"Kottan"-Regisseur Peter Patzak wird 70

Regisseur, Autor, Schauspieler, Maler: Peter Patzak
Der Filmemacher schrieb mit der kultigen Krimiserie Fernsehgeschichte. Sein Film "Kassbach" kommt wieder ins Kino.

Eine große Werkschau wie zum 65er gibt es diesmal nicht. Aber eine gemütliche Feier im runderneuerten Metro Kinokulturhaus des Filmarchivs war zum 70er allemal drin. Dass der Geburtstag, den der Regisseur und Maler Peter Patzak am 2. Jänner feiert, dort bereits Mitte Dezember begangen wurde, machte ihm dabei nicht viel aus: "In Wirklichkeit hat man eh jeden Tag Geburtstag."

Tatsächlich geboren wurde Peter Patzak am 2. Jänner 1945 in Wien, als echtes Nachkriegskind im Arbeiterbezirk Brigittenau. Nach der Schule studierte er Psychologie, Kunstgeschichte und Malerei und hatte seine erste Ausstellung unter Albert Paris Gütersloh, dem geistigen Vater der Wiener Schule des Phantastischen Realismus. Mitte der 60er-Jahre wurde Patzak zu der "Films of Art"-Show nach New York eingeladen, von 1968 bis 1970 entstanden dort einige Kurzfilme.

Peter Patzak und seine Filme

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Peter Patzak mit "Kottan"-Darsteller Lukas Resetarits, und Autor Helmut Zenker

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"Kottan"-Dreharbeiten mit Sandler Erwin (Carlo Böhm)

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"Kottan"-Folge "Die Enten des Präsidenten" mit Leon Askin

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"Kottan"-Dreharbeiten mit Sandler Erwin (Carlo Böhm)

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Polizeipräsident Pilch war eine der prägendsten Figuren im "Kottan"-Universum. Hier in der Folge "Smokey und Baby Bär"

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"Parapsycho – Spektrum der Angst" (1974) beschäftigte sich in drei Episoden mit übersinnlichen Phänomenen in der Psychologie

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"Der Köder - Zerschossene Träume" (A/F/BRD 1976)

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Zu den bedeutendsten Kinoarbeiten Patzaks gehört etwa das Neonazi-Porträt "Kassbach" (1979)

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Szene aus "Kassbach"

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"Match" (A/BRD 1980)

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Filmbesessener: Peter Patzak

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"Strawanzer" (1983), prominent besetzt mit Elliott Gould, Heinz Moog (beide im Bild) und Andrea Jonasson

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Deutscher Krimi "Der Joker" aus dem Jahr 1987 mit Peter Maffay in der Hauptrolle

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"Killing Blue" 1988 auf Englisch gedrehter, deutscher Actionfilm mit Armin Mueller-Stahl, Morgan Fairchild (beide im Bild) und Michael York 

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Doderer-Verfilmung "Die Wasserfälle von Slunj" mit Edgar Selge und Karl Markovics (2001)

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2010 drehte Patzak einen "Kottan"-Kinofilm: "Rien Ne Va Plus"

"Kottan"-Regisseur Peter Patzak wird 70

Patzak mit den prominenten Schauspielern aus ""Kottan ermittelt - Rien Ne Va Plus"

Wer heute an Patzak denkt, assoziiert ihn sofort mit der Kult-Krimiserie " Kottan ermittelt". Dabei umfasst sein Schaffen eine viel größere Bandbreite: Literaturverfilmungen, Alltagsdramen, Dokumentarfilme und internationale Produktionen mit großem Starensemble. Schon früh arbeitete er mit prominenten Darstellerinnen, etwa Rita Tushingham im Thriller "Situation" (1972) oder Paula Wessely, die in "Glückssache" (1977) eine Supermarktkassiererin spielte.

