Jürgen Maurer: Von Idealisten und Realpolitikern

Jürgen Maurer: Von Idealisten und Realpolitikern
Der Schauspieler ist derzeit in "Vorstadtweiber" und im Landestheater Niederösterreich zu sehen.

Das Pessimistisch-Traurige steht ihm gut. Wie beim ernsten Kinderarzt Wenninger, den er im Emmy-ausgezeichneten Fernsehfilm "Das Wunder von Kärnten" spielte.

Jürgen Maurer: Von Idealisten und Realpolitikern
Interview mit dem österreichischen Schauspieler Jürgen Maurer. Wien, 13.1.2015
Auch den smarten Ermittler und Hundeflüsterer im "Kommissar Rex", den er 2013 verkörperte, gestaltete er als vom Schicksal Gezeichneten. Die weniger Sympathischen, wie den bewaffneten Geiselnehmer ("Soko Donau") oder den windigen Geschäftemacher ("Vorstadtweiber")nimmt man ihm aber genauso ab.

Ab kommendem Freitag spielt Jürgen Maurer den desillusionierten Realpolitiker Hoederer in Jean-Paul Sartres Drama "Die Schmutzigen Hände" im Landestheater Niederösterreich in St. Pölten. Mit dem KURIER sprach der 46-jährige Kärntner über Sartre, erste Berufswünsche, das Burgtheater, seinen Ärger über die Kritik an den "Vorstadtweibern" – und wie er zu einer Rolle an der Pariser Oper kam.

Frischluft

Zum Interview im Kaffeehaus kommt der gebürtige Klagenfurter, der heute in Wien lebt, mit dem Motorroller. "Immer einspurig, immer an der Luft". Schauspielschule hat er nie besucht, sagt der Mann, den man sich an diesem Vormittag auch gut in der Rolle "Naturbursch" vorstellen könnte. Später wird er erzählen, dass er viel wandert, die Rax sein Erholungsort ist, wenn er im Sommer in Reichenau Theater spielt.

Ursprünglich wollte Jürgen Maurer Lehrer werden, Kunsterzieher, drei Jahre hat er an der Akademie der bildenden Künste Grafik studiert. Der Zeichenlehrer in der Schule war sein Mentor – "ja, so etwas gibt es." Nach wie vor zeichnet Maurer viel, für ausstellungswürdig hält er seine Werke allerdings nicht.

Abstriche

Sartre spielt Jürgen Maurer nun zum ersten Mal. Mit der Rolle des Hoederer verkörpert er einen Mann, für den Politik ein großer Kompromiss ist. Ist das rückgratlos? "Hoederer ist Realpolitiker, der einen gangbaren Weg sucht. In einer demokratischen Gesellschaft muss man dafür Abstriche machen. Deshalb ist dieses Stück so aktuell: Wir stehen offensichtlich als Weltgesellschaft an einem Scheideweg. Heute heißt immer öfter: entweder – oder. Rechtsaußen oder das Gegenteil." Also lieber Kompromisse als Ideale? Letztendlich sei diesem abgeklärten Politiker nur eines wichtig: "Die Menschen zu lieben. Es ist eine Extremismusparabel, die sehr gut in unsere Zeit passt, wo über Realpolitikern leichtfertig Kübel ausgeschüttet werden."

"Die schmutzigen Hände" sind Maurers Debüt in St. Pölten. Auch nach seinem Abschied als fixes Ensemblemitglied des Burgtheaters ist es dem viel beschäftigten Film-und Fernsehschauspieler wichtig, weiter auf der Bühne zu stehen. Von 1997 bis 2012 war Maurer an der Burg. "Ich wäre der letzte verbeamtete Schauspieler des Burgtheaters gewesen." Der Vertrag wurde nicht verlängert, in gegenseitigem Einvernehmen zwischen ihm und dem damaligen Direktor Matthias Hartmann.

Pragmatisierung, das klingt besser, als es ist, sagt Maurer. Sicherheit sei keine gute Voraussetzung für die Kunst. "Ohne Netz hat es mehr Kick". Der Abschied fiel leicht. Dass er nach wie vor auf der Homepage der Burg zu sehen ist, hat ihm erst kürzlich einen Job in Paris verschafft: An der Opéra national de Paris spielte Maurer die Sprechrolle in Mozarts "Entführung aus dem Serail", den Bassa Selim. Regisseurin Zabou Breitman und Dirigent Philippe Jordan hätten sich ursprünglich Christoph Waltz oder Sebastian Koch gewünscht. Beide hatten keine Zeit. "Und weil die Franzosen ziemliche Kulturchauvinisten sind, kennen sie sonst keine deutschsprachigen Schauspieler. Da haben sie auf die Burgtheater-Homepage geschaut, die Regisseurin hat auf mein Bild gezeigt und gesagt: Der schaut aus wie ein Bassa", erzählt Maurer, lacht und wirkt dabei tatsächlich recht uneitel.

Upperclass

Weniger lustig findet er, wie die neue ORF-Serie "Vorstadtweiber", in der er an der Seite von Gerti Drassl spielt ("Ich liebe die Gerti"), verrissen wurde: "Ja, da geht es um Klischees, vielleicht manchmal auch um überzeichnete Charaktere, um eitle, sinnentleerte Upperclass-Typen – das ist eben eine Sozialsatire. Aber es ärgert mich, wenn eine mehrteilige Serie, bei der sich ein Sender wirklich etwas traut, nach der ersten Folge gleich vernichtet wird. Wer dranbleibt, sieht, dass da auch sozial brisante Themen angesprochen werden. Und vielleicht könnte man auch anerkennen, dass es endlich einmal Sozialsatire gibt und nicht das x-te Krimiformat!"

Wenn sich Jürgen Maurer ärgert, dann kann er das schlecht verbergen. Besonders grantig wird er beim Satz "Ich hab’ nach zehn Minuten abgedreht." Abseits der Bühne scheint er doch mehr Idealist als Realpolitiker zu sein.

Mit dem Politthriller "Die schmutzigen Hände" (1948) geht der französische Philosoph und Nobelpreisträger Jean-Paul Sartre (1905–1980) der Frage nach der Unvereinbarkeit von politischer Praxis und moralischer Integrität nach. Unter der Regie der Niederländerin Maaike van Langen spielt Jürgen Maurer darin ab kommendem Freitag im Landestheater Niederösterreich in St. Pölten den Politiker Hoederer. Die Produktion ist bis zum 27.3. im Spielplan und gastiert am 24. und 25.2. im Stadttheater Baden.

Außerdem ist Maurer derzeit im Kino in Sönke Wortmanns Elternabend-Komödie "Frau Müller muss weg" an der Seite von Anke Engelke zu sehen. Im ORF ist Maurer heute wieder in der Serie "Vorstadtweiber" (20.15, ORFeins) als Immobilienmakler Georg, der seine Frau Maria (Gerti Drassl)mit einer vermeintlichen Geschäftsreisen belügt, zu Gast.

1967 in Klagenfurt geboren, begann Maurer seine Karriere am Volkstheater und war von 1997 bis 2012 Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters. Im Fernsehen spielte er unter anderem im "Tatort", in "Schnell ermittelt" und in etlichen Fernsehfilmen, etwa in "Spuren des Bösen", einem 90-minütigen "Kommissar Rex"-Film sowie in der mit dem Emmy ausgezeichneten Produktion "Das Wunder von Kärnten" in der Regie von Andreas Prochaska.

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