Interview mit Veronika Franz und Severin Fiala: Es kann unangenehm werden

Riley Keough, Tochter von Lisa Marie Presley, wird mit ihren Stiefkindern eingeschneit: „The Lodge“
Der neue Psychothriller "The Lodge" von Veronika Franz und Severin Fiala feiert in Sundance seine Weltpremiere.

Veronika Franz und Severin Fiala stehen kurz vor dem Countdown. Ihr Psychothriller „The Lodge“ wird um Mitternacht von Freitag auf Samstag auf dem renommierten Sundance Filmfestival in Utah seine Welturaufführung feiern.

Bis zu letzten Sekunde hätten sie an dem Film gearbeitet und seien nun am Rande der totalen Erschöpfung, erzählt das Regie-Duett bestens gelaunt im KURIER-Gespräch: „Wir haben weder Zeit für Nervosität, noch für Vorfreude. Wir taumeln aus der Fertigstellung hinaus und in die Premiere hinein.“

Ihr erster, in Österreich gedrehter Spielfilm „Ich seh Ich seh“ schlug hohe Erfolgswellen. Bereits mit ihrem nächsten Projekt, der amerikanisch-britischen Produktion „The Lodge“, übersiedelten sie nach Übersee. Gedreht wurde in Kanada, wo Riley Keough – übrigens die Enkelin von Elvis Presley – eine junge Frau spielt, die mit ihren beiden Stiefkindern in einer Hütte eingeschneit wird. Dann passieren seltsame Dinge. Und mehr verraten die beiden nicht.

KURIER: Um Mitternacht findet Ihre Premiere von „The Lodge“ in Sundance statt. Wer wird Ihr Publikum sein?

Veronika Franz: Alle. Filmkritiker, Filmbranche und normales Publikum. Die Amerikaner haben uns erzählt, dass mehr oder weniger die gesamte US-Filmbranche nach Sundance kommt. Das klingt jetzt ein bisschen wie die Diagonale von Amerika (lacht). Früher war Sundance das ehrgeizige Projekt von Robert Redford, eine Plattform für den unabhängigen, amerikanischen Film zu schaffen. Aber in den letzten zehn Jahren hat sich das Programm stark internationalisiert.

Severin Fiala: Das Festival wird auch stark dazu genutzt, Filme zu verkaufen. Es wird nicht nur die Fertigstellung des Films gefeiert, sondern ist auch eine Verkaufsveranstaltung. Im Anschluss an die Vorstellung wird die ganze Nacht bis in die Früh durchverhandelt.

Veronika Franz: Unsere Produzenten wollen weder auf eine Party gehen, noch selbst eine veranstalten, weil sie arbeiten müssen. Aber wir machen trotzdem Party. (lacht)

Interview mit Veronika Franz und Severin Fiala: Es kann unangenehm werden

Severin Fiala und Veronika Franz: „Der Schnee war das größte Problem“

 

Mit Ihrem Spielfilmdebüt „Ich seh Ich seh“ feierten Sie große Erfolge. Nun sagt man, dass der zweite Film immer besonders schwierig ist. Ist der Druck groß?

Severin Fiala: Ja, das hat uns Ulrich Seidl auch gesagt, dass der zweite Film der wirklich schwierige Film sei...

Veronika Franz:...weil der erste ja ein Zufallstreffer gewesen sein könnte. Beim zweiten beweist sich dann, ob man wirklich etwas kann.

Severin Fiala: Aber wir haben ja auch schon eine Doku über Peter Kern (österreichischer Filmemacher, Anm.) gemacht, insofern ist es unser dritter Film. Ich glaube, jeder Film ist schwierig, und es herrscht immer großer Druck.

Sie haben in Kanada eine US-britische Produktion gedreht. Ein großer Sprung nach vorne?

Veronika Franz: Der Sprung nach vorne ist der, dass man mit wahnsinnig tollen Schauspielern arbeitet. Auf diesem Niveau gibt es in Österreich und Deutschland nur eine Handvoll. Dazu kommt, dass man auf Englisch dreht und im Rahmen eines unabhängigen Films das amerikanischen System kennen lernt, ohne gleich für ein riesiges Studio arbeiten zu müssen. Und wir haben sehr viel gelernt, denn die Systeme sind sehr verschieden.

Severin Fiala: Auch die Technik- und Kamera-Crew war großartig: Perfekte Techniker, aber auch wirklich an Kunst interessiert. Unser Budget betrug das drei- bis vierfache von „Ich seh Ich seh“ (der 2 Mio. Euro kostete, Anm.), aber im Geld sind wir trotzdem nicht geschwommen. Es fühlt sich immer so an, als hätte man gerade ein bisschen zu wenig Geld zu Verfügung – egal, wie viel man hat. Und alles war natürlich viel größer: Das Produktionsbüro hatte zehnmal so viele Leute wie in Österreich, die Crew war drei- bis viermal so groß wie für „Ich seh Ich seh“. Das ist ein großer Schritt nach vorne, gleichzeitig aber kommen mit dieser ganzen Maschinerie eine gewisse Behäbigkeit und Bürokratie daher.