Große Namen

"Kottan"-Regisseur Peter Patzak wird 70
APA7000344-2 - 27022012 - KLOSTERNEUBURG - ÖSTERREICH: ZU APA 341 KI - Der Maler und Regisseur Peter Patzak am Donnerstag, 23. Februar 2012, während eines Interviews mit der Austria Presse Agentur (APA) in Klosterneuburg. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
"Paula Wessely war damals eine ganz neue Erfahrung", erzählte Patzak kürzlich in einemInterview mit der KURIER freizeit(siehe unten), denn bei ihr sei viel über die Sprache gelaufen. "Ich habe Ausschnitte am Schneidetisch gesammelt und immer wieder angehört. Was der Strich von Kokoschka ist, ist bei ihr die Melodie der Sprache." Er habe ja das Glück gehabt, mit vielen Namen der Filmgeschichte zu drehen, die ohne Allüren agierten.

Eine der bedeutendsten Kinoarbeiten Patzaks jener Zeit war das Neonazi-Porträt "Kassbach" (1979), für das er international aufgrund der klar geführten Auseinandersetzung mit kleinbürgerlichen Formen des Rassismus, Faschismus und der Gewalt Anerkennung fand. "Kassbach" - einer der Lieblingsfilme von US-Regisseur Martin Scorsese, wie es heißt - wird im neuen Jahr von 9. bis 18. Jänner im Metro Kinokulturhaus in einer frischen Kopie gezeigt.

Dass er parallel mit dem Major Kottan, an dem er mit Autor Helmut Zenker arbeitete, eine legendäre Figur und ein Stück österreichischer Fernsehgeschichte schreiben würde, war ihm damals noch nicht bewusst. Bis 1983 entstanden 19 Folgen der ungewöhnlichen Kriminalserie sowie der Kinofilm "Den Tüchtigen gehört die Welt" (1981). Es folgten der Kinofilm "Die letzte Runde (Strawanzer)" (1983) mit Elliott Gould und der Krimi "Joker" mit Peter Maffay.

Mit "Killing Blue" (1988), "Gavre Princip - Himmel unter Steinen" (1990) oder "Brennendes Herz" (1995) erregte er international Aufsehen, für "Shanghai 1937" (1996) erhielt er in Moskau den "Preis der russischen Filmschaffenden". Im gleichen Jahr hatte Patzak bereits den Max-Ophüls-Preis und vier Jahre zuvor den Fernsehpreis "Romy" ergattert. Für die Doderer-Verfilmung "Die Wasserfälle von Slunj" gab es dann einen Preis in Venedig und den Volksbildungspreis.

Es wurde ruhiger um Patzak

"Damals habe ich mir gedacht, jetzt werde ich mir ein paar Perlen aussuchen können", erzählte Patzak vor einigen Jahren im Gespräch mit der APA. Doch stattdessen blieben die Aufträge des ORF auf einmal aus, es kam zum Knacks. "Die haben ganz einfach auf mich vergessen." Stattdessen widmete sich Patzak wieder vermehrt der Malerei, und 2007 inszenierte er mit Theo van Goghs "Interview" im Stadttheater Walfischgasse erstmals für die Bühne.

Die Malerei hat Patzak seit 1961 stets parallel betrieben, regelmäßige Ausstellungen führten ihn u.a. in die Schweiz und nach New York. Erst jüngst, im September und Oktober, wurde im Künstlerhaus Klagenfurt die Schau "The Gate to the Garden" gezeigt. Seit 1993 unterrichtete er zudem als ordentlicher Professor Regie an der Wiener Filmakademie, zuletzt auch als Institutsvorstand, bevor er mit 1. Oktober 2013 emeritierte.

