Ob Adele überhaupt wusste, wer Einstein war?
Dass Adele Kurt verführt hat, ist gewiss, dass er ihr eine Lektion in Logik erteilte, eher weniger.“
Kurt Gödel gilt als undurchschaubarster Mathematiker des 20. Jahrhunderts. Befreundet mit Albert Einstein, arbeitete er mit ihm an der Relativitätstheorie und bewies, dass Zeitreisen theoretisch möglich wären. Was ihm um den Verstand brachte: Er sah Gespenster. Die Frau an seiner Seite, die um sieben Jahre ältere Adele, war der einzige Mensch, den das wahnsinnige Genie auf Dauer ertrug. Und sie, sie trug ihn durchs Leben.
Jedoch, sagt Yannick Grannec, man hat ihr unrecht getan. Die 43-jährige Französin erzählt in ihrem Erstlingswerk „Die Göttin der kleinen Siege“ von der Liebe zwischen Kurt Gödel und seiner Frau Adele. Dem lebensuntüchtige Genie und der ehemaligen Tänzerin, die sich mit Geduld und Sinn fürs Praktische um ihn kümmerte: Beim ersten Date versuchte Adele, Kurt zu verführen, während er versuchte, ihr formale Logik zu erklären.
Die komische Dicke
Grannec fordert Gerechtigkeit für die mutige Adele: „Ich las eine Biografie nach der anderen über Gödel und jedes Mal fiel mir auf, wie unfreundlich Adele beschrieben wurde. Als die komische Dicke, die nichts verstanden hat. Hat Einstein zu Hause empfangen und wusste wohl gar nicht, wer das war. Alle fragten sich, was ein Genie wie Gödel an dieser mittelmäßigen Frau gefunden hat. Ich habe mich allerdings immer gefragt: Wie kann eine Frau einen so anstrengenden Mann aushalten?“ Die Geschichte dieser scheinbar unmöglichen Liebe trägt alle epischen Elemente einer guten Story in sich: Genie, Wahnsinn, Liebe, Vertreibung.
Dennoch ist „Die Göttin der kleinen Siege“ keine klassische Biografie: Bei Bourbon und Sachertorte erzählt die bettlägrige, grantige Witwe einer jungen Wissenschaftlerin vom Leben an der Seite des wirren Genies im Wien der 1930er-Jahre, von der Flucht vor den Nationalsozialisten und ihren Gesprächen mit Albert Einstein im Princeton der Nachkriegsjahre.
Biografische Fakten vermischt Grannec mit Vermutungen.
Der Mathematik-Prinz
In dieser Geschichte geht es um Wissensvermittlung im doppelten Sinn: „Adele vermittelte Lebensweisheit. Es ist ja nicht nur das, was wir ,Knowledge‘ nennen, wichtig. Kurt Gödel hatte kein Talent zum Leben. Seine Beziehung zu Adele hatte etwas Metaphorisches. Das eine ohne das andere funktioniert nicht.“
Wissenschaftliche Erklärungen – wie nebenbei stehen da Dinge wie „Prädikatenlogik“ und „Logikkalkül“ – hat Grannec von Fachleuten überprüfen lassen.
Aber: Wer sich erwartet, nach dieser Lektüre Gödels Unvollständigkeitssatz zu begreifen, liegt falsch.
KURIER-Wertung: ***** von *****
Zur Person Kurt Gödel: Genie und Wahnsinn
Forschung: David Friedman, Leiter des Kurt Gödel Research Center an der Uni Wien, beschreibt Gödels Resultate: „Die Methoden der Mathematik sind von Natur aus unvollständig: Es wird immer Aussagen geben, die wir weder beweisen noch widerlegen können. Tatsächlich können wir mathematisch nicht einmal beweisen, dass die Mathematik frei von Widersprüchen ist!“
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