Brillanter Schauspieler und mutiger Menschenfreund

Böhm war nicht nur Schauspieler sondern auch Gründer derHilfsorganisation "Menschen für Menschen"
Der Schauspieler und Gründer von "Menschen für Menschen" starb mit 86 Jahren. Bewunderer und Fans trauern.

Karlheinz Böhm erblickte am 16. März 1928 das Licht der Welt. Die Welt, das hieß zunächst: Darmstadt, wo sein Vater Generalmusikdirektor war. Karlheinz war das einzige Kind eines berühmten Künstlerpaares: Seine Mutter war die aus München stammende Sopranistin Thea Linhard, sein Vater der in Graz geborene Dirigent von Weltrang, Karl Böhm.

1939 schickte ihn sein Vater (der sich bei den Nationalsozialisten durch zahlreiche Äußerungen beliebt machte) mithilfe eines gefälschten Attests in die Schweiz, wo er die Kriegszeit in einem Internat verbrachte.

1946 zog die Familie nach Graz. Karlheinz wollte Pianist werden. Beim Vorspielen hieß es seiner Biografie zufolge: "Für den Sohn vom Böhm ist es ein bisschen dürftig." Böhm studierte daraufhin Anglistik und Germanistik, ein Semester lang in Rom auch Kunstgeschichte, bevor er das Studium abbrach, um in Wien Schauspiel-Unterricht zu nehmen.

Es folgte eine große Schauspielkarriere, im Theater, vor allem aber beim Film. Von 1948 bis 1976 spielte Karlheinz Böhm in 46 Kinofilmen. Als Darsteller des Kaisers Franz Joseph in den drei "Sissi"-Filmen (1955–1957) mit Romy Schneider wurde Böhm zum Superstar – und gleichzeitig auf ein bestimmtes Rollenbild festgelegt, dem er bald zu entfliehen versuchte.

"Stinken"

Der erste bewusste Bruch in seiner Karriere kam 1960 in Michael Powells Thriller "Peeping Tom" ("Augen der Angst"), in dem er einen Serienmörder mit Vaterkomplex spielte, der seine Opfer beim Sterben filmt. Der extrem beklemmende Film gilt heute als Meisterwerk, war aber damals ein Skandal. Niemand wollte Sissis "Franz" als Frauenmörder sehen, Böhms Karriere bekam einen Knick.

In einem Interview erinnerte sich Böhm an die Premiere des Films – er und Regisseur Powell warteten vor dem Kino, um Glückwünsche entgegenzunehmen. "Dann kamen die Leute raus – und liefen alle einfach an uns vorbei. Keiner ist auch nur in unsere Nähe gekommen. Als ob wir stinken würden."

Böhm ging nach Hollywood, war aber mit seinen Rollen unzufrieden. In den Siebzigerjahren kam es zu einer zweiten Wendung in seiner Karriere, als er auf den Regie-Künstler Rainer Werner Fassbinder traf. Böhm glänzte u. a. in dessen düsteren Ehe-Thriller "Martha" und entwickelte in den Gesprächen mit dem gesellschaftskritischen Fassbinder ein waches Bewusstsein für Unrecht.

Anfang der Achtzigerjahre beendete er seine Schauspielkarriere und widmete sein Leben ganz dem Projekt "Menschen für Menschen".

Gutmensch

Gefragt, wie er zu dem abwertenden Begriff "Gutmensch" stehe, sagte Böhm einmal: "Es ist mir egal, wie andere mich nennen. Ich mache einfach nur meine Arbeit für andere Menschen." Ein anderes berühmtes Zitat von Böhm lautet: "Es gibt nicht fünf Milliarden Menschen, sondern fünf Milliarden Mal EINEN Menschen."

Böhm war vier Mal verheiratet und hat sieben Kinder, unter ihnen die Schauspielerin Katharina Böhm.

Es war die Wut gegen die Ungerechtigkeit, die Karlheinz Böhm antrieb. „Ich will, dass die Menschen wissen, das ich seit dem 16. Mai 1981 (Gründungstag von Menschen für Menschen, Anm.) nur noch für andere Menschen lebe, nicht mehr für mich selbst. Ich gehe diesen Weg weiter. Bis zur letzten Minute“, sagt er in einem KURIER-Interview.

Donnerstagabend starb Karlheinz Böhm im Kreise seiner Familie in seinem Haus in Grödig bei Salzburg mit 86 Jahren. Der Schauspieler und Gründer der Hilfsorganisation „Menschen für Menschen“ (siehe Zusatzgeschichte unten) litt seit Jahren an Alzheimer. Schon davor hatte er mit den Folgen eines schweren Verkehrsunfalles zu kämpfen, der ihm fast das Leben gekostet hatte. In den vergangenen Jahren lebte er sehr zurückgezogen.