Zum 65. Geburtstag erhielt der Tausendsassa, der auch Kurzgeschichten verfasste und Drehbücher schrieb, das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen. Die Liebe zur Kunst hat der leidenschaftliche Gärtner gemeinsam mit seiner Frau Eve den Söhnen weitergegeben: Serge ist Filmemacher in New York, Fabian malt - und stellte angeblich auch einmal lapidar fest: "Wie kann man nicht Künstler werden, wenn man so aufwächst?"

freizeit: Sie feiern demnächst Ihren 70. Geburtstag, in die österreichische Fernseh- und Kulturgeschichte sind Sie aber schon längst eingegangen – nicht nur mit Ihren „Kottan“-Filmen. Wollten Sie schon als Kind Filmregisseur werden?

Peter Patzak: Ich denke, ich wollte einfach selbst etwas herstellen. Am liebsten mit Bleistift und Papier, später mit Ölfarben und dann mit einer Kamera. Um mir die Materialien zu leisten, habe ich am Nussberg Weinwurzeln gesammelt. Aus denen gestaltete ich wundersame Lampenfüße, verkabelt, mit Lampen versehen und beschirmt. Das mache ich heute noch gerne aus „Findlingen“.

Wann hatten Sie dann Ihre erste Filmkamera in der Hand?

Mit dreizehn, vierzehn Jahren. Ich habe sie in der Truhe meines Vaters gefunden. Es war eine Pathé-Baby für 9,5-mm-Filme, mit der Perforation auf der Filmmitte. Nur gab es dazu keine Filme mehr. Ich wählte den Kamerastandort, stellte die Belichtung ein, legte den Ausschnitt fest, vollzog die Kamerabewegung und legte auch den Schnitt in der Kamera fest. Ich drehte Filme im Kopf, Abenteuerfilme mit den Hauptdarstellern Licht und Schatten. Es waren die schönsten Momente meiner Kindheit.

Ihr Vater war selbst Polizist. Hat er eigentlich geahnt, was da in Ihnen schlummert?

Mein Vater hat das ganze 20. Jahrhundert durchlebt. Er wurde 99,9 Jahre alt. Kein Historiker konnte so plastisch über die erste Hälfte dieses Jahrhunderts erzählen. Er war Maschinenkonstrukteur, Mathematiker, Zeichner und Verfasser von Stimmungsgedichten. Nach zwei Wirtschaftskrisen und zwei Weltkriegen landete er in der russisch besetzten Brigittenau bei der Kripo. Er war eher Sozialhelfer als Polizist. Ein großer Mediator. Er ist zu Straftätern gegangen, nachdem er sie ausgeforscht hatte, nicht um sie zu verhaften, sondern um mit ihnen und ihren Familien zu reden. Am nächsten Tag haben die sich freiwillig gestellt. Mein Vater hat eine Reduzierung der Strafe beantragt. Er war stolz, dass keiner von diesen Tätern rückfällig geworden ist.

... und „Kottan“, wie fand er ihn?

Den „Kottan“ hat er sich mit einem feinen Lächeln angesehen. Irgendwann fragte er: „Habe ich euch das alles erzählt?“ : Von „Kottan“ drehten Sie bis Anfang der 1980er-Jahre neunzehn TV-Filme und vor vier Jahren auch einen Kinofilm. Insgesamt spielten drei Schauspieler diese Rolle.

Wer war für Sie der beste?

Sagen wir so: Peter Vogel war ein genialer Schauspieler, ein getriebener, er hat sich in der Arbeit verbrannt. Franz Buchrieser war entspannt. Er hat eine unangepasste, lässige Figur eingebracht. Unsere Zusammenarbeit mit Franz war für viele im Team ganz einfach erotisch. Lukas Resetarits stand unter Strom. Und er konnte in seiner Zu- und Abneigung diesen Strom spürbar machen.

Sie haben schon als junger Regisseur mit großen Stars gedreht, mit Rita Tushingham etwa in dem Thriller „Situation“ (1972), Paula Wessely spielte eine Supermarktkassiererin in „Glückssache“ (1977), ein paar Jahre später arbeiteten Sie mit Elliott Gould. Welche Stars beeindruckten Sie besonders?

