Kultur im Wandel (1): Running Gags im WWW

Kultur im Wandel (1): Running Gags im WWW
Das Internet bietet alles: Pop, Film, Kunst. Aber auch eine ganz eigene Online-Kultur. Und die lebt vom Witz.

Ob niedliche Kätzchen mit vermeintlichem Sprachfehler, Hitler-Parodien oder YouTube-Fallen, die zu Rick Astleys "Never Gonna Give You Up" locken: Die neuesten Trends der Online-Kultur entstehen scheinbar aus dem Nichts, verbreiten sich wie ein Lauffeuer und enden im wahrsten Sinne als Massenbelustigung. Denn die erfolgreichsten dieser sogenannten "Internet-Memes" haben ein größeres Publikum als Museen, Oper oder Fernsehen. Und sie funktionieren weltweit - die Online-Spaßkultur kennt keine Grenzen.

Schnelllebig

So ist eine bunte Sammlung an Running Gags entstanden, die durchs Web geistern. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein neuer Witz, ein neues Video oder Foto die Runde macht. Viele Memes verschwinden so schnell, wie sie aufgekommen sind, oder werden durch neue Modeerscheinungen abgelöst: Lag kürzlich noch ORF -Moderator Armin Wolf beim "Planking" im Studio flach, ist der neueste Trend das "Horsemaning": Fotos, auf denen Kopf und Körper scheinbar getrennt sind. Einzelne Gags überleben jedoch über Jahre und zählen zum fixen Bestandteil der Onlinekultur. Ähnlich wie bei vielen Werken der zeitgenössischen Bildenden Kunst, die sich dem Betrachter nicht gleich erschließen, lohnt es sich, dieses Phänomen genauer zu betrachten. Und ernster zu nehmen, als es die oft mit Absicht eher schlechten Witze selbst tun.

Denn was beim oberflächlichen Blick auf "Lolcatz", "Sad Keanu" oder auch das "Star Wars Kid" (siehe Bericht rechts unten) leicht übersehen wird: Hinter der scheinbar seichten, nur auf den schnellen Lacher abzielenden Online-Kultur steckt enorm viel Kreativität und Insider-Wissen, das vorausgesetzt wird. Was anfänglich eher eingeschworenen
Gruppen, die mit den Codes und Spielregeln im Netz vertraut sind, vorbehalten war, entwickelt sich immer stärker zur Unterhaltung für die breite Masse, sagt Medienwissenschafterin Jana Herwig im KURIER-Interview. Denn "was auf YouTube passiert, kann heute wohl schon zum Mainstream gezählt werden".

Nachmachen

Ästhetisch funktioniert diese Form der Online-Subkultur immer ähnlich: Ein Motiv oder eine Idee wird mit einer Pointe versehen und diese wird danach immer wieder verfremdet. In dieser Wiederholung entsteht, wie etwa bei Andy Warhols Pop-Art-Bildern oder bei serieller Musik, ein ganz eigenes künstlerisches Leben. "Imitation und Variation sind universale Prozesse ästhetischer Ausdrucksformen", erläutert Herwig.
Die große Neuerung bei der Onlinekultur ist, dass jeder sich in den Prozess einklinken kann: Es ist kinderleicht, selber seine Variation des jeweiligen Running Gags beizusteuern. Und wie sich diese Bilder und Videos verbreiten, erforscht längst die Wissenschaft. Die Bezeichnung "Internet Meme" ist vom Biologen Richard Dawkins entlehnt: Er meinte, Ideen verbreiten sich wie Gene - die stärksten setzen sich weltweit durch.

Ursprung

"Ein allererstes sogenanntes Internet-Mem lässt sich eigentlich nicht identifizieren", sagt Herwig. Aber es gibt viele bekannte Beispiele: Lustige Fotos mit Katzen etwa, denen in gebrochenem Englisch Sätze in dem Mund gelegt werden - die "Lolcatz". Auch "Rickrolling" hat sich einen Platz im digitalen Alltagsleben gesichert: Hier wird möglichst kunstvoll dazu verleitet, auf einen Link zu klicken. Und dahinter verbirgt sich immer das Video von Rick Astleys Song "Never Gonna Give You Up". Zuletzt machte sogar US-Präsident Obama davon Gebrauch. Schier unüberschaubar ist mittlerweile das Angebot an Memes geworden. Eigene Websites erklären deren Ursprung und Bedeutung (etwa www.knowyourmeme.com) . Und wer beim Durchklicken Pech hat, landet - mal wieder - bei Rick Astley.

Lesen Sie am Dienstag Teil 2 der Serie: Theater und Revolution im Internet

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