Wenn die Primadonna den Unterschied ausmachen muss

Keine wird so hinreißend wahnsinnig wie Edita Gruberova: Hier beklagt sie als „Fremde“ den Selbstmord Arturos (liegend: Dario Schmunck)
Vincenzo Bellinis "La Straniera" mit viel Licht, aber auch Schatten im Theater an der Wien.

Die Idee ist eigentlich genial. Eine Oper, eine Inszenierung, aber zwei, sehr unterschiedliche Primadonnen in der Titelpartie. Mit Vincenzo Bellinis "La Straniera" setzt Intendant Roland Geyer im Theater an der Wien erstmals auf eine so genannte Doppel-Premiere. Einmal ist Edita Gruberova im Einsatz, ihr folgt am Freitag Marlis Petersen in der Hauptrolle.

Und eines lässt sich nach der ersten, für die Gruberova konzipierten Premiere sagen: Bellinis selten gespieltes Werk steht und fällt an der Wien mit der Besetzung.

Steht, weil Edita Gruberova – für sie wurde die bereits 2013 in Zürich erprobte Inszenierung auch geschaffen – selbstverständlich strahlender Mittelpunkt des Geschehens ist. Man wartet förmlich auf ihre Koloraturen, auf ihre ansatzlos in den Raum gesetzten Piani, auf ihre melodischen Bögen, auf ihre Klagen und auch auf ihre dramatischen Ausbrüche.

Bierernst

Denn die Ausnahmekünstlerin, die im Februar ihr 45-jähriges Bühnenjubiläum am Ring feiert, begeistert auch an der Wien. Gekonnt legt Gruberova all ihre Emotionen in die Musik und macht vieles hörbar, was man szenisch nicht unbedingt sieht. Denn Regisseur Christof Loy nimmt die krude Handlung bierernst, sucht in den von Bellini (und seinem Librettisten Felice Romani) überlebensgroß dargestellten Emotionen eine psychologische Komponente, die aber nur in Ansätzen vorhanden ist.

Und so darf der Tenor Arturo (vokal viel zu blass, darstellerisch hart an der Grenze: Dario Schmunck) händeringend nach der "Fremden" ("La Straniera") schmachten, sich im Duell ins imaginäre Wasser stürzen, wieder auftauchen, vor seiner eigenen Hochzeit (mit einer anderen Frau) davonlaufen und sich letztlich selbst per Messer den Todesstoß geben.

Hölzern

Das ist in der hölzernen, sehr statischen Ausstattung (Annette Kurz) und den an das 19. Jahrhundert gemahnenden Kostümen (Ursula Renzenbrink) stellenweise unfreiwillig komisch, ja erinnert an manche Opernparodie. Da hilft es auch wenig, dass Loy den (gewohnt guten) Arnold Schoenberg Chor sicher führt und die eine oder andere interessante Idee hat. Bellinis "La Straniera" wäre szenisch wohl nur durch Ironie oder eine radikale Brechung beizukommen. Bei Loy bleibt alles biedere Konfektionsware.

Bieder ist auch das treffende Attribut für das, was Dirigent Paolo Arrivabeni am Pult des an sich guten ORF Radio-Symphonieorchester Wien anzubieten hat. Arrivabeni begleitet die Sänger im Idealfall. Esprit oder melodischen Witz bleibt der Maestro schuldig. Hier wird Bellini unter seinem Wert geschlagen.

Aus dem Ensemble (fragil, aber solide: Theresa Kronthaler, stark: Stefan Cerny) wehrt sich nur der exzellente Bariton Franco Vassallo gegen den szenischen wie musikalischen Gleichklang. Denn Vassallo zeigt neben Gruberova, was bei Bellini alles möglich wäre. Jubel für dieses Duo, höflicher Applaus für die anderen Beteiligten.

KURIER-Wertung:

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