Klingendes Österreich

Alpenidylle und schmachtender Soul waren 2011 die Renner bei heimischen Musikkäufern. Die Branche kämpft mit schwindenden Umsätzen.

Der Song ist ein Hit: „Wir sind illegale radikale digitale Fans“ singen die Elektro-Hip-Hopper von Deichkind auf ihrem Album „Befehl von ganz unten“. Während sie mit dem Song auf Platz fünf der heimischen Hitparade vorstießen, sorgt das Phänomen seit Jahren für Sorgenfalten in der heimischen Musikindustrie.

Erst war es das Raubkopieren von CDs, dann das illegale Downloaden von Musik. Die heimische Musiklandschaft hat das kräftig verändert, erklärt Franz Medwenitsch, Geschäftsführer der Branchenorganisation IFPI Austria. „2001 betrug der Branchenumsatz 283 Millionen Euro, 2011 nur mehr 174 Millionen.“

Der Umsatzeinbruch ging an der Branche nicht spurlos vorüber: In Österreich verschwanden etwa die Vertriebe Ixthuluh und Soulseduction, international rettete sich die Traditionsmarke EMI in die Arme von Universal Music.

Doch während die etablierten Firmen gehen, kommen neue, wendige Musikfirmen – vor allem im digitalen Bereich: „Neu sind alle Arten von digitalen Musikangeboten, von iTunes über Amazon bis zu den Streaming-Diensten Spotify, Deezer, Simfy & Co.“ so Medwenitsch. Die sind meist aber Töchter internationaler Internet-Konzerne (siehe Hintergrund).

Vinyl im Trend

Einer, der von all dem recht unbeeindruckt ist, ist Konstantin Drobil: Er betreibt die Plattenfirma Trost und den Laden Substance Records in der Wiener Westbahnstraße. 2001 hat er seinen Plattenladen eröffnet, nachdem er zuvor bei öffentlichen Tagen in seiner Wohnung Musik verkaufte. „Wir haben die Veränderungen nicht so stark gemerkt“, meint er. Erst in den vergangenen beiden Jahren wären CD und DVD-Verkäufe kräftig rückläufig. „Aber wir haben zum Glück unseren Schwerpunkt schon immer auf Vinyl gehabt.“

Die schwarze Scheibe erlebt seit 2002 Jahren ein Revival: Während die einen ihre komplette Musiksammlung bloß auf der Festplatte haben, wollen die echten Fans zunehmend wieder schöne Produkte zum Anfassen. Alben von Johnny Cash oder Pink Floyd kommen als Nachpressungen auf den Markt, auch Drobil setzt auf Neu-Veröffentlichung von Klassikern wie der heimischen New-Wave-Gruppe Chuzpe auf Vinyl. Österreichweit stieg der Vinylumsatz zum neunten Mal in Folge. Umsatz 2011: Rund eine Million Euro.

Noch machen die silbernen CDs den Löwenanteil am Umsatz aus: 124 Millionen Euro erwirtschaftete die heimische Musikindustrie 2011 mit Tonträgern – 113 Millionen davon wurden mit CDs gemacht. Vor allem heimische Musik erwies sich 2011 als Verkaufsschlager (siehe Hintergrund).

Live boomt

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Doch die silbernen Scheiben sind ein Auslaufmodell in Zeiten von iPhone und Breitband-Datenverbindung: Lagen die globalen Umsätze mit Musik laut Branchenorganisation IFPI 2000 noch bei 36,9 Milliarden Dollar, waren es 2010 15,9 Milliarden. Die Künstler haben laut Medwenitsch schon umgedacht: „Künstler stehen öfter auf der Bühne und touren mehr.“ Davon profitieren etwa Konzertveranstalter wie Barracuda (siehe Seite 6) . Medwenitsch: „Das Live-Geschäft erlebt einen Boom.“

Die Plattenindustrie selbst hingegen setzt in der Hoffnung auf Erholung ausgerechnet auf den „Feind“ Internet: Die Bemühungen im Kampf gegen Piraterie würden nur zum Teil fruchten, so Medwenitsch. Die Musikwirtschaft alleine werde das aber nicht lösen können.

Fragt man den Branchenvertreter aber nach einem Ausblick, so meint er: „Wir erwarten eine Marktstabilisierung über digitale Verkäufe.“ Wann ist freilich noch offen, doch der Weg dorthin ist positiv: Setzten drei legale Online-Shops 2004 hierzulande 1,6 Mio. Euro um, gab es 2011 32 Anbieter. Ihr Umsatz: 24 Mio. Euro.

Digitale Hoffnung

Doch die Plattenfirmen haben zu kämpfen, denn die Online-Anbieter wollen einen nicht unwesentlichen Teil vom Kuchen. Auch Plattenladenbetreiber Drobil sieht den Trend hin zum digitalen Musikkauf mit gemischten Gefühlen: Vor allem der Online-Versandhändler Amazon setze den etablierten Plattenhändlern zu. Gleichzeitig meint Drobil aber: „Mittlerweile sind aber auch für uns Online-Verkäufe sehr wichtig geworden.“ Es ist eine Hassliebe: Das von der ganzen Branche einst gefürchtete Internet gilt nun als der Hoffnungsträger im Musikgeschäft.

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