"Kater": Auf das Glück folgt die Katastrophe
Das Glück von Andreas und Stefan scheint perfekt: Zwei Männer, die sich lieben, ihre gemeinsame Leidenschaft für Musik teilen – und ihren Freundeskreis. Das Tüpfelchen auf dem i in der heimischen Idylle ist ihr pelziges Haustier, ein schnurrender Kater.
Vielleicht hält man die Harmonie nicht aus, wenn sie zu groß wird; vielleicht aber möchte man auch ihrem drohenden Ende zuvor kommen?
Diese Fragen lässt Regisseur Händl Klaus in Schwebe, wenn er seinem Pärchen das Unglück der bösen Tat schickt. Unversehens setzt einer der Männer eine Gewalttat – und danach ist das Leben nicht mehr das, was es vorher war. Intensives Drama in den elegant-irritierenden Bildern von Kameramann Gerald Kerkletz.
INFO: Ö 2016. 114 Min. Von Händl Klaus. Mit Philipp Hochmair, Lukas Turtur, Thomas Stipsits, Manuel Rubey.
KURIER-Wertung:
KURIER: Ihr zweiter Spielfilm "Kater" handelt von einer Beziehung, die unvermutet einen Riss bekommt.
Händl Klaus: Ja, es ist die Liebesgeschichte zweier Männer, die ihren Arbeitsplatz und ihren Freundeskreis teilen. Der eine ist Musiker, der andere Disponent in einem Orchester, wobei wir das Glück hatten, mit dem RSO arbeiten zu dürfen (ORF Radiosymphonie-Orchester Wien, Anm.). Einige Orchestermitglieder haben auch ganz selbstverständlich den Freundeskreis meiner Hauptfiguren Stefan und Andreas gespielt. Die beiden Männer haben eine schöne, leidenschaftliche Beziehung und leben mit ihrem Kater Moses. Im Verlauf des Filmes ereignet sich aber eine Katastrophe, und das Glück kommt ihnen abhanden.
War die Suche nach den richtigen Schauspielern für das schwule Paar schwierig?
In einer früheren Drehbuchfassung war das Paar noch heterosexuell, aber es hat sich vom Casting her einfach nicht richtig ergeben, weil die berühmte Chemie nie gestimmt hat. Die Suche nach den Schauspielern war außerdem schwierig, weil sie auch nackt spielen mussten. Es hat mich erstaunt, wie schwierig das war. Ich habe immer geglaubt, als Schauspieler oder Schauspielerin begreift man auch den nackten Körper als Ausdrucksmittel. Ich als Schauspieler hätte viel größere Angst vor dem seelischen Schmerz als vor der Nacktheit gehabt. Aber es gab eine große Scham bei vielen, die das Drehbuch gelesen haben, obwohl die Nacktheit ein ganz natürlicher Teil der Erzählung ist. Wir erleben eine Vertreibung aus dem Paradies, dabei geht es auch darum, dass man die Intimität, die man miteinander teilt, streckenweise verliert. Philipp Hochmair und Lukas Turtur haben sich auf die Geschichte eingelassen, und es war ein sehr schönes Arbeiten mit ihnen. Ganz natürlich, zwei liebende Männer. Mir gefällt, wie selbstverständlich dieses schwule Leben ist.
Der unvermutete Gewaltausbruch, der die Beziehung so erschüttert, passiert praktisch auf dem Höhepunkt der Harmonie. Warum?
Vielleicht hat es damit zu tun, dass jedes Paradies enden muss, allein deswegen, weil wir sterben werden. Als Grundgefühl schwingt das in unserem Leben mit. Ich glaube, dieses Bewusstsein hat man auch im größten Glück. Wenn man eine glückliche Beziehung lebt, begleitet einen doch auch ständig die Angst, dass es aufhören könnte. Man hat das Glück nicht gepachtet. Das ist auch bei meinen Hauptfiguren so: In ihrem paradiesischem Leben erfahren sie Verlust.
Wie haben Sie den Gewaltmoment empfunden?
Der Moment gehört Stefan (Lukas Turtur, Anm.) allein, das heißt, es geschieht etwas mit ihm. Er gibt einem Impuls nach, der stärker ist als er, den er nicht kontrollieren kann. Der Gewaltakt entsteht aus einer Gelassenheit heraus, einer Zärtlichkeit sogar, grundlos. Umso schockierender ist er für mich. In der Psychologie spricht man von mangelnder Impulskontrolle – und dann ist man sehr rasch beim Thema Identität angelangt.