Lebenswerk

Brillanter Schauspieler und mutiger Menschenfreund
APA18607596-2_30052014 - GRÖDIG - ÖSTERREICH: ZU APA238 VOM 29.05.2014 - Nach langer, schwerer Krankheit verstarb der Schauspieler und Gründer der Stiftung "Menschen für Menschen" Karlheinz Böhm am Donnerstag, 29. Mai 2014, im Alter von 86 Jahren in seinem Haus nahe Salzburg. Im Bild: Böhms Haus aufgenommen am Freitag, 30. Mai 2014, in Grödig, Salzburg. FOTO: APA/NEUMAYR/MMV
„Mein Mann war für mich immer Vorbild und Motivation. Er hat mir nicht nur seine Liebe geschenkt, sondern auch den Glauben daran, dass ein einzelner Mensch sehr viel Positives bewirken kann“, erklärt seine Frau in einer Stellungnahme. Vor wenigen Monaten hatte sie den Vorstandsvorsitz des Vereins abgegeben, um ihren schwer kranken Mann zu pflegen. „So schwer mich sein Verlust trifft, so sehr gibt mir der Glaube an seine Vision Kraft, sein Lebenswerk weiterzuführen.“ Und das war auch der ausdrückliche Wunsch ihres Mannes.

In Grödig ist die Bestürzung über den Tod des prominenten Bewohners groß – nach ihm ist sogar eine Straße benannt. „Er war ein absolut interessanter und charmanter Gesprächspartner“, erinnert sich Bürgermeister Richard Hemetsberger. „Aber seit zwei Jahren lebte er zurückgezogen. Es war bekannt, dass er sehr krank war.“

Noch ist nicht klar, wo Karlheinz Böhm begraben wird. „Wir werden in der kommenden Woche das Gespräch mit der Familie suchen und ihre Pläne und Wünsche berücksichtigen“, erklärt Hemetsberger. Böhm selbst sagte einst: „Ich habe in Äthiopien meine Heimat gefunden und ich möchte am liebsten eines Tages dort in die Natur zurückkehren, aus der ich gekommen bin.“

Rote Rosen

Brillanter Schauspieler und mutiger Menschenfreund
Trauer nach dem Tod von Karlheinz Böhm
Die Anteilnahme ist riesig. Vor dem Schloss Schönbrunn – in Erinnerung an Böhms Paraderolle als Kaiser Franz-Joseph in den „Sissi“-Filmen – legten Fans rote Rosen nieder und zündeten Kerzen an. „ Karlheinz Böhm ist tot und der letzte Kaiser von Österreich gestorben“, sagt Bewunderer Karl Rauchberger.

Böhms Verein – dem im Vorjahr die Verschwendung von Spendengeldern vorgeworfen wurde, was sich wenig später allerdings in Luft auflöste – wird nun auf neue Beine gestellt. Almaz Böhm wird Schirmherrin, ein Finanzexperte und ein Vorstand verstärken die Spitze.

Und das 33 Jahre nach Böhms Wette in „Wetten, dass ..?“. Damals wettete Böhm, dass nicht jeder Zuschauer eine Mark oder einen Schilling für hungernde Menschen in Afrika spenden würde. Er gewann. Doppelt. Denn es kamen mehrere Millionen zusammen.

Wenn man sich durch Addis Abeba staut, kommt man irgendwann fast immer an ihm vorbei: Am „Karlsplatz“ der äthiopischen Hauptstadt. Schon zu Lebzeiten wurde Karlheinz Böhm im Herzen der Metropole ein Denkmal gesetzt – in der Mitte eines Kreisverkehrs. Eine Würdigung jenes Mannes, der mit seiner Hilfe für das Land („Menschen für Menschen“) vielen Äthiopiern ein Begriff ist – vor allem natürlich in den Projektgebieten, wo Böhm für alle nur „Mr. Karl“ war.

„Guten Morgen, Mrs. Karl“, wurde Almaz Böhm, die Ehefrau des ehemaligen Schauspielers, einmal begrüßt. Lächelnd stellte sie klar: „Ich bin Almaz, die Frau von Karlheinz.“ Die Episode zeigt, wie sehr die Arbeit von „Menschen für Menschen“ mit der Person des nun Verstorbenen verbunden war und wohl auch nach seinem Tod verbunden bleiben wird.

