Die Kunst des Stehlens

Kunsthistorisches Museum, Sicherheitsvorkehrungen, Security, Saliera
2000 Bilder, Statuen oder Instrumente verschwinden jährlich in Österreich.

Wenn Anita Gach Werke bekannter Künstler auf dem Flohmarkt findet, wird sie misstrauisch. Das ist ihr Job. Gach ist Kunsthistorikerin im Bundeskriminalamt. Die gestohlene Millionen-Geige von Guarneri, das Arnulf-Rainer-Bild, das durch einen Neffentrick in Wien ergaunert wurde oder der Schmuck aus dem geknackten Tresor von Hermann Nitsch – all diese Fälle landen auf den Schreibtischen der Abteilung Kulturgutfahndung. 2000 Gegenstände aus 163 Diebstählen kamen im Vorjahr dazu. Die Aufklärungsquote ist international gesehen top: Im Vorjahr wurden 16 Prozent der Fälle geklärt.

Kampf gegen die Zeit

Die Kunst des Stehlens
Bild von Arnulf Rainer gestohlen
„Das Problem ist: Tauchen die Gegenstände nicht gleich wieder auf, sind sie meist für Jahrzehnte verschwunden“, erzählt die Kunsthistorikerin. Denn dann landen sie oft bei privaten Sammlern, nicht selten im Ausland.

Es sind vor allem Gemälde und Statuen, die begehrte Beute sind. „Die lassen sich am besten verkaufen und sind gut transportierbar.“ Spektakuläre Kunstdiebstähle aus Museen (wie die Saliera, die im Mai 2003 aus dem Kunsthistorischen Museum Wien gestohlen wurde) sind eine Seltenheit. Meist stammt die Beute aus Wohnhaus-Einbrüchen oder Kirchen. „Die sind selten gesichert. Speziell in Kirchen spazieren die Diebe einfach hinein und montieren dann die Barockengerln ab.“

Auftragsdiebstähle sind die Ausnahme. Und was die Täter erbeutet haben, wissen sie oft selbst nicht. „Dann werden teure Gemälde um ein paar Hundert Euro auf dem Flohmarkt verramscht.“ Auch jener Täter, der die Millionen Euro teure Guarneri-Geige in Wien erbeutete, hatte wenig Ahnung. Er verkaufte sie für einen Spottpreis an einen Händler.

Stand voller Diebesgut

Wo ein gestohlenes Stück zu finden ist, gibt es meist gleich mehrere. „Wir haben einmal ein gestohlenes Bild bei einer Online-Auktion gefunden. Es hat sich herausgestellt, dass der Verkäufer auf Flohmärkten in der Steiermark unterwegs war“, erinnert sich Gach. Bei der Kontrolle war der halbe Flohmarkt-Stand mit Diebsgut gefüllt. Ansichten aus der Wachau, Stillleben und Porträts, Statuen und Instrumente – die Gegenstände stammten aus mehreren Einbrüchen.

Auch in klassischen Auktionshäusern taucht – selten, aber doch – Diebsgut auf. „Jedes Exponat wird von uns geprüft. Wenn es im Katalog veröffentlicht wird, kontrolliert außerdem noch einmal das Art Loss Register“, erklärt Doris Krumpl vom Dorotheum. Hin und wieder ist ein Treffer dabei. „Wir haben einmal ein gestohlenes Objekt aus einem ausländischen Museum entdeckt“, erzählt sie. Das wurde sofort gesperrt und den Behörden übergeben.

Der Markt für solche Stücke ist begrenzt und international. Die Fäden laufen bei Interpol zusammen. Dort werden die Kunstdiebstähle aus aller Welt gemeldet. www.bmi.gv.at/praevention

50 Minuten. So lange sitzen die speziell geschulten Sicherheitskräfte des Kunsthistorischen Museums in Wien vor den Monitoren und beobachten die Besucher. Hunderte Kameras sind im Museum angebracht – nicht alle davon sichtbar. Nach 50 Minuten werden die Augen müde, die Konzentration lässt nach. Dann kommen neue Kollegen, die in der Video-Zentrale Dutzende Kamerabilder gleichzeitig verfolgen.

Aber das ist nur eine Maßnahme, durch die das Museum seine Kunstschätze schützt.

Die Kunst des Stehlens
Kunsthistorisches Museum, Sicherheitsvorkehrungen, Security, Saliera
Eine andere ist Gerhard N. Der Security und seine Kollegen wissen, worauf es ankommt. Körpersprache zu deuten, ist Teil seiner Aufgabe. Gerhard N. kann sogar voraussagen, wer in Kürze so stark gestikulieren wird, dass der Alarm bei einem Kunstwerk losgeht. „Solche Leute halten oft eine Hand ans Kinn, bevor sie mit den Armen ausholen“, sagt er.

Mehrmals täglich rücken die Sicherheitsmitarbeiter zu Fehlalarmen aus. Also etwa dann, wenn jemand beim Gestikulieren zu nah an ein Kunstwerk gekommen ist. Dann schlägt der Lasermelder an. „75 davon haben wir allein in der Gemäldegalerie verbaut“, erklärt Sicherheitschefin Felia Brugger. „Und die reagieren auch bei Sprühnebel. Also bei Vandalismus-Attacken.“

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Kunsthistorisches Museum, Sicherheitsvorkehrungen, Security, Saliera
Etliche Gemälde sind verglast, viele Objekte durch Sicherheitsglas geschützt. Darunter auch die Saliera, die 2003 gestohlen wurde. „Seither sind Millionen in die Sicherheit investiert worden“, versichert Brugger.

1500 Besucher kommen täglich in die Kunstkammer. Die erste Sicherheitshürde erleben sie schon am Eingang: Große Taschen sind tabu. Und es ist nur eine gewisse Besucher-Anzahl zugelassen.

Wenn sich die Türen des Museums schließen, treten weitere Sicherheitsvorkehrungen in Kraft. Darunter Bewegungsmelder. „Aber unsere Sicherheitseinrichtungen sind flexibel. Schließlich haben wir laufend Sonderausstellungen“, erklärt Brugger.

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