José Carreras: Die Rückkehr eines Weltstars

Rückkehr mit 67: José Carreras steht ab kommendem Samstag wieder auf einer österreichischen Bühne
Startenor José Carreras steht wieder in Österreich auf der Bühne – in einer Kolonovits-Oper in Erl.

Im Jahr 2009 gab er seinen Rückzug von der Opernbühne bekannt, jetzt feiert José Carreras (67) sein großes Comeback. Im Festspielhaus in Erl Tirol gibt der Startenor am kommenden Samstag "El Juez", den "Richter" – in einer Oper, die Musikproduzent Christian Kolonovits (62) für ihn schrieb. Im KURIER-Interview sprechen die beiden über ihre unkonventionelle Zusammenarbeit.

Am Samstag feiern Sie mit Ihrer Oper "El Juez" hier in Erl Premiere. Spürt ein Profi wie Sie da noch Nervosität?

José Carreras: Nervös bin ich nicht, aber angespannt. Schließlich ist diese Premiere eine Herausforderung. Österreich ist immer ein spezieller Ort für einen Künstler.

Christian Kolonovits: Nein, weil ich mir suggeriere "Es kann ja nichts passieren!". Und mit guten buddhistischen Hilfsmitteln, wie Meditation und den "Fünf Tibetern", habe ich meine Nervosität im Laufe der Jahre sehr gut in den Griff bekommen.

Haben auch Sie spezielle Methoden, sich auf so eine Vorstellung vorzubereiten?

Carreras: Für mich ist es wichtig, mich voll auf meine Arbeit konzentrieren zu können. Da bleibt nicht viel Raum für anderes – maximal für einen Spaziergang. Ich bewundere Kollegen, die vor den Premieren wie Touristen unterwegs sind. Ich kann das nicht.

Bei der Uraufführung in Bilbao haben Sie tolle Kritiken bekommen. Haben Sie Angst vor dem, doch sehr kritischen, österreichischen Publikum?

José Carreras: Die Rückkehr eines Weltstars
Tiroler Festspiele Erl 2014 Foto: Franz Neumayr 6.8.2014 Im Bild der Sänger Jose Carreras bei Fototermin im Festspielhaus
Carreras: Nein, aber ich bin mir der Erwartungen des Publikums bewusst. Ich wurde hier immer warmherzig und mit großem Respekt empfangen. Deshalb stelle ich jetzt auch den Anspruch an mich selbst, besser zu sein als je zuvor. Ich brauche diesen positiven Druck.

Kolonovits: Ich habe auch großen Respekt vor dem österreichischen Publikum. Schließlich bin ich ja nicht in diesem Genre geboren, sondern habe mich hineingearbeitet, was hier nicht unbedingt gut ankommt. Ich verstehe das auch, immerhin gibt es Komponisten, die sich seit 30 Jahren mit der Oper beschäftigen – und ich sage einfach: Ich schreibe jetzt eine. Diese Leichtigkeit ist zwar ein Talent, aber ich gestehe jedem Kritiker seine Meinung zu.

Gab es Zeiten, in denen Sie sich über schlechte Kritiken gekränkt haben?

Kolonovits: Natürlich, als ich noch im Austropop gearbeitet habe. Aber heute kann ich gut damit umgehen. Ich habe mir jetzt die bösen Kritiken durchgelesen, die Eduard Hanslick im 19. Jahrhundert über Wagner und Tschaikowsky geschrieben hat. Wenn man das liest, nimmt man die heutigen Kritiken ganz locker. (lacht)

Herr Carreras, was macht Ihre gute Zusammenarbeit mit Christian Kolonovits aus?

Carreras: Wir beide hatten von Anfang an eine gute menschliche Basis und Chemie – und das ist entscheidend, wenn man etwas Neues kreiert. Christian – und das sage ich nicht, weil er hier sitzt – hat unglaublich tolle Arbeit geleistet. Diese Oper ist etwas Besonderes, vom musikalischen, aber auch vom dramatischen Aspekt.

Wie groß war die Herausforderung, eine Oper für einen Star wie José Carreras zu schreiben?

