Kostümschinken für den Kunstsalon

Lawrence Alma-Tadema, The Finding of Moses, 1904 Privatsammlung, Courtesy Christie’'s Opus CCCLXXVII Öl auf Leinwand 137.7 × 213.4 cm
Eine Ausstellung im Belvedere zeigt, wie der Maler Lawrence Alma-Tadema das Bild der Antike prägte

Er war ein Superstar, er war populär, und junge Römer mochte er auch: Hätte Falco den Maler Lawrence Alma-Tadema gekannt, hätte er ihm vielleicht ein musikalisches Denkmal gesetzt.

Der Künstler, dessen Werk nun im Unteren Belvedere in Österreich erstmals umfassend ausgebreitet wird, hat unzweifelhaft Pop-Appeal, selbst wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint: Der gebürtige Niederländer, der bis in die 1970er als Kitschmaler verschrien und am Markt praktisch wertlos war, verstand es zu Lebzeiten nämlich vortrefflich, sein Werk mit innovativen Methoden zu vermarkten und einen Kult um seine Person aufzubauen.

Marketing-Genie

Kostümschinken für den Kunstsalon
Lawrence Alma-Tadema, The Roses of Heliogabalus, 1888 Colección Pérez Simón, Mexiko, Foto: © Piera, Arturo Öl auf Leinwand, 132,7 x 214,4 cm
Dass der 1836 in Friesland geborene Künstler seinen Doppelnamen bewusst wählte, um in alphabetisch sortierten Ausstellungskatalogen weiter vorne zu stehen, war nur ein Schachzug. Gleich zu Beginn der Belvedere-Schau sieht man auch das Porträt eines Kupferstechers bei der Arbeit: Reproduktionen trugen maßgeblich zum Ruhm von Alma-Tademas Bildern bei.

Alma-Tadema war der Kunstliebling des viktorianischen England, ein Jeff Koons des 19. Jahrhunderts. Die reichen Eliten jener Zeit liebten die Bildwelten, in die der 1870 vom Festland nach London übersiedelte Künstler entführte: Präziser als alle anderen verarbeitete er antike Vorbilder, die zu jener Zeit durch Ausgrabungen und die Erforschung Pompejis bekannt wurden, und ließ sie „echt“ und lebendig wirken.

Zugleich stilisierte Alma-Tadema seine mit 66 Zimmern ausgestattete Künstlervilla samt großem Garten zu einer pseudo-antiken Parallelwelt: Viele der Bilder, auf denen sich schöne Menschen auf Marmorbänken und Tigerfellen räkeln, sind quasi gemalte „Homestories“: Einer Hochglanzillustrierten-Fotostrecke nicht unähnlich, hielten sie den Glamourfaktor Tademas hoch.

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Lawrence Alma-Tadema, Unconscious Rivals, 1893 Bristol Museums & Art Gallery, Foto: © Bristol Culture, Bristol Museum and Art Gallery Öl auf Holz, 45,1 x 62,9 cm
Die Schau im Belvedere vermittelt diese Welt hervorragend – auch durch Exponate wie original erhaltene Möbel aus Tademas Besitz, die sich eins zu eins in Gemälden wieder finden. In einem Saal dürfen Besucherinnen und Besucher selbst auf einem Podest herumfläzen wie einst Kaiser Augustus. Zudem zeigt eine Filmprojektion, dass Regisseure wie Ridley Scott („Gladiator“) manche Szenen und Inszenierungen direkt aus Tademas Gemälden übernahmen.

Malerei für Hollywood

Der Showbusiness-Appeal – Regisseur George Lucas, Musical-Guru Andrew Lloyd Webber und Schauspieler Jack Nicholson sind erklärte Tadema-Fans – liegt auch darin, dass der Künstler ganz genau wusste, wie man in einem Bild Geschichten erzählt.

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Lawrence Alma-Tadema
Alma-Tadema ordnete Menschen zu prozessionsartigen Gruppen und gliederte seine Bilder durch Säulen, Vorhänge oder Torbögen fast wie einen Comic-Strip. „Bilder im Bild“ schichten oft Zeit- und Realitätsebenen aufeinander – etwa im Werk „The Dinner“ (1873), in dem „griechisch“ gekleidete Menschen vor einem „antiken“ Wandbild Wein schlürfen: Selbst wenn der Stil gewöhnungsbedürftig ist, so ist es doch raffinierte Malerei.

Alma-Tademas Kundschaft gefiel sich in den Bildern jedenfalls – auch im mittelalterlichen oder alt-ägyptischen Kostüm. Das Bild „Auffindung des Moses“ (1904) wurde für den Erbauer des Assuan-Staudamms gemalt, dessen eigene Tochter saß für die Tochter des Pharaos im Bild Modell.

Als Alma-Tademas Ruhm verblasste, wollten Museen das Werk nicht einmal geschenkt, erzählt Kris Callens, Direktor des Fries-Museums. 2010 erzielte es bei Sotheby’s 35,9 Millionen US-Dollar – das Zehnfache des Schätzwerts und der höchste Preis für ein Bild jener Epoche. In diesem Sinn ist die Belvedere-Schau auch ein Lehrstück über die Konjunkturwellen des Kunstgeschmacks.

INFO

Die Ausstellung„Lawrence Alma-Tadema: Dekadenz & Antike“ wurde vom Fries Museum in Leeuwarden/NL gestaltet und ist bis 18. Juni im Unteren Belvedere zu sehen.
Die umfangreiche PublikationLawrence Alma Tadema – Klassische Verführung“ (Prestel Verlag), kostet in einer Paperback-Ausgabe 29,95 €, in der Hardcover-Version 51,40 €.

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