Tyler selbst ging es im Lockdown sehr gut. Sorgen macht sie sich um ihre Musiker, die sich mit Studio-Produktionen über Wasser halten, und noch mehr um ihre Crew-Mitglieder, die jetzt bei Amazon arbeiten müssen. „Ich selbst habe ein privilegiertes Leben: Ich bin im März in unser Haus in Portugal geflogen und hier geblieben. Da habe ich einen Pool und habe schwimmen gelernt. Und ich habe viel gekocht, Kuchen und portugiesische Gerichte gemacht.“
Aber es ist nicht nur ihr jetziges Leben, das Tyler als Privileg sieht. Gefragt, welche Phase ihrer Karriere ihr die liebste war, nennt sie zuerst die 80er-Jahre, schiebt dann aber schnell nach, dass sie in den sieben Jahren, bevor sie berühmt wurde, auch sehr glücklich war. „Ich wollte immer nur singen und die Frontfrau einer Band sein. Als ich das hatte, habe ich meinen Traum gelebt und wollte nichts anderes. Ich sang sechs Abende in der Woche in den Pubs in Wales. Es war nicht viel Geld, vielleicht zehn Pfund, die jeder in der Band an einem Abend verdiente. Aber das war mehr, als ich in diesem Alter als Verkäuferin in einem Laden verdient hätte.“
Kein einziges Mal dachte sie deshalb damals daran, auch Alben aufzunehmen. Das kam erst, als 1976 ein Talentscout nach Swansea kam, um sie im Pub zu hören, und sie mit den Songwritern ihrer späteren Welthits „Lost In France“ und „It’s A Heartache“ zusammenbrachte. Weitere Chartsrenner wie „Holding Out For A Hero“ und „Bitterblue“ folgten.
Kurz nach dem Durchbruch wurde eine Stimmbandoperation erforderlich. Die machte Tylers Stimme noch rauer und rauchiger. „Das hat mich nicht gestört. Meine Mutter hat sich damals große Sorgen gemacht. Ich selbst bin erst danach draufgekommen, was für eine riskante OP das war. Für mich war das Schlimmste daran, dass ich danach nicht sprechen durfte!“
1983 war Tyler mit „Total Eclipse Of The Heart“, einem Song von Jim Steinman, den sie Meat Loaf weggeschnappt hatte, für einen Grammy nominiert. Dafür in Los Angeles bei der Verleihung gewesen zu sein, sagt sie, war ein Höhepunkt in der Karriere. „Ich sang den Song dort live. Lionel Richie und Michael Jackson saßen dabei direkt vor mir. Oh Gott, ich war so nervös. Ich habe verloren, den Grammy bekam Michael Jackson für ,Billie Jean´. Aber das ist okay, da war ich doch in toller Gesellschaft.“
Heute macht Tyler Alben nur mehr, um neue Songs für die Bühnenshows zu haben. Nach wie vor lässt sie sich die von arrivierten Songwritern schreiben: „Ich selbst bin darin nicht gut. Und ich habe tolle Leute, die mir für dieses Album Songs wie ,Stronger Than A Man’ und ,Stuck To My Guns´ auf den Leib geschrieben haben. Sie verstehen, worum es mir geht.“
Musste sie in dem damals noch viel mehr von Männern dominierten Business stärker als Männer sein? „Ich habe damit gemeint, dass diese Songwriter wissen, dass ich dieses Rockfeeling liebe. Ich selbst hatte nie Probleme mit dominanten Männern, oder Erlebnisse wie die, von denen Künstlerinnen während der #MeToo-Bewegung berichtet haben. Ich weiß auch nicht wieso. Vielleicht, weil ich so eine kräftige Stimme habe. Vermutlich haben sie gedacht: Mit der leg ich mich besser nicht an!“
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