„Ich mach mir mein eigenes Buch“

Buchpiloten
Lehrer und Künstler verfassen mit Kindern ein Buch samt Cover und Illustration

Ein Zwerg mit roter Nase und riesigen Schuhen, und der sitzt in einer Kiste, nein, gleich in einem ganzen Kistenwald!“ Wer den Kindern aus der 3. Volksschulklasse an diesem Vormittag zuhört, muss seine Vorstellungskraft schon ordentlich anstrengen, so schnell fliegen da die Gedanken in alle Richtungen. Jedes Kind hat nämlich eine andere Idee.

In der Schreib-Werkstätte „art space“ in Wien-Hernals sitzen knapp 20 Achtjährige in einer bequemen Landschaft aus Pölstern und Tüchern und überschlagen sich fast vor lauter Einfällen. Doch eine behält den Überblick: Die Moderatorin Constanze Reimitz steht vor den Kindern und fängt alles ein, was da an Ideen von allen Seiten in die Runde geworfen wird. Später soll aus ihren Fantasiegeschichten eine komplette Geschichte werden. Jedes Kind schreibt seine Ideen in sein Buch.

Live-Geschichte

Constanze sammelt, fragt nach und fügt alle Ideen in die Geschichte ein, die da sozusagen live am Vormittag entsteht. Denn dass sie wirklich entsteht, und auch zu Papier gebracht wird, dafür hat sich rund um Constanze ein ganzes kreatives Team gruppiert.

Gleich neben ihr sitzt, den Laptop vor sich, die Autorin, die heute mit den Kindern arbeitet. Sie fasst die einmal erfolgreich zu einer Handlung verknüpften Ideen in druckreife Sätze, die auf einem großen Bildschirm, für alle lesbar, erscheinen. Dass die Sätze trotzdem manchmal wild vor sich hin wuchern können, macht die Bücher, die da in Gruppenarbeit an einem Vormittag entstehen, so einzigartig. „Wir versuchen den Kindern möglichst viel Freiheit zu geben bei dem, was sie sich gemeinsam zusammendichten“, erklärt Reimitz das Projekt „Buch-Piloten“.

„Und wenn einer gar nichts sagen will, dann kann er das auch.“ Nicht nur die Moderatorin und Autorin, auch ein eigener Illustrator kümmert sich gleich vor Ort um die Gedanken, entwirft Zeichnungen passend zum entstehenden Buch.

SOS des Piloten

Jeder Vormittag beginnt mit einem „dramatischen Notruf des Buch-Piloten-Beobachtungsfliegers: „Pan-Pan. Neue Geschichten werden gebraucht“, fordert er die Kinder auf. Zum Check-in erhalten die Schüler Piloten-Kostüme und einen Buch-Piloten-Schein: Jetzt kann die neue Crew mit ihren Einfällen starten.

Wenn die Handlung dann richtig Fahrt aufgenommen hat und die Fantasiewesen und ihre Abenteuer dann auf einem großen Bildschirm erscheinen, können alle Kinder den Beginn der Geschichte lesen. Die Moderatoren lenken die Geschichte so, dass der Höhepunkt der Geschichte für alle gleich ist. Von nun an schreibt jeder Schüler und jede Schülerin eine eigene Version auf eine Postkarte – und die ist gleich der Einstieg in das persönliche Ende, das die Geschichten bekommen, samt selbst gezeichnetem Titelblatt, etwa der „Bananen spuckende Vulkan“ von Büsra, 8.

Ein spezielles Druck- und Bindeverfahren macht es möglich, dass schon innerhalb weniger Stunden die fertigen Bücher da sind: Jedes ein Unikat mit eigenem Titel, einem eigenen Ende – und dem Namen des Autors vorne drauf.

Fantasievoll

„Ich mach mir mein eigenes Buch“, platzt es voll Stolz aus vielen Kindern heraus. Die Lehrerinnen sind begeistert, was da an Ideen aus ihren Schülern heraus kommt. Und die Autoren sowie Illustratoren bei „art space“ können sich oft nur wundern, was man mit Kindern alles herbeidenken kann. Und sie schmunzeln über Formulierungen wie „Wolken machen gar nichts, sie sind wie ein Schwamm“.

Weil es allen Kindern Spaß macht und sie dabei spielerisch lernen, sich auszudrücken, wird derzeit überlegt, die Schreib-Werkstätte zu einer ständigen Einrichtung zu machen.

Volksschüler erarbeiten gemeinsam mit Autoren und Illustratoren ihre eigene Geschichte. Rund 300 Schüler aus Wiens 16. und 17. Bezirk haben sich dazu bereits

außerhalb der Schule getroffen. Am Ende wird jedes Werk aufgezeichnet und gedruckt. Jeder Schüler erhält sein Buch und darf es mit nach Hause nehmen.

Das Projekt „Buch-Piloten“ vom „Verein mit gutem Grund“ gilt als vorbildliches Integrationsprojekt und wurde mit dem Social Impact Award 2013 prämiert.

Alle Geschichten der Jungautoren und Jungautorinnen sind demnächst auch im Internet nachzulesen.

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