Journalismus: Seriöse Stimme in Social Media

Jim Roberts.
Jim Roberts, ehemaliger Journalist der New York Times und Chefredakteur von Mashable, über die Zukunft des Journalismus.

Von 15. bis 17. Juni werden in Wien kluge Köpfe der globalen Medienbranche zusammen-kommen, um über die Zukunft des Journalismus zu diskutieren.
Jim Roberts ist einer von ihnen.

Herr Roberts, wie beurteilen Sie den aktuellen Zustand des Journalismus?
Jim Roberts: Es ist eine sehr stressige Zeit – vor allem für den digitalen Journalismus. Die Geschäftsmodelle, die vor zwei Jahren vielversprechend geklungen haben, sind unter Druck geraten. Innovation im Journalismus muss mit Innovation im Geschäftsbereich verbunden werden. Große digitale Player wie BuzzFeed und Vice haben in den vergangenen Jahren eine große Infrastruktur aufgebaut und benötigen laufend neue Einnahmen, um überleben zu können. Werbegestützte digitale Medienunternehmen stehen vor erheblichem finanziellen Druck. Das macht es schwierig, seriöse, qualitativ hochwertige und breit angelegte Berichterstattung zu unterstützen.

Auf Ihrem Twitter-Profil schreiben Sie, dass Sie "bereit für die nächste coole Sache" sind. Was ist die nächste "coole Sache" im Journalismus?
Snapchat kann eine fantastische Schnittstelle zwischen sozialen Netzwerken, Informationen und visuellem Erzählen bieten. Die Visualisierung von Journalismus wird aufgrund des technologischen Fortschritts und der Dichte an Smartphone-Nutzern immer wichtiger. Interessant finde in diesem Bereich die Plattform und App "Steller" sowie die 360-Grad-Video-Technologie.

Die New York Times zählt zu den erfolgreichsten Medienunternehmen – auch in Bezug auf Online-Strategien. Können Sie die neuen, moderneren Unternehmen herausfordern?
Die New York Times hat große Fortschritte bei der Anpassung an digitalen Journalismus gemacht. Es war ein steiniger Weg. Ich war dort, als es noch erheblichen Widerstand bei vielen traditionellen Journalisten gegen Neuerungen gab. Aber das ist weitgehend überwunden und die New York Times gehört zur Spitze des digitalen Storytellings.

Viele Medienunternehmen sind vorsichtig bei der Verwendung der neuen Facebook-Funktion "Instant Articles", die die Möglichkeit bietet, Artikel via Facebook zu veröffentlichen. Sollten Medien das forcieren oder eher um ihre eigenen Vertriebskanäle kämpfen?
Sie müssen beides machen, mit dem Verständnis, dass sie nicht mit Plattformen wie Facebook konkurrieren können. Medienunternehmen müssen lernen, Leser dort abzuholen, wo sie sind: Sie werden nicht kommen, man muss zu ihnen gehen.

Was können Medienunternehmen von Facebook, Snapchat oder Google lernen?
Ständig innovativ sein und das Produkt weiterentwickeln. Schauen Sie sich Facebook an. Vor 18 Monaten war der Video-Anteil unbedeutend auf der Plattform – und nun genießen Live-Streams oberste Priorität.

Welche Rolle sollen Journalisten in der Social-Media-Welt einnehmen?
Die gute Nachricht ist, dass es eine ständig wachsende Anzahl von Plattformen gibt, die Journalisten für sich nutzen können. Sie müssen nur bereit sein, Zeit zu investieren und wissen, wie sie die Plattformen am besten für sich nutzen können. Twitter ist nicht das Gleiche wie Snapchat und Instagram ist nicht das Gleiche wie Facebook. Ich bin davon überzeugt, dass Journalisten eine vertraute und seriöse Stimme in der lauten Social-Media-Umgebung spielen können.

Wie wird der Qualitätsjournalismus der Zukunft aussehen?
Die Vielfalt an Informationen hat zugenommen. Früher waren die Journalisten noch eingeschränkt, was die Quellen betrifft, die zur Verfügung standen. Nun können sie aus einer vielfältigen Palette von Informationen und Sichtweisen wählen. Qualitätsjournalismus muss sich mehr an die technischen Gegebenheiten, an die Geräte anpassen, auf denen die Menschen Nachrichten konsumieren. Denn wenige werden bereit sein, einen Artikel mit 3000 Wörtern auf dem Smartphone zu lesen.

Info: Die Konferenz findet in der Wiener Aula der Wissenschaften statt. Neben Vorträgen, Diskussionsrunden und Seminaren werden auch praktische Lösungen und unmittelbare Anwendungen für die wachsenden Herausforderungen erarbeitet.

Kommentare