Im Zentrum: Politik zum Abgewöhnen

Im Zentrum: Politik zum Abgewöhnen
Dauergegrinse und Teilfakten-Weitwerfen beim Sonntag-Abend-Talk. Lustig war es trotzdem nicht.

*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*

Dieses „Im Zentrum“ hätte eine Steilvorlage für einen lustigen Text werden können. Das wären die vorbereiteten Gags gewesen:
Manfred Haimbuchner: Das nette Antlitz der FPÖ, hat erstaunlicherweise keinen Fake-Kärntnerdialekt, daran werden wir uns noch gewöhnen müssen. Eine Mischung aus Dick Tracy und Humpty Dumpty.“
Wolfgang Sobotka, der schlagzeilengewordene Innenminister.“
Heide Schmidt: Die moralische Instanz, auf die keiner hört. So etwas wie die politische Entsprechung André Hellers.“
Jörg Leichtfried SPÖ: Elektrifzierter Verkehrsminister. Alles auf Schiene.“
Georg Bürstmayr, Menschrechtsanwalt. Also der, der den ganzen Mist mit seinen Klienten ausbaden darf.“

Also: Wie nennt man das, wenn es keine Pointe gibt, aber ständig jemand grinst? Zwei Politiker streiten über Populismus im Fernsehen.

Die thematische Ausgangslage: Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wird, fallen künftig aus der Grundversorgung, wenn sie nicht an ihrer Rückkehr in die Heimat mitwirken. Etwa 3500 haben derzeit einen negativen Asylbescheid. 77400 sind insgesamt in der Grundversorgung.

Manfred Haimbuchner sagt zu Beginn einen Satz, mit dem er einleitet, was in der Sendung in weiterer Folge schief gehen sollte. „Der Titel der heutigen Sendung insinuiert, als wäre Populismus was Negatives.“ Erläuternd: „Das ist die Sprachpropaganda der Linken, der letzten Jahrzehnte.“

SPÖ-Minister Jörg Leichtfried legt (auf blau gemünzt) nach: „Wenn jemand meint, wir brauchen eine EU-Armee, die muss sogar Atomwaffen haben und sich gleichzeitig bei der Frau Le Pen anbiedert, die die EU zerstören möchte und dann noch dazu sagt, wir müssen eh neutral bleiben – das ist für mich Populismus.“ Wir lernen: Populismus ist ein Wort, mit dem wir Realität so konstruieren können, dass immer der andere schuld ist. Eine Art Holodeck des politischen Diskurses.

Der Anwalt Bürstmayr sagt zum eigentlich diskutierten Thema dafür etwas sehr Bildhaftes, das hängen bleibt. „Ich würde das beschreiben mit einem Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer, auf dem es ein bissl geschaukelt hat, ein paar Leute sind seekrank." Der erste Offizier verlange aber "unbedingt eine Eisbergübung, sonst gehen wir unter".

„Ich halte das für höchst zynisch“, sagt übrigens Heide Schmidt zum Fremdenrechtspaket (zugegeben: Das sind noch keine News.): Man würde "den Betroffenen dann noch zu Kriminellen zu stempeln, indem man sagt: Das sind Rechtsbrecher."

Leichtfried plädiert in weiterer Folge dafür, die Sicherheitsdebatte NICHT mit der Asyldebatte „zusammenzulegen“. Im selben Atemzug erzählt er, dass es vermehrt Angriffe auf Zugpersonal gibt.

Haimbuchner hat verstanden, worauf Leichtfried NICHT hinauswollte: „Schauen sie sich das am Linzer Hauptbahnhof an. Der Minister Leichtfried hat es auch bestätigt. Es ist eine Zumutung.“ Eigentor rot, Haimbuchner grinst.

Dass dann noch der grüne Menschenrechtsanwalt Bürstmayr als Einziger ein Taferl zückt, hätte Jörg Haider sicher auch ein Schmunzeln abgerungen. Darauf zu sehen: Die Verurteilungsrate der vergangenen Jahre. Sie sinkt und sinkt und sinkt.

Sobotka (grinst kurz nicht) hält dagegen: „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar.“ (Grüße vom Holodeck.) „Ich sehe wie die Kriminalität oder wie sich gewisse Deliktgruppen entwickeln. Und da muss man darauf reagieren.“ Und überhaupt, erklärt er zu den Drogendealern (die durch eine Regierungsnovelle kurzzeitig unabsichtlich eine Art Freibrief bekommen hatten): „Der Rechtsstaat war wehrlos.“ Eh. Aber das lag in dem Fall weder an Polizei noch an den Dealern. Sondern an schlampiger Legistik, die mittlerweile repariert ist.