Genau diese. Das sind Namen der Filmgeschichte, die ohne Allüren dastehen. Langweilig und mühsam sind die, die Ihr Ego wie eine Hasenpfote in der Hose vor sich hertragen und eh’ nicht wissen, in welchem Film sie gerade sind. Paula Wessely war eine ganz neue Erfahrung. Es lief viel über die Sprache. Ich habe Ausschnitte am Schneidetisch gesammelt. Immer wieder angehört. Was der Strich von Kokoschka ist, ist bei ihr die Melodie der Sprache.

Mit wem hätten Sie gerne einmal zusammengearbeitet?

Als Assistent von Don Siegel bei dem Thriller „Der große Coup“ mit Walter Matthau. Das hätte sogar funktionieren können. Oder im Schneideraum von Hal Ashby bei „Das letzte Kommando“ mit Jack Nicholson, hätte auch stattfinden können. Als Coffee Boy bei Jean Pierre Melville, da bestand keine Aussicht. Als Bleistiftspitzer bei dem Schriftsteller Hunter S. Thompson. Keine Chance.

Sie waren schon Ende der 1960er-Jahre in New York und haben dort auch Jimi Hendrix gesehen...

... mit Janis Joplin als Vorgruppe. Das war in einem kleinen, verrauchten Kellerlokal im Village. Es war laut, es war wild, es war gesteckt voll und es war völlig anders als alles, was ich bis zu diesem Zeitpunkt gehört und gesehen habe.

Wow! Einmal erwähnten Sie, dass Axl Rose, der Sänger der Rockband Guns ’n’ Roses, neben Ihnen am Pissoir gestanden sei. Wären Sie gerne Rockstar statt Filmemacher geworden?

Ich bin erstaunt, was aus einer engen Kammer am Friedrich-Engels-Platz erarbeitet und erobert wurde. Erst das Marchfeldkino, dann das Atelier von Rudolf Hausner, erste Ausstellungen in der Schweiz, New York, Film und Malerei. Ich wäre für einen Rockstar ungeeignet. Schon in der Einsamkeit des Ateliers bin ich angespannt und aufgewühlt. Da ist aber niemand. Danke, dass es so ist.

Ihr Sohn Fabian malt, der Ältere, Serge, ist Filmemacher in New York. Und jetzt hat auch Ihre Frau Eve zu zeichnen begonnen ...

Die Armen haben alle keine Chance gehabt, was Richtiges zu machen. Als wir uns einmal alte Fotos aus dem Atelier angeschaut haben, meinte Fabian: „Wie kann man nicht Künstler werden, wenn man so aufwächst ...“

Das Österreichische Filmmuseum zeigt derzeit ein Tribute für Martin Scorsese. In seinem Film „Die Zeit nach Mitternacht“ gibt es eine Szene, in der Sie am Telefon verlangt werden. Wie kam es dazu?

Wir waren 1980 als Filmdozenten in Beijing und Schanghai eingeladen. Scorsese mochte „Kassbach“ und „Die letzte Runde“ sehr. Er war in einer Krise und wollte mit „After Hours“ wieder kleiner und freier anfangen. Ich sollte einen zwielichtigen Barkeeper spielen. Freude. Dann kam eine Verpflichtung dazwischen. Zumindest hat er nach mir gerufen. Für ein Projekt von mir hat er sich als künstlerischer Partner definiert. Wir haben nahezu ein Jahr daran gearbeitet. Es wurde zwei Mal vom Österreichischen Filminstitut abgelehnt. Für die geklonte Version aus einer anderen Werkstatt gab es dann Mittel.

Sie malen, schreiben, führen Regie im Film und auch am Theater. Gibt es ein Talent, von dem niemand weiß?

Ich kann Lorbeer, Rosen, Glyzinien, Rosmarin und Weinreben schneiden. Ich kann dabei laut denken und gehe Niemandem auf die Nerven.

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