Was gab es denn für Ernüchterungen?

Veronika Franz: Wenn wir in einem Haus in der Einöde drehen, wo es sehr kalt ist, hilft es den Schauspielern, wenn man die Heizung ein bisschen herunter dreht. Denn „kalt“ spielen ist schwer. Das haben wir gemacht und am nächsten Tag standen schon die Gewerkschaften da und fragten, unter welch unfassbaren Bedingungen hier gearbeitet wird – wie wir es wagen können, ein Haus auf 12 Grad herunter zu kühlen.

Severin Fiala: Im Vergleich zu Österreich verläuft auch alles sehr bürokratisch, und es gibt unglaublich viele Regeln, an die man sich in Österreich wahrscheinlich nicht halten würde. Aber in Kanada halten sich alle wahnsinnig gern daran.

Veronika Franz: Auch die Rolle des Produzenten ist eine völlig andere, weil es sich um Privatgeld handelt. Insofern entscheidet er alles, etwa, ob man eine Mittagspause verschieben darf, was 10.000 Dollar kosten würde. Wenn es zum Beispiel hagelt, können wir nicht einfach nach draußen laufen und filmen, wie wir es für „Ich seh Ich seh“ gemacht haben, wurscht, ob Mittagspause war oder nicht. Das geht hier nicht. Das sind hier schon andere Hindernisse. Und insgesamt müssen sich die Produzenten in Österreich nicht genieren, was die Organisation eines Drehs betrifft. Das ist hier nicht besser.

Weil Sie von Kälte und Winter gesprochen haben: War der Dreh in Kanada beschwerlich?

Severin Fiala: Womit man leider immer rechnen muss, ist, dass sogar in Kanada der Schnee wegschmilzt – obwohl uns hundertmal Schneesicherheit versprochen wurde. Und wenn man kontinuierlich einen Winterfilm dreht und plötzlich der Schnee wegschmilzt, gerät man ein bisschen in Panik. Wir mussten mit Lkws den Schnee herbei karren, der dann auch wieder geschmolzen ist.

Veronika Franz: Und der neue Schnee sieht anders aus und hört sich anders an. Der Schnee war wirklich das größte Problem.

Welche Rolle spielt eigentlich Alicia Silverstone, berühmt aus der 90er-Jahre Teenie-Komödie „Clueless“?

Veronika Franz: Das kann ich leider nicht sagen. Sie spielt eine kleine Rolle. Wir haben ihr etwas so Ungewöhnliches angeboten, dass sie meinte, sie mache es, weil sie das noch nie jemand gefragt hat. Unser Kameramann Thimios Bakatakis, der lange der Kameramann von Yorgos Lanthimos war, hat uns auf die Idee gebracht. Er kannte sie aus Lanthimos’ „The Killing of a Sacred Deer“, wo sie eine kleine Rolle spielte. Sie ist übrigens unglaublich nett, wie auch alle anderen Schauspieler unglaublich nett und unkompliziert waren.

Offensichtlich spielt auch katholische Religion eine Rolle. Ist das der österreichische „Einschlag“ in „The Lodge“?

Veronika Franz: Wir hatten eine Kuckucksuhr geplant, aber die haben die Ausstatter leider nicht so aufgetrieben, wie wir es wollten (lacht). Ein Journalist meinte nach einem Test-Screening, unser Film sei eine interessante Mischung: Es sei ein amerikanischer Film, aber man merke deutlich, dass er nicht von Amerikanern gemacht wurde. Er ist für Amerikaner ein bisschen weird. Und es gibt so etwas wie einen katholischen Background.

Hatten Sie für „The Lodge“ den sogenannten „Final Cut“?

Veronika Franz: Tja, das war eine Berg- und Talfahrt oder auch eine Himmel- und Höllenfahrt. Grundsätzlich hat man acht Wochen Zeit, selbst zu schneiden, dann gibt man den Film an die Produzenten ab. Wenn es ihnen gefällt, nehmen sie ihn, wenn nicht, schneiden sie um. Wir waren nach acht Wochen noch nicht fertig, und da haben die Produzenten versucht, eine weitere Schnittfassung herzustellen. Letztendlich haben sie ihn uns aber wieder zurück gegeben, und wir haben ihn selbst fertig geschnitten. Das war jetzt übrigens sehr sachlich beschrieben (lacht).

Severin Fiala: Zum Glück ist unser Film so eigen, dass die Produzenten eingesehen haben, dass nur wir ihn schneiden können. Den Produzenten ist wichtig, dass den Leuten der Film gefällt. Für uns ist wichtig, dass der Film funktioniert, und nicht, ob die Leute danach sagen, dass sie ihn gerne mögen. Der Film will ja auch unangenehm sein. Ein Amerikaner, der ihn als Freizeitgestaltung begreift, wird danach vielleicht sagen: „Das hat mir aber keinen Spaß gemacht.“ Aber für uns wäre das genau die richtige Reaktion.

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