"La Traviata" als kühne Medienkritik

"La Traviata" als kühne Medienkritik
Kritik: Andreas Gergen inszeniert Verdis Oper am Salzburger Landestheater zwischen Cybersex und Tod im Internet.

Wie die Schmeißfliegen umschwirren Reporter mit Kameras und Mikros Violetta bei ihren Sexspielchen, Festen und selbst bei ihrem Sterben. Und ihre Bilder werden in kleine, fast wie Sexkabinen aussehende, weißgekachelte Wohneinheiten eines dreistöckigen Hauses übertragen, wo sich schmierige Typen vor TV-Geräten und Laptops daran begeilen.

Regisseur Andreas Gergen zeigt in Giuseppe Verdis im Heute angesiedelter "La Traviata" – eine Produktion des Salzburger Landestheaters im Haus für Mozart – die sensationslüsterne Mediengesellschaft wie auch die Vereinsamung des Einzelnen, der nur noch unpersönlich über PC kommuniziert.

Blutig

Konsequenterweise lässt er das letzte Treffen von Alfredo und Violetta vor Laptops über Skype ablaufen, bevor sie recht blutig an einer Fehlgeburt stirbt. Kühn, aber nachvollziehbar ist seine Konzeption mit vielen Ideen, Details und Bildern.

Gladys Rossi singt die Titelheldin mit feinen Piani und reichen Schattierungen. Auch ihre Darstellung ist beeindruckend: sexy mit Strapsen im ersten Bild, ausstaffiert wie Marilyn Monroe (Bilder von ihr finden sich auch in den Wohneinheiten), und dann als sehnsüchtige Mutter, die mit einer Puppe spielt.

Mit schöngefärbtem, kräftigen Tenor erlebt man Luciano Ganci als Alfredo. Michele Calmandi als szenisch eher hölzerner, reich dekorierter Offizier Germont verfügt über einen sehr weichen, noblen Bariton.

Leo Hussain am Pult des Mozarteum Orchesters ist ein Garant für mitreißendes, facetten- und farbenreiches wie auch spannendes Musizieren. Steigerungen werden extrem ausgereizt, aber auch wunderbar sensible Töne produziert.

Breite Zustimmung mit ein paar schüchternen Buhs für die Regie.

KURIER-Wertung: **** von *****

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