"Human Flow" von Ai Weiwei

Szenenbild aus "Human Flow".
Ai Weiweis Flüchtlings-Doku „Human Flow“ ein erster Tiefpunkt im Wettbewerb.

"Tausche mein Studio in Berlin gegen dein Zelt": Kein besonders gelungener Witz, den der chinesische Großkünstler Ai Weiwei gegenüber einem geflüchteten Syrer macht. Zwar lacht der Mann, und die Pässe werden – „zum Spaß“ - getauscht. Doch dieser missratene Versuch von Ai Weiwei, sich gegenüber Flüchtlingen als „einer von ihnen“ zu stilisieren, ist symptomatisch für einen rundum gescheiterten Film. Dementsprechend bildet seine 140-minütige Doku „Human Flow“ über globale Flüchtingsströme einen ersten Tiefpunkt im Wettbewerb von Venedig.

Ai Weiwei interessiert sich nur wenig für einzelne Schicksale dislozierter Menschen, die mittellos durch die Fremde ziehen und dann vor Stacheldrähten scheitern. Zwar dürfen einige Protagonisten in angerissenen Sätzen von den miserablen Umständen in ihrer Heimat erzählen. Doch letztlich will der Künster das ganz große Bild malen, ein Gesamtkunstwerk, sozusagen: Immer wieder lässt er die Kamera von möglichst weit oben über Flüchtlingslager schweifen und so geometrische Bilder zeichnen, in denen die Menschlein nur kleine Ameisen darstellen. Dazwischen reiht er wahllos Bilder von Flüchtenden aneinander, sei es im Schlauchboot am Mittelmeer, an der mexikanischen Grenze oder im ungarischen Auffanglager.

Kein Ort der Welt, wo Ai Weiwei nicht ist. Doch gerade der Anspruch, über Migrationsströme auf der ganzen Welt zu erzählen, macht „Human Flow“ zur überbordenden Allerwelts-Doku, die nur ein diffuses Gefühl von Empathie hinterlässt. Ganz besonders Ai Weiweis Bemühungen, sich unter seine Protagonisten zu mischen – von denen er sich beispielsweise im Flüchtlingslager die Haare schneiden lässt oder mit ihnen über Obstpreise verhandelt – lässt ihn weniger solidarisch, als vielmehr eitel erscheinen: als einen Künstler, der sich der Autorenschaft versichert, indem er sich selbst in die Bilder menschlichen Elends einschreibt.

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