Aufräumen mit der Kamera

Aufräumen mit der Kamera
Die erste Museums-Schau der deutschen Fotografin Candida Höfer in Österreich.

Wärst du doch in Düsseldorf geblieben", sang das Schlagersternchen Berthe Kollo 1968, und die Nachwirkungen dieses Image-Super-Gaus sind im kollektiven Gedächtnis bis heute spürbar.

Da hilft es auch nichts, dass die Fotoklasse der Düsseldorfer Akademie unter den Professoren Bernd und Hilla Becher seit 1976 Weltklasse-Fotografinnen und Fotografen hervorbrachte.

Candida Höfer war eine der ersten Absolventinnen, und obwohl sie nicht in Düsseldorf blieb, kehrte die heute 70-Jährige immer wieder dorthin zurück: Die famose Retrospektive, die bis 25. Mai in der Landesgalerie Linz zu sehen ist, trägt folglich den Titel "Düsseldorf" und zeigt ausschließlich Bilder, die in der Stadt am Rhein entstanden.

Kulturbauten

Aufräumen mit der Kamera
Candida Höfer. Foto: Ralph Müller
Viele der gezeigten Großformate sind eigens für die Schau entstanden: Höfer fotografierte alte und neue Kulturbauten wie das Museum Kunstpalast, die Deutsche Oper am Rhein oder das barocke Benrather Schloss in jener Art, für die sie international bekannt wurde: Menschen sind aus dem Bild verbannt, und alles wirkt unfassbar aufgeräumt – so, als hätte die Kamera eigenmächtig nochmals abgestaubt und die Fenster, Fliesen und Perspektivlinien zu ordentlichen Kompositionen arrangiert.

Selbst in üppigen, nicht modernen Räumen zeigt sich dabei ein Faible für Strukturen und Wiederholungen, das Höfer und anderen Vertretern der "Düsseldorfer Fotoschule" eigen ist – man beachte etwa den Parkettboden im Benrather Schloss (großes Bild).

Wie ältere Bilder in der Schau zeigen, entwickelte sich Höfers Ästhetik erst nach und nach: Ihre Fotos von Schaufenstern und Straßenszenen aus den Jahren 1974– ’75 etwa haben viel mit der lakonischen Fotografie eines William Eggleston gemein.

Damals fotografierte Höfer auch Menschen, insbesondere Migranten: Deren Welt schien der Tochter des Journalisten Werner Höfer neu und fremd. Doch das Eindringen in Privatsphären erzeugte bei Höfer auch Unbehagen, und so verschwanden die Menschen immer mehr aus ihren Bildern, die ganz nebenbei auch das "moderne", kühle Düsseldorf mit seinen Buffets und Bahnhofshallen ästhetisieren.

Manchmal ließen sich dabei Menschen eben nicht vermeiden, erklärt die selbst oft als scheu beschriebene Fotografin in einer TV-Doku, die in der Schau läuft. Wenn es geht, sollen Personen aber bitte aus den Bildern draußen bleiben. "Damit der Raum sichtbarer wird."

Sachlich und konzeptuell, der Fokus auf Serien statt nur auf Einzelbildern: So kann man die Ästhetik beschreiben, die Bernd und Hilla Becher entwickelten und von 1976 bis 1996 an Studierende der Düsseldorfer Kunstakademie weitergaben.

Die Bechers selbst waren mit Bildern von alten Industriebauten, von Wassertürmen oder Fachwerkhäusern bekannt geworden: Die Motive wurden stets von verschiedenen Punkten fotografiert und zu Serien – in Reihen an der Wand, Leporellos oder Büchern – zusammengefasst.

Becher-Schüler wie Andreas Gursky oder Thomas Struth übersetzten diese nüchterne Ästhetik in wandfüllende Formate – und reüssierten damit am Kunstmarkt in einer für Fotografie bis dahin nicht gekannten Weise. Andreas Gurskys Bild "Rhein II" von 1999 wurde 2011 bei Christie’s um 4,3 Millionen US-Dollar versteigert und hält damit den Rekord als teuerstes Foto der Welt.

Der große Hype um die Düsseldorfer scheint in den vergangenen Jahren dennoch abgeklungen zu sein. Protagonisten wie Thomas Ruff entwickelten sich in Richtung einer konzeptuellen, mit avancierten digitalen Techniken experimentierenden Fotografie weiter. Und Becher-Schüler wie Axel Hütte und Candida Höfer – die lange Zeit im Schatten von Gursky & Co stand – bekommen neue Aufmerksamkeit.

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