Kunst als Konservierungsmittel
Bombardements, Zerstörung, Vertreibung – in den Wirren des aktuellen Weltgeschehens scheint die Kunst oft unbedeutend und ganz weit weg. Und doch holt man sie immer wieder gern hervor, wenn man sich an Ereignisse erinnern, sich von ihnen „ein Bild machen“ möchte: Das aktuelle Gedenken an den Ausbruch des
Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren mag dies illustrieren.
Wie erzählen?
Die Ausstellung „Kunst/Geschichten“ im Museum der Moderne Salzburg (bis 26.10.) ist keine „Weltkriegs-Ausstellung“, auch wenn Werke über die betreffende Zeit – etwa von Otto Dix – darin vorkommen. Die Schau widmet sich vielmehr dem generellen Verhältnis der Systeme Kunst und Geschichte bzw. Geschichtsschreibung: Künstler begegnen dabei als Archivare, Übersetzer und Aktivisten, aber auch als Freigeister, die vordergründig nichts mit Politik am Hut haben und am Ende doch Ideologien widerspiegeln.
Für das Museum ist die Schau, die sich auf die Standorte Mönchsberg und Rupertinum ausbreitet, auch eine Standortbestimmung: In ihrer ersten Themen-Ausstellung macht Neo-Direktorin Sabine Breitwieser Sammlungsbestände des Hauses auf geschickte Weise für ihr Leibthema „Kunst und Politik“ fruchtbar.
Ernst Haas’ Heimkehrer-Fotos aus Wien nach 1945 und Käthe Kollwitz’ Radierungen bilden am Mönchsberg den historischen Auftakt – gemeinsam mit Stichen aus dem Salzburg Museum, die die Vertreibung der Protestanten aus der Stadt 1731/’32 zum Inhalt haben. Der Schwerpunkt liegt freilich bei zeitgenössischen Zugängen: In Martha Roslers Collagen-Serie „Schöner Wohnen – der Krieg kommt ins Haus“ sind Bilder des Vietnamkriegs und des US-Einsatzes im Irak ab 2003 in Interieurs aus Hochglanz-Magazinen montiert. Auch in Installationen von Renee Green und Marcel Broodthaers kommt der Krieg ins Heim – in Form einer Tapete, die grausige Details zeigt ( Green) oder in Form von MGs, die als eine Art Salonschmuck dienen (Broodthaers).
Künstler als Sammler
Im Rupertinum treten Künstler weniger als Bildermacher denn als Bildersammler auf: Porträts aus dem Archiv eines arabischen Fotostudios, das der Künstler Akram Zaatari bewahrt, sind hier zu sehen, Bilder des Kriegs im Libanon (Walid Raad), ethnologische Artefakte, um deren Erkundung sich der Künstler Kader Attia bemüht. Kunst als Auffangbecken für unerzählte Geschichten, Künstler als Archivare dessen, was in der Logik des gerade herrschenden Systems untergeht: Dieses Verständnis ist nicht zuletzt durch Kunst-Events wie die Kasseler „Documenta“ heute gut einzementiert.
Die Schau „Kunst/Geschichten“ führt die gesellschaftliche Notwendigkeit dieser Parallelwelt, in der alles anders gedacht werden darf, in engagierter Weise vor – sie weckt dabei aber auch Zweifel, ob die Kunst leisten kann, was sie sich hier vornimmt. Denn viele Werke scheinen in ihrer Zeit gefangen, wirken „retro“ oder in ihrer Wirkmächtigkeit begrenzt: Wird hier vielleicht die Ungerechtigkeit der Welt nicht doch nur in ein System der Selbstgerechtigkeit überführt? Das Ziel, derlei Fragen aufzuwerfen, hat die Schau jedenfalls erfüllt.
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