Jeff Bridges: "Die Frauen sind mein Vorbild"

Jeff Bridges in Hell or High Water
Das Multitalent im Pensionsalter über den neuen Film "Hell or High Water", Trump und seinen Vater.

Von Gabriele Flossmann

Es gibt Filmstars, deren Stern zu sinken beginnt, wenn sie älter werden. Andere dagegen starten dann erst richtig durch.

Seit rund sechs Jahrzehnten steht Jeff Bridges jedenfalls schon vor der Kamera . Der Weg nach Hollywood wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. Er wurde als Sohn des Schauspieler-Ehepaares Lloyd und Dorothy Bridges 1949 in Los Angeles geboren. Mit nur vier Monaten hatte er seinen ersten Filmauftritt: als Baby in den Armen von Jane Grey in "The Company She Keeps".

Im Laufe seiner Schauspiel-Karriere hat Bridges über 60 Filme gedreht. In seiner Paraderolle als Ex-Hippie "The Dude" trieb er sich Kult-Streifen der Coen-Brüder "The Big Lebowski" (1998) am liebsten in Bowlingbahnen herum – mit dem unvermeidlichen Joint im Mundwinkel. Und im Comic-Action-Streifen "Iron Man" (2007) macht er auch als Gegenspieler des Superhelden Robert Downey Jr. gute Figur.

Erst bei der fünften Nominierung gewann Bridges 2010 die Trophäe für das Drama "Crazy Heart". Damals, nach dem Oscar-Gewinn, meinte er: Nun könne er endlich mehr Musik machen.

Ein Jahr später wurde er für seinen Auftritt als versoffener Revolverheld im Western "True Grit" wieder für den Oscar nominiert. Auch für seine Rolle als Texas-Ranger in "Hell or High Water" war Bridges heuer wieder einmal als bester Nebendarsteller für einen Oscar nominiert – den er nicht bekam. Aber ist es wirklich nur eine Nebenrolle, die er in diesem Film spielt? Immerhin drückt er dem modernen Western mit bärbeißiger Lässigkeit seinen Stempel auf. Er spielt den kurz vor der Pensionierung stehenden Texas Ranger Marcus Hamilton, der seine letzte Jagd auf zwei Bankräuber nach seinen eigenen Methoden durchzieht. Die Bankräuber sind zwei Brüder in Geldnot, die auf illegale Weise genau die Summe erbeuten wollen, die sie brauchen, um den Verlust ihrer kleinen Farm zu verhindern. Aus diesen Zutaten schafft David Mackenzie in "Hell or High Water" einen Thriller, der die sozialen Abgründe der Gegenwart aufgreift. Wer wissen möchte, wer die Menschen sind, die Donald Trump gewählt haben und warum: In diesem Film scheinen sie alle versammelt zu sein. Für Jeff Bridges war dieser Film, wie er im KURIER-Interview betont, ein Anlass, auch über das sein Leben und die eigene politische Haltung nachzudenken.

KURIER: Der Drehbuchautor, der Regisseur und auch Sie als Schauspieler dieses Films scheinen bereits die Stimmung jener Menschen, die Donald Trump gewählt haben, erfasst zu haben, obwohl er bereits Monate vor dem Präsidentschaftswahlkampf gedreht wurde. Waren Sie da Hellseher?

Jeff Bridges: Viele sagen, dass dieser Film die politischen Entwicklungen vorweggenommen hat. Aber Donald Trump ist ja nicht aus dem Nichts gekommen! Er ist ein Produkt aus falschen Hoffnungen und Vorurteilen, die schon seit längerer Zeit politisch geschürt werden. Andererseits: Gibt es diese sozialen und gesellschaftlichen Turbulenzen nicht schon seit Jahrtausenden? Leider sind wir Menschen eine sehr egoistische Spezies. Unser Film zeigt die Konsequenzen dieses Verhaltens. Was die persönliche Moral betrifft, so macht es keinen Unterschied, ob es ein Farmer, ein Banker oder der Manager einer Öl-Firma ist, der nur an den eigenen Vorteil denkt. Für die Gesellschaft sind die Konsequenzen umso drastischer, je mehr Geld auf wenige Individuen konzentriert ist.

In "True Grit" von den Coen-Brüdern und auch in diesem Film versetzen Sie einen John Wayne-Charakter in die heutige Zeit und üben damit Kritik am Western-Mythos vom einsamen Helden, der die Weißen vor bösen Indianern und verbrecherischen Outlaws schützt.