Kleinstkredite

Das Dorf Mamo Bukune im Distrikt Derra. Zewde Tessema treibt die kleine Schafherde, die paar Esel und das Dutzend Rinder in den Stall. Bis vor sieben Jahre hatte die Familie kein einziges Tier. „Wir hatten zu wenig zu essen, und konnten das Schulgeld für unsere Kinder nicht aufbringen“, sagte die 36-Jährige zum KURIER. Mit einem Kleinstkredit (umgerechnet 70 Euro) von „Menschen für Menschen“ kaufte sie sich drei Schafe. Die Herde wuchs und mit ihr der bescheidene Wohlstand. Jetzt denkt die geschäftstüchtige Frau sogar daran, im Hauptort Gundo Meskel eine kleine Pension aufzumachen.

Der Bezirk Derra wurde nach 13 Jahren Projektarbeit den örtlichen Behörden übertragen. Nach dieser Zeit haben 90 Prozent der Bewohner dieser Region Zugang zu sauberem Trinkwasser, zuvor waren es gerade einmal zwei Prozent; die Schulbesuchsquote konnte von 13 auf 87 Prozent gesteigert werden.

Mittlerweile profitieren fünf Millionen Äthiopier von der Hilfe, die vom Schul- und Brunnenbau über Gesundheitsinitiativen bis zu Landwirtschaftsprojekten reicht. Und das auf einer Fläche von 55.000 Quadratkilometern.

Neuester Schwerpunkt sind Mini-Solaranlagen, mit denen die Bauern auf dem Land ihre Handys aufladen können (das Netz ist erstaunlich flächendeckend). „Bevor der Gemüsehändler kommt und mir die Ware abkauft, telefoniere ich jetzt mit meinem Vertrauensmann in der Kreisstadt Kachisi, um die aktuellen Preise zu erfragen. So kann mich der Händler nicht mehr übers Ohr hauen“, freut sich Arasa Gemeda. Privater Zusatzeffekt: Der Vater kann nun auch mit seinen beiden Töchtern in Kontakt treten, die in Kachisi eine Highschool besuchen. Walter Friedl

„Mit Karlheinz Böhm verlieren Österreich, Europa und die Welt eine Persönlichkeit, die sich Jahrzehnte hindurch mit aller Kraft für den afrikanischen Kontinent und die Verbesserung der Lebensumstände seiner Menschen, insbesondere in Äthiopien, eingesetzt hat.“ - Bundespräsident Heinz Fischer

„Mit Karlheinz Böhm verlieren wir einen großartigen Künstler und eine großartige Persönlichkeit, die den Menschen immer wieder in Erinnerung gerufen hat, wie wichtig es ist, Verantwortung für jene zu übernehmen, denen es nicht so gut ergeht.“ - Kanzler Werner Faymann

„Sein Glaube an das Gute im Menschen war unerschütterlich. Ihm lag eine geeinte und gemeinsame Welt am Herzen, in der die Diskrepanz zwischen Armen und Reichen kleiner wird.“ - Vize Michael Spindelegger

„Er nutzte seine Popularität und setzte sie für Millionen Menschen ein. Er steht dafür, dass es keine erste, zweite oder dritte Welt geben sollte, sondern nur einen Planeten, auf dem wir alle für einander verantwortlich sind.“ - Minister Josef Ostermayer

„Er war zunächst einer der erfolgreichsten Schauspieler Europas und hat später als großer Mensch, der viel für andere Menschen – in seinem Fall vor allem in Äthiopien – getan hat, ein unauslöschliches Erbe hinterlassen.“ - Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer

„Die Geschichte von Karlheinz Böhm zeigt, dass Veränderung möglich ist. Was im Fernsehen mit einer spielerischen Wette begann, wurde zu einem festen Versprechen der Solidarität und Nächstenliebe.“ - Caritas-Präsident Michael Landau

„Wir alle sind tief betroffen über den Verlust unseres Gründers Karlheinz Böhm. Seine Vision von einer besseren Welt wird auch in Zukunft ein Ansporn für unsere Arbeit sein.“ - Otto Beuchert, Vorsitzender „Menschen für Menschen“ Österreich

Samstag, 31. 5. ORF2, 13:10 Uhr, Das Dreimäderlhaus / 14:45, Sissi; ARD: 31.5., 12:05 Uhr, Sissi / 13:45, Sissi, die junge Kaiserin

Sonntag, 1. 6. ORF2, 14:25 Uhr Sissi, die junge Kaiserin; Ö1, 8:15 Uhr, Du holde Kunst – In memoriam Karlheinz Böhm. „Die Zeit steht still, wir sind es, die enteilen“ (Gedichte von Herder, Rilke, Hesse). Es spricht Karlheinz Böhm in einer Aufnahme aus dem Jahr 2001

Donnerstag, 5. 6. ORF III, 21:55, Im Brennpunkt Spezial: In memoriam Karlheinz BöhmAfrika mon amour

Sonntag, 8. 6.ORF2, 14:10 Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin

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