Wichtig, richtig und sehr, sehr klug

Christopher Ainslie als "Kaufmann von Venedig" (l.) und Adrian Eröd als "Shylock ein reicher Jude"
André Tschaikowskys "Kaufmann von Venedig" wurde bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführt

Eine Oper, die vor mehr als 30 Jahren komponiert wurde und noch nie das Bühnenlicht der Welt erblickte – die kann doch nicht gut sein? Doch sie kann, wenn auch mit kleineren Abstrichen. Die Rede ist von André Tschaikowskys Shakespeare-Adaption „Der Kaufmann von Venedig“, die bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführt wurde.

Die Ausgrabung

Und man kann Intendant David Pountney gar nicht genug für seine konsequenten Raritäten-Ausgrabungen danken. Denn auch Tschaikowskys Oper – der sehr betagte Librettist John O’Brien nahm nach der Premiere den Applaus für den 1982 verstorbenen Komponisten entgegen – hat ihre Meriten. Tschaikowsky (oder auch Tchaikowsky, beide Schreibweisen sind erlaubt) war ein ausgezeichneter Komponist.

Geboren in Polen als Robert Krauthammer, Überlebender des Warschauer Gettos, als Pianist gefördert von Arthur Rubinstein, am Konzertflügel ein Kompromissloser, privat ein Exzentriker – ein Vierteljahrhundert lang hat Tschaikowsky an seinem „Kaufmann“ gearbeitet.

Der Pragmatiker

Die Musik ist einmal tonal, dann ein wenig atonal, sie lebt von Clustern (so genannten „Tontrauben“), lyrischen Ensembles, einigen jazzigen Einschüben, zitiert Benjamin Britten, mitunter auch Richard Wagner und ist meist richtig gut. Da war ein Musikpragmatiker am Werk.

Vor allem aber entfaltet die Musik in der entscheidenden Szene des dritten Akts, wenn der Jude Shylock das ihm zustehende Pfund Fleisch aus dem Körper des Kaufmanns Antonio schneiden will, eine ungeheure dramatische Sogwirkung. Unwillkürlich hält man da den Atem an. Schade nur, dass ein elend langer Epilog (hier finden diverse Paare zueinander, hier wird die Geschichte aufgelöst) trotz schöner, gut hörbarer Musik diesen furiosen Eindruck etwas trübt.

Für ungetrübte Freude jedoch sorgen die perfekt einstudierten Wiener Symphoniker unter der Leitung des jungen Dirigenten Erik Nielsen, die viele Facetten dieses teils auch sehr sperrigen Stückes hörbar machen.

Szenenfotos aus Bregenz

Wichtig, richtig und sehr, sehr klug

BREGENZER FESTSPIELE "DER KAUFMANN VON VENEDIG"
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Ähnliches gilt für manche der Sänger: So ist Bariton Adrian Eröd als Shylock stimmlich wie darstellerisch ein Ereignis. Wie Eröd die Ambivalenz dieses jüdischen Geschäftemachers als Opfer und Täter zugleich ausspielt, ist einfach sensationell. Das geht unter die Haut. Eine zurecht bejubelte Darbietung.

Nicht minder überzeugend: Die Sopranistin Magdalena Anna Hofmann als vokal tolle Portia (ja, es geht auch um Liebe), Verena Gunz als sehr gute Nerissa, David Stout als Gratiano sowie Tenor Charles Workman in der wichtigen Partie des Bassanio. Jason Bridges und Kathryn Lewek fügen sich gut ein; nur der Countertenor Christopher Ainslie als Kaufmann Antonio blieb bei der Premiere unhörbar. Schade!

Und die Regie? Keith Warner und Ausstatter Ashley Martin-Davis machen uneitel viel richtig, fügen szenisch mehrere Ebenen ein. Die 20-er Jahre des vorigen Jahrhunderts, Hitlers SA, der Ku-Klux Klan, Hollywood, Marlene Dietrich, Sigmund Freud, Homosexualität, cartoonartige Gags, ein Labyrinth der Gefühle und griechische Mythologie – da ist viel drinnen, das die recht schwere Kost nur bedingt leichter macht. Höflicher Beifall für alle.

Fazit: Späte Ehrenrettung

Werk: André Tschaikowskys Oper „Der Kaufmann von Venedig“ wurde mehr als 30 Jahre nach dem Tod des Komponisten uraufgeführt.

Umsetzung:Meist sehr gut. Eröd ist grandios.

KURIER-Wertung: **** von *****

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