JMW: Umbau fertig, Neuerfindung läuft noch

JMW: Umbau fertig, Neuerfindung läuft noch
Nach einer ereignisreichen Startphase blickt Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums Wien, mit Zuversicht nach vorne.

Die Baustelle ist geräumt: Seit Oktober 2011 empfängt das Jüdische Museum in der Wiener Dorotheergasse wieder Besucher. Durch einen Neon-Schriftzug der Künstlerin Brigitte Kowanz ist das eher unscheinbare Haus nun auch leichter zu finden.

Danielle Spera, die im Juli 2010 die Direktion übernahm, strahlt, wenn sie von dem offenen Eingangsbereich, den restaurierten Wandbildern der Künstlerin Nancy Spero und dem gläsern überdachten, vom Veranstaltungs- zum Ausstellungsraum umfunktionierten Innenhof spricht: "Es ist genauso geworden, wie ich es mir vorgestellt habe."

Work in Progress

Gerade der neue Schauraum im Hof zeigt aber auch auf, woran im Museum noch heftig gearbeitet wird: "Welche Rolle soll Religion im Jüdischen Museum spielen?" steht hier auf bunten Tafeln, oder "Was kann Kunst im Jüdischen Museum?" Die Antworten der Besucher sollen bei der Definition der neuen Dauerausstellung helfen, deren Eröffnung für Herbst 2012 avisiert ist.

"Wir arbeiten an einem Konzept, dass in die Richtung eines fixen Kernstücks geht, um das wir flexible Elemente gruppieren, damit unsere Gäste immer etwas Neues über die Jüdische Geschichte Wiens erfahren können", erläutert Spera.

Nach 1945

Die aktuelle Ausstellung – sie zeigt u. a. Bilder der Wiener jüdischen Gemeinde aus dem Archiv der Fotografin Margit Dobronyi – weist schon auf die künftige Ausrichtung hin: "Wir wollen unter anderem Wiener Familiengeschichten erforschen und zeigen, welche enormen Persönlichkeiten es gegeben hat –, aber natürlich auch die vielen kleinen Leute", sagt die Direktorin. "Auch die Nachkriegsgeschichte, die Zeit nach 1945, wird ein Schwerpunkt sein."

Spera verweist auf gute Kontakte, die das Museum unter ihrer Führung etwa mit der bucharischen Gemeinde in Wien knüpfen konnte – jenen Juden, die aus Sowjetrepubliken emigrierten und in Österreich Fuß fassten. Die nächste Schau im Haupthaus soll durch die Kunstsammlung des Ehepaars Eduard und Jana Pomeranz diese Emigrationsgeschichte beleuchten.

In ihrer Startphase wurde Spera nicht überall freudig empfangen: Auf die Demontage von Hologrammtafeln im Museum folgte ein Aufschrei von Kollegen. "Mit solchen Scharfschützen habe ich nicht gerechnet", sagt sie rückblickend. "Doch ich habe ein Lebensmotto, das heißt: Wer aufgibt, ist verloren."

Heute gibt es für Spera "in dieser Beziehung keine Baustellen mehr" – durch den Zuspruch, den das renovierte Haupthaus und die neu eröffnete Dependance am Wiener Judenplatz ernten, fühlt sie sich bestätigt, ihr Team sei "unglaublich motiviert" und auch groß genug.

Gemeindepolitik

Zur Frage, ob ihr auch die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) unter dem kürzlich zurückgetretenen Präsidenten Ariel Muzicant Prügel in den Weg gelegt hätte, sagt Spera nur: "Ich bin überzeugt, dass es mit dem nächsten Präsidenten – wie immer der heißen mag – ganz bestimmt eine sehr gute Zusammenarbeit geben wird." Dass Speras Mann, der Psychoanalytiker Martin Engelberg, selbst für die Wahl des IKG-Präsidenten im November kandidiert, beträfe sie in ihrer Funktion "überhaupt nicht".

Die Direktorin beschäftigen heute andere Dinge: Für den Standort Judenplatz konnte sie Raiffeisen als Sponsor gewinnen, durch den Fokus auf neuere jüdische Geschichte wäre es nötig, mithilfe externer Geldgeber Lücken in der Museumssammlung zu füllen. Spera ist zuversichtlich, auch das noch zu schaffen.

Institution Das Jüdische Museum Wien, 1895 gegründet, gilt als älteste Einrichtung seiner Art. Von den Nazis aufgelöst und nach 1945 von der Kultusgemeinde betrieben, wurde es 1988 neu gegründet. Seit 1993 ist es in der Dorotheergasse 11, 1010 Wien, beheimatet, seit Juli 2010 leitet es die ehemalige ORF -Journalistin Danielle Spera.

Ausstellungen Das Haupthaus zeigt derzeit "100 Jahre Hollywood – eine jüdische Erfahrung" (bis 4. 5.), "Der Wienerwald in Israel" (bis 29. 4.) und die Schau "Wien. Jüdisches Museum. 21. Jahrhundert". Am Standort

Judenplatz 8 eröffnet am kommenden Dienstag die Schau "Jüdische Genies – Warhols Juden" (bis 2. 9.). www.jmw.at

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