Ein Einspieler aus den 90er-Jahren: Jörg Haider hat das Ausländervolksbegehren angeschoben. Schmidt trat damals aus der FPÖ aus. Heute ist rot-schwarz inhaltlich weiter als Haider damals gefordert hat. Was ist da passiert? „Statt ihr (der FPÖ, Anm.) etwas entgegenzusetzen hat man gemeint, das eine oder andere übernehmen zu müssen, ohne es an den eigenen Grundsätzen zu messen“, erklärt sich das Schmidt „… und daher erleben wir auch den Populismus der Regierung.“

Haimbuchner: „Da haben Sie recht, dass das ein Populismus der Regierung ist, das stimmt…“

Schmidt „Isses auch.“

Haimbuchner „…weil wir machens authentisch und den Populismus die Regierung. Geb' ich ihnen recht.“

Schmidt redet weiter.

Haimbuchner fällt auf einmal ein, dass er bisher offenbar noch zu sachlich war: „Sie haben sich ein Lehen erkauft mit dem Austritt aus der FPÖ.“

Schmidt (leicht irritiert): „Das wollen wir nicht näher erörtern, weil die Tiefe ihrer Diskussionsart ist mir bekannt“.

Haimbuchner „Sie kennen mi gar net.“ Er grinst.

Schmidt zu Sobotka: „Ich fürchte, dass wir damit einen Zauberlehrling schaffen, den wir nicht mehr loswerden.“

Sobotka: „Das weise ich zurück, dass ich die Stimmung aufheize.“ Er grinst nicht.

Leichtfried (grinst): „Zurückgewiesen.“ Und: „Wenn es für mich einen Feind gibt, sind es nicht die politischen Mitbewerber, sondern die Arbeitslosigkeit.“

Eine KURIER-Karikatur von Michael Pammesberger wird eingeblendet: Rechts vom Innenminister ist darauf kaum mehr Platz. Endlich eine Pointe!

„Es gibt durch das Internet eine derartigen Missbrauch des Asylrechts“, sagt Sobotka dann. Die Menschen würden sich die Zielländer nach den Sozialleistungen aussuchen (nachdem sie ihre Siebensachen aus den Bombentrichtern zusammengekratzt haben).

Bürstmayr, der bis an diese Stelle noch kein einziges Mal gegrinst hat, wird erstmals richtig grantig: „Ich rede seit 20 Jahren mit diesen Menschen und muss sie am Ende des Verfahrens aufklären, was sie für Leistungen bekommen. Ich habe 20 Jahre Erfahrung in diesem Gebiet. Seien’s mir nicht bös. Es ist einfach nicht wahr, dass diese Leute hier Asylumshopping betreiben.“

Sobotka liest daraufhin aus Aussagen von Asylwerbern vor: „Man hat mir versprochen, dass ich in Österreich sofort arbeiten und Geld verdienen kann.“ (Offenbar ist so jemand für ihn ein Gauner.) „Ich möchte in Österreich meine Schule machen.“ (Saloppe Vermutung: Wahrscheinlich hat der Flüchtling gelesen, dass Bildung hierzulande wegen der nicht vorhandenen Sachpolitik in dem Bereich immer noch vererbt wird.) Endlich kommt er zu einem Zitat eines Flüchtlings, das auch wirklich einen negativen Bescheid begründet: „Ich bin nicht verfolgt worden, aber ich möchte hier leben und arbeiten.“ Also: Abschieben in die Heimat, oder?

Schmidt: „Die nehmen ihn nicht, das wissen Sie doch ganz genau!“

Sobokta: „Wer sagt denn das?“ Er grinst. Gefühlt einmal zuviel. Denn an dieser Stelle muss man sich fragen, wieso sich der Minister in eine Diskussionsrunde setzt, wenn er allgemein bekannte Fakten ignoriert und das noch für einen Gag hält. Denn natürlich ist es ein Riesenproblem, dass viele Ursprungsländer auf Durchzug schalten, wenn es darum geht, ihre Migranten wieder aufzunehmen.

Haimbuchner lässt jetzt einen Satz vom Stapel, der derart perfide ist, dass man ihm fast gratulieren müsste, wenn er nicht so grausam wäre: Wenn Österreich alle Welt aufnehmen würde (haben wir eh nicht vor, aber gut), „dann brauchen wir nicht von Menschenrechten sprechen, dann gibt es bei uns bald keine Bürgerrechte mehr.“ Also: Bürger haben mehr Rechte als Menschen. Grins?

Und dann: „Das ist ein Regierungs-Blabla, was sie da abliefern.“

Sobotka, versucht besonders cool zu sein, stützt das Gesicht auf den Arm und stellt die Mimik auf lustig: „Könnte es sein, dass die Umfragen sinken und sie so nervös sind, Herr Haimbuchner?“

Haimbuchner, strahlt ihn im Gegenzug besonders geistreich an: „Für die ÖVP gilt das derzeit. Sie wirken relativ nervös, wenn es um diese Themen geht.“

Fazit: Haha. (Not.)

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