Kritik: Kehlmanns "Geister in Princeton"

Kritik: Kehlmanns "Geister in Princeton"
Das erste Theaterstück von Daniel Kehlmann, "Geister in Princeton", geriet am Schauspielhaus Graz zum vollen Erfolg.

Zeit? Ein Irrglaube. Wie Bahnstationen seien alle Ereignisse, sagte der österreichische Logiker Kurt Gödel (1906-1978). Auch wenn man selbst schon daran vorbeigefahren ist, existieren sie weiter. Und wenn man tot ist, dann fährt die Eisenbahn des Lebens trotzdem noch munter im Kreis.

Chefschaffner Daniel Kehlmann folgt bei seinem ersten Theaterstück einem dementsprechend eigenwilligen Fahrplan: Gödels Lebensstationen werden im Laufe des Abends mehrfach angefahren, in unmöglichen Kombinationen zusammengeführt. Raum und Zeit sind dabei freundlich ignorierte Zaungäste. Schließlich geht es um Grenzbereiche der Wissenschaft, in denen Zeitreisen nicht mehr unmöglich erscheinen. Und um einen Ausnahmelogiker, der an Geister glaubte und zuletzt aus Angst verhungerte.

Klar

Und trotzdem wird es nicht kompliziert. Regisseurin Anna Badora setzte bei der Uraufführung bedingungslos auf Klarheit, ordnet, erklärt, entschlüsselt. Damit ja niemand zwischen den freihändigen Zeitsprüngen und den ortlosen Schauplätzen den Überblick verliert. Denn Gödel im weißen Anzug gibt es mehrfach auf der farblosen, neutralen Bühne. Und da spielt dann der bereits tote Gödel (überzeugend: Johannes Silberschneider) auch einmal mit sich selbst als Kind (ein Riesentalent: David Rauchenberger) im Volksgarten Ball.
Oder Adele Gödel (Steffi Krautz) durchlebt, am Sarg Gödels sitzend, noch einmal den Moment des Kennenlernes. Während dieselbe Szene im Hintergrund erneut stattfindet. Oft laufen mehrere Momente in Gödels (dargestellt weiters von Rudi Widerhofer und Claudius Körber) Leben zugleich ab, getrennt durch eine Glaswand, eine ebenso simple wie überaus intelligente Idee (Bühne: Raimund Orfeo Voigt): Auf Knopfdruck wird das Glas undurchsichtig und zieht so Grenzen zwischen Realem und Irrealem, zwischen hier
und anderswo.

Obwohl das ja keinen Unterschied macht. Denn Geister gibt es allüberall. Kehlmann erzählt (wie schon in seinem Bestseller "Die Vermessung der Welt") von großen Geistern wie Gödel und Einstein. Von - nun ja - toten Geistern, die Gödel im Wahnsinn mit letztlich ganz gutem Rat zur Seite stehen. Und vom geisterhaften Hereinbrechen der Nazi-Katastrophe.

Leise

Doch die Schwermut muss hier keine großen Worte schwingen. Die Schauspieler dürfen moderne Menschen zeigen, mit leisen Konflikten und großen Ängsten, mit Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden, mit Frust und Hoffnung und Krautfleisch (gegen das Spaghetti-Essen auf der Bühne hat Kehlmann ja in Salzburg gewettert). Ein erhellender Abend, der aber zum Glück nicht mit seiner Intelligenz hausieren geht. Viel Applaus.

Fazit: Nicht nur für Fortgeschrittene

Stück "Geister in Princeton" war ein Auftragswerk der Salzburger Festspiele. Die Uraufführung ging sich aber nicht aus, es wurde dort nur gelesen.

Regie Intendantin Anna Badora gab sich bemüht um Klarheit und blieb überaus nah am Text. Mit Sound- und Lichteffekten schön designte, schmucklose Bühne.

Darsteller Durchwegs gut, zurückgenommen im Spiel.

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