Kolonovits: Sehr groß, aber es war vor allem ein bereichernder Lernprozess. Von José kann man so viel über Oper lernen wie an keiner Hochschule der Welt! Bis heute habe ich bei der Arbeit Ehrfurcht vor ihm, aber mittlerweile verbindet uns auch eine echte Freundschaft.

Ihr Freund Plácido Domingo feiert am Samstag zeitgleich Premiere mit "Il Trovatore"...

Carreras: Ja, das hätte ich mir sehr gerne angesehen, "Il Trovatore" ist eine meiner Lieblingsopern. Aber das geht ja leider nicht! (lacht)

Treffen Sie ihn noch oft?

Carreras: Ja, wir treten auch noch oft gemeinsam auf. Aber er ist immer wahnsinnig im Stress. Ich glaube ja, es gibt nicht einen Plácido, sondern mehrere – unfassbar, was er alles gleichzeitig macht.

Herr Kolonovits, Sie haben schon in vielen Genres gearbeitet. Oper ist die Königsklasse …

Kolonovits: Ja und ich habe, nachdem "El Juez" fertig war, gesagt: Ich will nie wieder eine Oper schreiben … Weil mich diese Arbeit in eine völlig andere Welt getrieben hat und mich meine Umwelt vergessen ließ. Als ich fertig war, bin ich in eine Depression gefallen, weil ich dachte: Was mache ich denn jetzt eigentlich noch?! Das ist Gott sei Dank vorbei, und ich habe wieder in die Gesellschaft zurück gefunden. Inzwischen würde ich sogar gerne eine weitere Oper schreiben.

Herr Carreras, wären Sie bereit? Oder soll "El Juez" tatsächlich Ihre letzte Oper sein?

Carreras: Christian wäre der Einzige, der mich überreden könnte, weil er mich gut kennt und die perfekte Rolle für mich schreiben kann.

Sie singen mit 67 eine neue Oper. Wie beurteilen Sie selbst die Veränderung einer Stimme?

Carreras: Ich habe vor 45 Jahren zu singen begonnen. Natürlich verändert sich die Stimme, so wie man sich auch als Mensch verändert. Zudem war ich aufgrund meiner Krankheit (Carreras litt 1987 an Leukämie, Anm.) ein Jahr lang außer Gefecht. Umso dankbarer bin ich für meine Karriere und die Stimme, die mir geschenkt wurde. Natürlich vermisse ich manchmal die stimmliche Flexibilität von einst, aber im Grunde bin ich froh über die Reife, die das Alter mit sich bringt – als Künstler und als Mann. (lacht)

Drei Mal spielen Sie "El Juez" in Erl. Wie geht es danach weiter?

Carreras: Zunächst fahre ich mit meinen fünf Enkelkindern auf Urlaub. Danach bin ich wahrscheinlich k. o. (lacht) Dann geht es mit diversen Konzerten weiter. Außerdem trete ich bei einer Show für Udo Jürgens zum 80. Geburtstag auf. Darauf freue ich mich ganz besonders.

Hören Sie gerne Udo Jürgens?

Carreras: O ja, mein Lieblingssong ist (beginnt zu singen) "Aber bitte mit Sahne!"

Im April wurde „El Juez“ („Der Richter“) im spanischen Bilbao uraufgeführt. Am Samstag, 9. August, sowie am 12. und 15. August ist die von Christian Kolonovits komponierte Oper erstmals in Österreich, im Festspielhaus im Tiroler Erl , zu sehen.

Kulturmanager Peter Kupfer hatte vor drei Jahren die Idee, Kolonovits und Opernstar José Carreras für die Gestaltung einer neuen Oper zusammenzuspannen. Zwei Jahre lang komponierte Kolonovits, für das Libretto zeichnet Angelika Messner verantwortlich.

Die Handlung führt nach Spanien, in die Zeit der Franco-Diktatur (1939–1975). Federico, der Richter (gesungen von José Carreras) hat hart mit seinem Gewissen zu kämpfen: Er deckte die Verschleppung von unzähligen Kindern regimekritischer Eltern, um diese im Sinne des totalitären Systems zu erziehen ...

Der Hintergrund der Oper ist durchaus real, die Geschichte fiktiv. „Die Musik ist modern mit vielen klassischen Elementen“, so Carreras, „und wunderschönen Melodien“.
www.tirolerfestspiele.at

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