Von Macht, Sex und Liebe

APA14053718-2 - 08082013 - INNSBRUCK - ÖSTERREICH: Carlo Allemano (oben) als "Tito Vespasiano", Ann-Beth Solvang (li) als "Annio", Marcell Bakonyi als "Publio" und Kate Aldrich (re) als "Sesto" in einer Szene der Wolfgang Amadeus Oper "La clemenza di Tito" im Rahmen der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik. +++ WIR WEISEN AUSDRÜCKLICH DARAUF HIN, DASS EINE VERWENDUNG DES BILDES AUS MEDIEN- UND/ODER URHEBERRECHTLICHEN GRÜNDEN AUSSCHLIESSLICH IM ZUSAMMENHANG MIT DEM ANGEFÜHRTEN ZWECK ERFOLGEN DARF - VOLLSTÄNDIGE COPYRIGHTNENNUNG VERPFLICHTEND +++ APA-FOTO: RUPERT LARL/INNSBRUCKER FESTWOCHEN
Mozarts "La clemenza di Tito" bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik.

Ein riesiger, weißer, einfacher Stuhl dominiert die Bühne. Er ist nicht nur Thron, sondern auch Richtstuhl und Schlafstätte.

Denn schon bei Ouvertüre rekeln sich dort Titus und Sesto im trauten, beinahe homoerotischen Zusammensein. Von einem Holzkubus, mit hässlichen Tapeten umgeben, ist er nur über eine Leiter erreichbar und wird nach dem Anschlag zu einer Brandruine (Ausstattung: Oliver Helf).

So symbolhaft und völlig zeitlos sieht Christoph von Bernuth „La clemenza di Tito“ von Wolfgang Amadeus Mozart, die Eröffnungsproduktion bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik im Tiroler Landestheater.

Zeitlos sind aber auch die Themen, um die es bei dem beinahe unerträglich, milden Titus Vespasianus geht: Machtbessenheit, sexuelle Hörigkeit, Intrige, Güte und Liebe.

Körperbetont

Obwohl Mozarts letzte Oper als szenisch schwer belebbar gilt, erzählt der Operndirektor der Festwochen dies alles punktgenau und verständlich aus heutiger Sicht mit auffallend körperbetonter Vitalität.

Wenn anfänglich das Volk mit winzigen Fähnchen mit dem Konterfei und Namen des Kaisers winkend auftritt und ein solches auch auf der Stuhllehne gehisst wird, entsteht allerdings der Eindruck einer (unfreiwilligen?) Karikatur. Er versteht es aber ansonsten, viele berührende Momente aufzuzeigen: So etwa, wenn nach dem Anschlag auf das Kapitol, das als schmucklos hässlicher Holzkasten gezeigt wird, der mit sich wegen der Bestrafung seines Freundes ringende Titus sich mit dessen Jacke unter den Resten des Riesenstuhles verkriecht.

Oder wie Bernuth dann die Konfrontation zwischen ihm und Sesto zeigt, so ist dies packendes Musiktheater, wobei auch die tiefe Melancholie der handelnden Figuren enttarnt wird.

Und auch Alessandro De Marchi zeigt diese melancholischen Schatten. Mit dem ziemlich intonationssicheren Originalklangensemble aus dem Piemont, der Academia Montis Regalis lässt er im hochgefahrenen Orchestergraben mit vibratofreien Streichern, mit manchmal etwas stumpfen Farben, mit teils zugespitzten Tempi, aufgeraut, und beklemmender Intensität aber dann auch liebevoll sanft musizieren.

Ungewöhnlich ist die Continuo Begleitung bei den Rezitativen, statt eines Hammerklaviers nur ein Cello und ein Kontrabass, was sich aber durchaus historisch ableiten lässt.

Neues Duett

„Titus“ wurde zunächst zur meistgespielten Mozart- Oper, dies jedoch zunehmend in Bearbeitungen, die dem neuen Geschmack entgegenkamen. In diese Aufführungspraxis im frühen 19. Jahrhundert wählte De Marchi eine Fassung vom Wiener Hoftheater, die damals europaweit gespielt wurde und in der zwei Titus-Arien Mozarts durch Neukompositionen der Opernkapellmeister Joseph Weigl und Johann Simon Mayr ersetzt wurden sowie ein neues Duett von Tito und Sesto dazukam, die sich aber nahtlos in das Werk einfügen.

An erster Stelle des guten Sängerensembles ist Nina Bernsteiner zu nennen, die eine nicht nur rachsüchtige, lüsterne Vitellia mit großer Differenzierungskunst, flexibel und blitzsauberen Koloraturen singt.

Ihr Werkzeug: Sesto, den Kate Aldrich mit ausdrucksstarkem Mezzosopran mit Schattierungsreichtum glaubwürdig singt. Als Servilia ist die bezaubernde Dana Marbach zu erleben. Ann-Beth Solvang gibt einen bubenhaften Annio. Marcell Bakonyi erlebt man mit seinem markigen, fast knorrigen Bass als Publio. Makellos singt der Chor der Academia Montis Regalis.

Und der Titelheld? Carlo Allemano singt ihn, mit schon reifem Timbre aber mit allen Spitzentönen und starker, selbstzweiflerischer Präsenz.

So manche abgestandene Operngeste sollte er sich allerdings abgewöhnen.

Jubel!

KURIER-Wertung: **** von *****

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