eidinger ist gerade omnipräsent. Er spielt im umstrittenen Kinofilm "Mathilde" die Rolle des heiliggesprochenen Zaren Nikolaus II., steht als Hamlet auf der Berliner Schaubühne, ist in der Serie "Babylon Berlin" als windiger Geschäftsmann Alfred Nyssen unterwegs und wird am 14. November in der BBC-Produktion "SS-GB" – hierzulande auf RTL Crime und Sky zu sehen – an der Seite von Sam Riley den SS-Gruppenführer Oskar Huth verkörpern.

Die Schauspielerei ist aber nur eine Leidenschaft, der Lars Eidinger nachgeht. Eine andere ist Musik. Nachzuhören ist das auf der erweiterten Neuauflage seines Mini-Albums "I'll Break Ya Legg", das der Berliner Mitte der 1990er-Jahre in Eigenregie produzierte. Der KURIER hat den 41-Jährigen telefonisch erreicht.

KURIER: "I'll Break Ya Legg" wurde bereits in einer abgespeckten Version als 10-Inch Vinyl veröffentlicht. Das war Ende der 1990er-Jahre. Wie sind damals die Tracks entstanden?
Lars Eidinger:
Angefangen, Musik zu machen, habe ich mit meinem Bruder und einem Freund im Jugendfreizeitheim Berlin-Tempelhof, wo wir ein Studio nutzen konnten. Aber immer nur für eine Stunde, was nervig war. Also haben wir beschlossen, im Partykeller unseres Hauses weiterzumachen. Home-Recording war in den 1990er-Jahren eine kleine Revolution.

Machen Sie noch Musik?
Obwohl noch alles bei mir zuhause herumsteht – eine Roland TR-808er-Drum Machine, ein Mini-Moog und der Akai Sampler MPC 2000 – mache ich leider seit Jahren keine Musik mehr, weil mir keine Zeit dafür bleibt. Neben der Schauspielerei habe ich noch eine Familie, die auf mich wartet, mit der ich Zeit verbringen möchte. Das Einzige, was sich abends hin und wieder ausgeht, sind DJ-Tätigkeiten.

Sie greifen als DJ gerne zu Vinyl. Auch "I'll Break Ya Legg" erscheint ausschließlich auf Vinyl. Wie beurteilen Sie die Renaissance der Schallplatte.
Mein Album ist deshalb nur auf Schallplatte erhältlich, weil das Label zu mir gesagt hat, dass die CD tot sei. Das kann ich nachvollziehen, denn ich habe das Medium nie wirklich verstanden. Ich war schon immer ein großer Fan der Schallplatte, da ich die Möglichkeiten der Artwork-Gestaltung großartig finde. Ich orientiere mich auch beim Auflegen an den Covern. Das Durchblättern, das Sichten der Platten, ist für mich viel sinnlicher, als sich durch eine Tracklist zu scrollen.

Auf der neu aufgelegten Platte sind fünf unveröffentlichte Tracks zu finden. Aus welchem Jahr stammen diese?
Aus den 90er-Jahren. Sie schafften es aber aus platzgründen nicht auf die 10-Inch Platte, die 1998 vom Label Stud!o K7 im Rahmen von zwei anderen Releases veröffentlicht wurde. Dass die Platte nun doch noch in voller Länge erscheint, habe ich Horst Weidenmüller zu verdanken. Der damalige Chef von !K7 hatte die Idee, die Platte neu aufzulegen. Nicht aus kommerziellen Gesichtspunkten, denn dafür ist die Musik viel zu widerspenstig, zu wenig massenkompatibel.

Neben fünf neuen Tracks gibt es auch ein neues Cover. Haben Sie das selber gestaltet?
Ja, was mich besonders freut. Denn bei der Erstveröffentlichung gab es kein Cover: Die Platte steckte einfach in einer grünen Hülle. Das fand ich schade, denn ich habe mir als Jugendlicher oft Gedanken gemacht, wie das Cover meiner ersten Platte aussehen könnte. Jetzt hatte ich endlich die Möglichkeit, das nachzuholen. Das Coverfoto stammt von Juergen Teller. Und die Schrift hat der Maler Carsten Fock beigesteuert.