Als Schauspieler denke ich nicht an John Wayne oder andere Kollegen, wenn ich mich an eine Rolle heranmache. Ich gehe nur vom Drehbuch aus. Aber während ich mich das sagen höre, denke ich, dass ich bei Western-Rollen doch immer einen bestimmten Schauspieler vor Augen habe: Meinen Vater. Er hat einige Western-Helden gespielt und als ich noch ein Kind war, kam er oft mit Cowboy-Kostüm und -Stiefeln nach Hause.

War Ihr Vater auch ausschlaggebend dafür, dass Sie Schauspieler geworden sind?

Es ist lustig, dass Sie mich das fragen! Denn als ich noch ein Teenager war, sagte mein Vater immer wieder, dass ich unbedingt ins Showbusiness gehen sollte. Aber welches Kind will schon den Ratschlägen der Eltern folgen, oder gar deren Beruf ergreifen! Natürlich hat mich das Heranwachsen in einem Schauspieler-Haushalt geprägt – aber nicht so, dass ich selbst einer werden wollte. In der Schule kann es ein enormer Nachteil sein, Sohn eines berühmten Vaters zu sein, weil manche Lehrer und Mitschüler glauben, dass man sich etwas darauf etwas einbildet. Diese Erfahrung habe ich meinen Töchtern zu ersparen versucht.

Heißt das, Sie haben ihnen von der Schauspielerei abgeraten?

Anders als meine Eltern habe ich ihnen die Karriere im Showbusiness nicht als erstrebenswert geschildert. Ich habe zwar ihre Kreativität gefördert, aber sie gleichzeitig davor gewarnt, darauf ihren Lebensunterhalt aufzubauen. Als meine drei Töchter Anfang 20 waren, habe ich ihnen zwar angeboten, sie in der Schauspielerei zu unterrichten – aber sie haben sich alle anders entschieden. (lacht)

Sie haben als Schauspieler immer darauf geachtet, möglichst vielseitig zu sein und nicht auf einen Typ festgelegt zu werden. Der Dude in "Big Lebowski" haftet Ihnen aber immer noch an. Hat er tatsächlich etwas mit Ihrem wirklichen Ich zu tun?

Nein, der Dude war eine Erfindung der Coen-Brüder – und die sind darin wirklich große Meister. Sie machen scheinbar mit links großartige Filme, aber wenn man mit ihnen arbeitet, merkt man, dass sie sich sehr wohl anstrengen – aber nur zur richtigen Zeit und am richtigen Ort. Was den Lebowski betrifft, so erinnert er mich an meine eigenen Jugendjahre. Damals habe ich mich tatsächlich zu wenig um meine Umwelt gekümmert.

Sie sagten mir einmal, dass es Ihre Philosophie sei, dass alles machbar ist. Gilt das auch für die heutige Zeit?

Ja, ich denke vor allem, dass alles möglich ist. Bis auf Donald Trump! Wir – oder besser gesagt: ich – dachte nicht, dass uns das passieren würde. Zumindest nicht am Beginn seiner Kandidatur – aber je näher die Wahl kam, desto stärker wurden meine Vorahnungen. Heute bekomme ich fast Angst um unser Land, wenn ich ihm zuhöre. Aber andererseits wird auch meine Hoffnung größer, dass er die Amerikaner wachrüttelt – wie mich zum Beispiel! Heute denke ich: Wenn du willst, dass sich etwas ändert, dann hebe deinen Hintern und erhebe deine Stimme.

Wer sind Ihre Vorbilder und Mitstreiter?

Sagt Ihnen Buckminster Fuller etwas? Er war ein Architekt, Konstrukteur, Visionär, Designer, Schriftsteller und vor allem ein Philosoph. Er warnte vor einem "kosmischen Bankrott", der eintreten kann, wenn die Menschen die Zivilisation immer weiter vorantreiben, ohne für Nachhaltigkeit in der Natur und im Zusammenleben sorgen. Er meinte, dass jeder Einzelne dazu etwas beitragen kann, denn alles, was ein Individuum tut, hat Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft. Im Fall von Trump sind vor allem die Frauen meine Vorbilder. Immer mehr Frauen gehen gegen Trump auf die Straße. Jede von ihnen leistet einen Beitrag zum längst fälligen Umdenkprozess.

Wie soll dieser Umdenkprozess aussehen?

Die Politik ist mit einer Ehe vergleichbar – auch mit meiner eigenen. Wenn meine Frau sagt "Ich bin unglücklich!" und ich nicht versuche, sie wieder glücklich zu machen, dann werde ich die Konsequenzen zu spüren bekommen. Und so wird es auch mit der Ehe zwischen Trump und seinen Wählern sein. Die Ironie dabei ist ja, dass er von vielen Menschen gewählt wurde, deren Unglück Typen wie er verursacht haben.

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