Übers Helfen und Helfenwollen

Susanne Brandt, Michaela Bilgeri, Alexander Meile, Robert Finster (v.l.n.r.).
Das Aktionstheater Ensemble gastiert mit "Kein Stück über Syrien" im Werk X-Eldorado.

"Mir geht das Flüchtlingsthema auf die Nerven", fragt eines der neun im Foyer aufgehängten Plakate suggestiv die Besucher im Werk X-Eldorado am Petersplatz. "Ja" oder "Nein". Man darf ankreuzen, wenn man möchte. Am Programm steht "Kein Stück über Syrien" bei der sich das vierköpfige Ensemble zu Beginn Gedanken zum richtigen Flüchtlings-Outfit macht. Hartschalenkoffer oder Rucksack? Was würde man für die Flucht nehmen?

Robert (Robert Finster) trägt dabei Unterwäsche und tänzelt geschickt auf hohen Hacken über die Bühne, Alexander (Alexander Meile) übernimmt die Rolle der westlichen Honigbiene, die ja schließlich auch mal nach Europa eingewandert ist – irgendwann einmal. Und aus diesem Grunde habe sein Bienen-Kostüm auch eine Berechtigung. Susanne (Susanne Brandt), die Älteste in der Runde, gibt die Businessfrau: " Michaela, erzähl", fordert sie immer wieder. Denn Michaela (Michaela Bilgeri) hat Flüchtlingen geholfen und soll nun auch gefälligst drüber reden.

Michaela erzählt dann Geschichten aus jener Zeit, in der sie Flüchtlingen ihre Wohnung zur Verfügung stellte. Sie berichtet von Überschwemmungen in ihrem Klo, stinkenden Füßen von Menschen, die nach wochenlanger Flucht, ohne zu duschen, das erste Mal in einem kleinen Wohnzimmer ihre Schuhe ausziehen. "Mir wird schlecht", wirft Susanne ein. Helfen macht eben nicht nur glücklich.

"In welches Land würde ich am liebsten flüchten?"

Entstanden ist "Kein Stück über Syrien" nach dem sich bereits etablierten Schema des Aktionstheater Ensembles. Unter der Leitung von Regisseur Martin Gruber machten sich die Schauspieler im Vorfeld der Inszenierung Gedanken zum Thema Flüchtlinge, Helfen oder Nichthelfen. Gruber führte dann "gelenkte Interviews" mit seiner Crew, tippt die Antworten ab, verdichtet sie, fügt eigene Gedanken dazu und verwurstete das Ganze in einem Text. Das Resultat: Reale Erlebnisse einer Helferin, die sich Flüchtlingsfamilien vom Wiener Westbahnhof ins eigene Wohnzimmer holte und nun darüber berichtet – ungeschönt, ohne sozialromantische Verklärung und fernab der Political Correctness. Den Gegenpart zu Michaela, die ihre Geschichten mit viel Verve und vollem Körpereinsatz auf die Bühne bringt, bildet Susanne, die zwar gerne helfen will, aber es dann doch lieber anderen überlässt, "weil es gibt sicherlich Leute, die noch eine viel größere und komfortablere Wohnsituation haben als ich."

"Kein Stück über Syrien" schwingt nie die Moralkeule, sondern greift ein an sich schwieriges Thema ohne große Berührungsängste auf. Man kann mit dem Ensemble lachen, über sich und seine Einstellung zu Grenzzäunen, Flüchtlingsobergrenzen und Hilfsbereitschaft nachdenken. "Da merkt man mal, wie rassistisch man eigentlich ist. So ein richtiges Arschloch", rügt sich Michaela am Ende selber. Großer Applaus. Nach dem Stück kann man sich dann im Foyer wieder den Plakaten widmen: "In welches Land würde ich am liebsten flüchten?" Mhh, gar nicht so einfach…

KURIER-Wertung:

Info: "Kein Stück über Syrien" im Werk X-Eldorado. Konzept, Regie: Martin Gruber, Text: Aktionstheater Ensemble, Martin Gruber. Dramaturgie: Martin Ojster, Bühne/Kostüme: Valerie Lutz, Musik: Panda Pirate. Mit: Michaela Bilgeri, Susanne Brandt, Robert Finster, Alexander Meile, Panda Pirate.

Vorstellungen: Donnerstag, 11., Freitag, 12. und Samstag, 13. Februar – jeweils 20 Uhr.

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