Kunsthalle Wien: Mode im Bild

Kunsthalle Wien: Mode im Bild
Zwei Ausstellungen zum Thema Modefotografie in Wien zeigen, warum es zwischen Kunst, Glamour- und Amateurfotografie schon lange keine klaren Grenzen mehr gibt.

Ohne Schubladen geht's offenbar nicht. Auch in der Kunsthalle Wien, die heuer einen "Modeschwerpunkt" ausgerufen hat, trägt man als Besucher unweigerlich drei imaginäre Boxen mit sich herum, in die die Bilder der aktuellen Ausstellungen einsortiert werden: "Mode - Kunst - Weiß nicht."

Dabei bestätigt der Besuch der beiden Ausstellungen eigentlich nur, dass die Mauer zwischen den Genres längst niedergerissen ist. Die Kunsthalle braucht nicht einmal Oliviero Toscanis "Priester-küsst-Nonne"-Bilder oder den neuesten "Papst-küsst-Imam"-Aufguss davon. Die surrealen Mannequin-Inszenierungen des sonst primär als Maler bekannten Künstlers Wols von 1937 sind in der Schau "Vanity" Grenzgänger genug. Die Bilder des Japaners Izima Kaoru - er inszeniert schön gekleidete Models so, als hätten sie eben Selbstmord begangen - balancieren ebenso virtuos zwischen den Genres, nur hängen sie in der zweiten Schau "No fashion, please!".

Die Kunsthalle hat die Grenze zwischen Kunst und Mode also wieder aufgebaut, und zwar in Form von Postulaten: Kunst "hinterfragt" selbstverständlich die Konventionen der Modefotografie, sie steht außerhalb jener wirtschaftlichen Verwertungskreisläufe, deren Komplize die Mode ist.

Unterschiedliche Entstehungsgeschichten

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Tatsächlich verläuft die Grenze zwischen den beiden Ausstellungen jedoch eher entlang unterschiedlicher Entstehungsgeschichten: "Vanity" zeigt die Sammlung des deutschen Fotografen F. C. Gundlach, der selbst Tausende von Modestrecken für Magazine wie Brigitte fotografierte und über Jahrzehnte Hunderte Werke von Größen seines Fachs erwarb.

Irving Penns klassische Silhouetten vor grauem Studio-Hintergrund ("Mermaid Dress", 1950) sind hier ebenso zu sehen wie mondäne Party-Szenen aus Berlin im Jahr 1930, die die Fotografin Yva für die Kamera inszenierte - vieles, etwa die rauen Straßenfotos von Leon Levinstein oder William Klein, verlassen das Territorium klassischer Modefotografie ganz eindeutig.

Kurator Peter Weiermair wiederum hätte seine Schau ohne das Mode-Korsett der Kunsthalle gerne "Genderless" genannt: Natürlich ist das Thema der Geschlechterrollen auch im Grenzbereich von Mode und Kunst ein Dauerbrenner.

Weiermairs Auswahl, die ähnlich überzeugend wie Magrittes Pfeife von sich behauptet, keine Modeausstellung zu sein ("No Fashion, please!"), ist aber eher von einem geschmackssicheren Kuratorenblick als von großen Theorien getragen. Am stärksten wirken folglich ästhetisch feinfühlige Inszenierungen wie jene von Lea Golder Holterman, die unter dem Titel "Orthodox Eros" junge, strenggläubige Juden in ihrer rituellen Kleidung - ihrer "Mode"? - porträtiert.

Grenze muss neu gezogen werden

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Wo die Stichworte Mode und Geschlecht lehrbuchmäßig abgeklopft werden - etwa in Videos, in denen Sophia Wallace Models zu ihrer Männlichkeit befragt - wird die Schau wieder fad: Nichts ist öder als Kunst, die sich ständig ihrer eigenen Kunstigkeit versichern muss. Die Grenze zwischen dem Menschen und der Welt, die in der Kunst, aber eben auch in der Mode Thema ist, wird allerdings nie langweilig. Sie muss immer wieder neu gezogen werden.

Mode: Kunsthalle zeigt zwei Zugänge

Vanity: Die Ausstellung von Werken aus der Sammlung F.C. Gundlach zeigt Modefotografie seit dem Ende der 1920er-Jahre bis heute. Bis 12. 2. 2011 .

No fashion, please!: Kurator Peter Weiermair zeigt zeitgenössische Kunst, die sich - im erweiterten Sinn und primär im Medium Fotografie & Video - mit Mode auseinandersetzt.
Bis 22. 1. 2012.

Info:
Täglich 10-19, Do. 10- 21 Uhr. kunsthallewien.at

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