Kunst als Konservierungsmittel

Die Kreuzzüge als Marionettentheater: Eine Art, in der Kunst in der Schau "Kunst/Geschichten" sich der Historie nähert.
Eine neue Ausstellung im Museum der Moderne widmet sich dem Verhältnis von Kunst und Weltgeschehen.

Bombardements, Zerstörung, Vertreibung – in den Wirren des aktuellen Weltgeschehens scheint die Kunst oft unbedeutend und ganz weit weg. Und doch holt man sie immer wieder gern hervor, wenn man sich an Ereignisse erinnern, sich von ihnen „ein Bild machen“ möchte: Das aktuelle Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren mag dies illustrieren.
Wie erzählen?

Die Ausstellung „Kunst/Geschichten“ im Museum der Moderne Salzburg (bis 26.10.) ist keine „Weltkriegs-Ausstellung“, auch wenn Werke über die betreffende Zeit – etwa von Otto Dix – darin vorkommen. Die Schau widmet sich vielmehr dem generellen Verhältnis der Systeme Kunst und Geschichte bzw. Geschichtsschreibung: Künstler begegnen dabei als Archivare, Übersetzer und Aktivisten, aber auch als Freigeister, die vordergründig nichts mit Politik am Hut haben und am Ende doch Ideologien widerspiegeln.

Für das Museum ist die Schau, die sich auf die Standorte Mönchsberg und Rupertinum ausbreitet, auch eine Standortbestimmung: In ihrer ersten Themen-Ausstellung macht Neo-Direktorin Sabine Breitwieser Sammlungsbestände des Hauses auf geschickte Weise für ihr Leibthema „Kunst und Politik“ fruchtbar.

Kunst als Konservierungsmittel

Elias Baeck_Emigration_1732.jpg
Kunst als Konservierungsmittel

Gerti Deutsch_Home from Russia_1947.jpg
Kunst als Konservierungsmittel

Ernst Haas_Wien nach 1945.jpg
Kunst als Konservierungsmittel

Akram Zaatari_Hashem El Madani_Studio Practices_2006.JPG
Kunst als Konservierungsmittel

Walid Raad_My Neck is Thinner Than A Hair_1996_2004.jpg
Kunst als Konservierungsmittel

Elaine Reichek_Paint me a Cavernous Waste Shore_2009_10.jpg
Kunst als Konservierungsmittel

Chen Shaoxing_Ink History_2008_10.JPG
Kunst als Konservierungsmittel

Käthe Kollwitz_Ein Weberaustand_1897.jpg
Kunst als Konservierungsmittel

Otto Dix_Der Krieg_1924.jpg
Kunst als Konservierungsmittel

Anselm Kiefer_Interfunktionen_1975.jpg
Kunst als Konservierungsmittel

Martha Rosler_Bringing the War Home_Election_2004.jpg
Kunst als Konservierungsmittel

Ausstellungsansicht_Renee Green_Commemorative Toile (Vienna)_ 1992_93.jpg
Kunst als Konservierungsmittel

Ausstellungsansicht_Marcel Broodthaers_Decor A Conquest by Marcel Broodthaer_1975_1.jpg

Ernst Haas’ Heimkehrer-Fotos aus Wien nach 1945 und Käthe Kollwitz’ Radierungen bilden am Mönchsberg den historischen Auftakt – gemeinsam mit Stichen aus dem Salzburg Museum, die die Vertreibung der Protestanten aus der Stadt 1731/’32 zum Inhalt haben. Der Schwerpunkt liegt freilich bei zeitgenössischen Zugängen: In Martha Roslers Collagen-Serie „Schöner Wohnen – der Krieg kommt ins Haus“ sind Bilder des Vietnamkriegs und des US-Einsatzes im Irak ab 2003 in Interieurs aus Hochglanz-Magazinen montiert. Auch in Installationen von Renee Green und Marcel Broodthaers kommt der Krieg ins Heim – in Form einer Tapete, die grausige Details zeigt ( Green) oder in Form von MGs, die als eine Art Salonschmuck dienen (Broodthaers).

Künstler als Sammler

Im Rupertinum treten Künstler weniger als Bildermacher denn als Bildersammler auf: Porträts aus dem Archiv eines arabischen Fotostudios, das der Künstler Akram Zaatari bewahrt, sind hier zu sehen, Bilder des Kriegs im Libanon (Walid Raad), ethnologische Artefakte, um deren Erkundung sich der Künstler Kader Attia bemüht. Kunst als Auffangbecken für unerzählte Geschichten, Künstler als Archivare dessen, was in der Logik des gerade herrschenden Systems untergeht: Dieses Verständnis ist nicht zuletzt durch Kunst-Events wie die Kasseler „Documenta“ heute gut einzementiert.

Die Schau „Kunst/Geschichten“ führt die gesellschaftliche Notwendigkeit dieser Parallelwelt, in der alles anders gedacht werden darf, in engagierter Weise vor – sie weckt dabei aber auch Zweifel, ob die Kunst leisten kann, was sie sich hier vornimmt. Denn viele Werke scheinen in ihrer Zeit gefangen, wirken „retro“ oder in ihrer Wirkmächtigkeit begrenzt: Wird hier vielleicht die Ungerechtigkeit der Welt nicht doch nur in ein System der Selbstgerechtigkeit überführt? Das Ziel, derlei Fragen aufzuwerfen, hat die Schau jedenfalls erfüllt.

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