Kennen Sie das von sich selbst?
Natürlich. Das liegt dem Ganzen zugrunde. Woher kommt das – das frage ich mich natürlich schon. Will man der möglichen Zerstörung, die ja irgendwann stattfindet, weil wir sterblich sind, zuvorkommen?
Ihr erster Spielfilm "März" handelt vom Selbstmord dreier Burschen und davon, wie Angehörige damit umgehen. Gibt es eine Verbindung zu "Kater"?
Das Leben danach, das Leben mit dem Verlust, ist in beiden Fällen ein großes Thema. Wobei in "Kater" die Liebe nicht verloren ist, sondern sich verändert. Sie wird herausgefordert, weil plötzlich ein Mensch da ist, mit dem zu leben nicht mehr einfach ist.
Sie haben wieder mit dem Kameramann Gerald Kerkletz zusammengearbeitet. Welche Art der Bilder suchen Sie mit ihm?
Wir stellen uns immer die Frage: Wie kommt man den Figuren nahe? Wenn ich seine Kamera beschreiben sollte, würde ich sagen, es ist ein atmender, begleitender Blick, der immer mit den Menschen ist. Es geht uns beiden darum, dass die Figuren autonom bleiben. In manchen Filmen gehorchen sie bloß einer Idee, und das gefällt mir persönlich gar nicht. Außer in seltenen Fällen, wo es meisterhaft geschieht, wie bei David Lynch zum Beispiel, wo die Figuren immer noch etwas abgründig Menschliches haben.
Sie machen sich, während wir sprechen, Notizen. Was schreiben Sie auf?
Ich schreibe gerade an einem Opernlibretto für Arnulf Herrmann (deutscher Komponist, Anm.). Er wartet auf eine Szene, in der die Menschen darüber sprechen, ob sie lieber in die Berge oder ans Meer fahren sollten. Während wir reden, fallen Reizwörter, die lösen etwas aus – das notiere ich gleich.
Hätten Sie Interesse, selbst bei einer Oper Regie zu führen?
Ja, rasendes, aber nur bei einer einzigen, und zwar " Thomas" von Georg Friedrich Haas, für den ich das Libretto geschrieben habe. Es ist meine persönlichste, wichtigste und liebste Arbeit. Ich schreibe auch gerade an einem Libretto für Heinz Holliger, den großen alten Meister der Schweizer Musik; und eben für Arnulf. Jeder von diesen Komponisten hat seine eigene Musiksprache – und darum völlig unterschiedliche Stoffe. Das ist die schöne Herausforderung.
Bestehen Chancen, dass Sie "Thomas" inszenieren?
Ich weiß es nicht, ich hab noch mit niemandem darüber geredet. Man braucht Spezialisten dafür, das Orchester besteht aus lauter Zupfinstrumenten: Cembalo, Gitarre, Harfe, Mandoline, Zither – ein warmer, immer gefährdeter Klang. Das ist mikrotonal komponiert (in Intervallen, die kleiner als ein Halbtonabstand sind, Anm.), dafür braucht man Spezialisten, und auch die Sängerinnen und Sänger, die mikrotonal singen müssen, wachsen nicht auf Bäumen. Das macht das Unterfangen kostspielig.
Es ist wohl auch kein Zufall, dass Ihre Protagonisten in "Kater" Musiker sind.
Einerseits ist mir das Biotop vom Schreiben für die Oper und von meinen Freundschaften mit Musikerinnen und Musikern her vertraut. Vor allem war mir aber wichtig, dass Stefan und Andreas in ihrer Arbeit auch immer mit dem Tod zu tun haben – das meine ich ganz nüchtern. Wenn man Mozart oder Bach oder Schubert oder Janáček spielt, geht es um die Sterblichkeit. Diese Komponisten erzählen zutiefst davon. Wenn du in deiner täglichen Arbeit diese Sprache sprichst, ist das ein unglaublich schwieriger und unglaublich schöner Beruf. Auf jeden Fall hat man ein solches Bewusstsein, man könnte sonst Schubert nicht spielen. Für Stefan und Andreas ist es wesentlich.
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