Komponistenlegende Philip Glass: "Eine gute Zeit, hier zu sein"

Philip Glass bei den Proben im Linzer Musiktheater
Philip Glass, prägender US-Komponist, über Ruhm, Trump und Möbelpacken.

Philip Glass hat, zum Glück, die Musik daran gehindert, davonzulaufen.

Bei den Werken des amerikanischen Komponisten steht die Musik nämlich still, obwohl sie sich rasant bewegt: Sie dreht sich um sich selbst, wiederholt ein in sich selbst geflochtenes Muster immer wieder, immer wieder – und beginnt dann dadurch zu wirken, dass dieses Muster um nur wenige Haarbreit verändert wird. Und dadurch gewinnt ein einziger neuer Ton innerhalb einer Melodie bei Glass so viel Bedeutung wie in keiner anderen Musikform: Aus endloser Wiederholung wird ein meditativer Sog, aus jedem neuen Ton dann neue Erkenntnis.

Mit Werken wie "Koyaanisqatsi", "Einstein on the Beach" oder "Satyagraha" hat Glass der Orchestermusik des späten 20. Jahrhunderts Wichtiges mitgegeben: Er verband Intellektualität und künstlerische Eigenständigkeit mit hypnotischer Sogwirkung am Rande der Tanzbarkeit und prägte so einen neuen Klang.

Die variierte Wiederholung nahm vieles vorweg, das die elektronische Tanzmusik von Techno bis Drum and Bass auszeichnete.

Kein Interesse

Und er scheut sich nicht vor Publikumswirksamkeit, obwohl Glass anfangs auch seine gebührende Dosis an geworfenen Eiern abbekam. Auch "Orchester können sehr unfreundlich sein", sagt Glass über jene Jahre, als die großen Klangkörper seine Werke noch ablehnten.

Seitdem aber, so bestätigt Glass mit lautem Lachen, wurde er überaus populär. "Ja! Und ich war darüber total überrascht. Ich habe neben der Musik gearbeitet, bis ich über 40 Jahre alt war. Möbelpacken, solche Arbeiten, bei denen es egal war, ob man auftauchte oder nicht. ,Satyagraha’ hat mir 1979 ermöglicht, diese Jobs aufzugeben. Zuvor hatte ich immer den Führerschein erneuert, um Fahrtenjobs zu bekommen. 1979 habe ich ihn nicht verlängert – und musste das nie wieder tun."

Glass saß beim Gespräch in Linz; am dortigen Musiktheater probte er mit dem Bruckner Orchester und Dirigent Dennis Russell Davies für die Uraufführung seiner elften Symphonie. Die findet am 31. Jänner, Glass’ 80. Geburtstag, in der New Yorker Carnegie Hall statt. "Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, eine Symphonie zu schreiben. Aber sie hatten schon den Abend in der Carnegie Hall gebucht! Ich sagte: Ich finde das nicht richtig! Muss ich an meinem Geburtstag arbeiten?", sagte Glass mit einem Lachen.

Hollywood

Gearbeitet hat Glass viel. Er hat u.a. die Musik zu rund 40 Filmen geschrieben. "Einige dieser Filme waren großartig. Hollywood ist voll talentierter Menschen. Und voll Menschen, die mit deren Filmen Geld machen wollen. Also müssen alle immer Kompromisse machen."

Seine Symphonien hingegen – die erste war inspiriert von einem David-Bowie-Werk – waren "nicht kommerziell. Obwohl auch der Klang der ,ernsthaften’ Musik viel publikumsfreundlicher geworden ist, als noch vor 40 Jahren. Damals war es schwierig, Menschen in diese Konzerte zu bringen. Ich liebe diese Musik, Stockhausen und Ligeti haben einige der schönsten Stücke geschrieben. Aber das Publikum war nicht interessiert. Man hat mir gesagt, dass das die Zukunft der Musik sein wird. Aber ich sagte: Nein, nicht für mich. Für mich ist das die Musik, die mein Großvater geschrieben hätte".

Plattenladen

Und Glass musste mit seiner Musik auch Geld verdienen. Seine Eltern – eine Lehrerin und ein Plattenverkäufer – "waren wundervoll, aber konnten mich nicht unterstützen. Was hätte ich tun sollen?" Schaffenskrisen kannte Glass, der später u.a. mit Bowie, Lou Reed oder auch Leonard Cohen zusammenarbeitete, nicht. "Das Schwierigste am Komponistendasein ist nicht das Komponieren. Es ist das Fliegen, das Leben im Hotelzimmer."

Zuletzt schrieb Glass u.a eine Oper über das US-Wahlrecht; demnächst kommt eine Arbeit mit Laurie Anderson mit dem Titel "Democracy comes to America".

Und Trump? "Es ist keine schlechte Zeit, um in Amerika zu sein", sinniert Glass. "Ein kanadischer Freund rief mich an und fragte, ob ich nicht nach Kanada übersiedeln wolle. Ich sagte: Nein, zum Teufel. Es ist eine gute Zeit, hier zu sein. Denn zum ersten Mal seit 20, 30 Jahren sind die Menschen besorgt über ihre Regierung. Und zornig. Ich bleibe da, wo die Action ist." Glass wollte an den Protestmärschen gegen Trump teilnehmen.

"Ich habe mit Kindern geredet, und ihnen gesagt: Ihr kennt nur Obama. Aber wir hatten schon wirklich schreckliche Menschen in der Regierung. Die kommen, verursachen einen gewissen Schaden. Und nach einer Weile sind sie wieder weg."

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