Wurden die Songs für die Neuveröffentlichung eigentlich nachbearbeitet?
Sie wurden digital ein bisschen aufgefrischt. Mehr wäre gar nicht möglich gewesen, weil meine Frau den Computer, auf dem ich die Tracks produziert habe, längst entsorgt bzw. verschenkt hat. Sie hasste dieses klobige Teil, das ewig bei uns herumstand. Als ich mir irgendwann einmal etwas zum Essen beim Chinesen bestellt habe, hat Sie den Computer einfach dem Lieferservice-Typen geschenkt. Der Rechner war weg. Mir ist erst später bewusst geworden, dass meine ganzen Tracks da drauf waren. Als die Anfrage vom Label !K7 kam, fand ich nur noch eine Mini-Disc, auf die ich meine Musik damals kopiert hatte. Die Rettung.

Was waren die musikalische Einflüsse zu dieser Zeit?
Es gab einen Sampler, der damals auf Mo’ Wax erschienen ist. Darauf war "Birth", ein Stück von Howie B, der auch mit Björk produziert hat. Es war nur ein durchlaufender Drum-Loop, kein Gesang. Das war für mich die Initialzündung. Danach folgten Alben von DJ Krush, DJ Shadow, Massive Attack und natürlich Tricky. Diese Art von Musik liebe ich.

Kamen Sie dabei auch in Berührung mit der Vienna Downtempo-Szene rund um Kruder & Dorfmeister?
Durchaus. Kruder & Dorfmeister habe ich zum Beispiel 1996 bei der Berliner Loveparade in einer Halle gesehen. Die Halle war leer. Kein Mensch interessierte sich damals für die beiden. Später habe ich sie nochmal gesehen. Da waren sie bereits Stars und spielten in St. Gallen in einem leeren Schwimmbecken. Ein grandioses Konzert! Ich liebe "G-Stoned", ihre erste Platte, bei der sie am Cover ein Simon & Garfunkel-Artwork nachstellen. Patrick Pulsinger und sein Label Cheap Records haben mich aber auch beeinflusst.

Sie haben bei einem Video von Yung Hurn mitgespielt. Die provokanten Texte und Statements des Wiener Rappers sorgen immer wieder für Diskussionen. Sind Sie befreundet?
Ja, wir schreiben uns hin und wieder. Ich finde es großartig, was er macht, wie die Leute bei seinen Konzerten abgehen. Ich finde, diese Attitüde gehört zum Hip-Hop dazu. Wenn man das nicht mag, sollte man wahrscheinlich eher Indie-Musik hören. Hip-Hop lebt eben von einer gewissen Selbstverherrlichung und einer Selbstüberschätzung. Das hat zwar auch immer etwas von Hybris und mit Sexismus zu tun, aber es gibt zum Glück immer mehr Frauen in diesem Genre, die das auf den Kopf stellen.

Damals, im Partykeller der Eltern
CD-Cover von Lars Eidinger

Apropos Sexismus: Wie beurteilen Sie die #metoo-Bewegung?
Ich war immer ein bisschen irritiert, was den Fotografen Terry Richardson angeht. Ich habe die ersten Fotobücher von ihm zuhause, wo ganz klar hervorgeht, dass er die Models zuerst fotografiert und danach Sex mit ihnen hat – oder haben möchte. Wer zu Richardson geht, um sich fotografieren zu lassen, sollte sich vorher informieren. Im Fall Harvey Weinstein glaube ich, dass er keine Frau vergewaltigt hat, sondern sich die Frauen auf eine Art Deal mit ihm eingelassen haben. Aber mal sehen, was rauskommt. Auf jeden Fall ist es erschreckend zu sehen, wie viele Karrieren darauf gründen, dass die Frauen mit Weinstein ins Bett gegangen sind.

In "Mathilde" spielen sie Nikolaus II. und sorgen damit in Russland für brennende Autos vor den Kinos. Warum?
Ich bin zur Zielscheibe von Propaganda gegen den Film geworden. Die orthodoxe Kirche und eine Duma-Abgeordnete haben nach Gründen gesucht, um diesen Film in Russland zu verbieten. Die haben Bilder von mir im Internet gefunden, auf denen ich nackt mit Erde beschmiert auf einer Theaterbühne stehe und einen Ausschnitt aus einem Film, wo ich mit einer Erektion zu sehen bin. Danach hieß es dann, ich sei ein homosexueller Pornodarsteller, ein Satanist. Und es sei ein Skandal, dass so jemand den heiligen Zaren spiele. Sie lachen. Aber in Russland nimmt man das extrem ernst. Für einige Russen ist die Verkörperung ihrer Ikone ein Sakrileg. Ich bin auch nicht zur Russland-Premiere nach Moskau geflogen. Das Risiko eines Attentats war mir zu groß.

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