Houellebecq: Der "halbe Prophet" über das Ende des IS

Michel Houellebecq, Archivbild
Michel Houellebecq erhielt den Schirrmacher-Preis. In seiner Dankesrede war der Islam in Europa wieder ein Thema.

Der französische Schriftsteller und Intellektuelle Michel Houellebecq erhielt Montagabend den Frank-Schirrmacher-Preis. Seine Dankesrede in Berlin nützte für einige Gedanken, unter anderem über die Grausamkeit des Dschihadismus.

In seinem Roman "Unterwerfung" aus dem Jahr 2015 hatte der streitbare Autor eine Zukunftsvision des Alten Kontinents nach "der Machtergreifung eines moderaten Islams" entworfen. Weil das Buch am Tag des Anschlags auf Charlie Hebdo in Paris erschien, und er obendrein am 11. September 2001 ein Interview zum Thema Dschihadismus gegeben hatte, werde er mitunter als Prophet betrachtet, sagte Houellebecq in seiner Rede. "Ein Prophet im halben Sinne des Wortes, ein Prophet, dessen Vorhersagen sich nur sehr langsam realisieren."

Von der Französischen Revolution zum "Islamischen Staat"

Der Islam war denn auch das zentrale Thema. Angesichts der Grausamkeiten der Schergen des "Islamischen Staats" zieht Houellebecq Parallelen zu einer nicht minder grausamen Zeit. Die Massaker während der Französischen Revolution dürften jenen der zeitgenössischen Terroristen tatsächlich um nichts nachgestanden sein. Köpfeabschneiden war damals schon in Mode, in der Kiste unter der Guillotine oder auf der Pike. "Da sind die abgeschlagenen Köpfe, die man zum Kegeln benutzte; die Kinder, die ihren Eltern das Grab schaufeln mussten. Wiederholte Szenen, in denen der Helfer des Henkers einen von der Guillotine herabgefallenen Kopf zurückholt, um ihn unter den Anschuldigungen des Publikums zu ohrfeigen", sagte Houellebecq. "Neben den französischen Revolutionären erscheinen die Menschen des Islamischen Staates beinahe zivilisiert."

Plötzliches Ende

Der Mensch werde zur Grausamkeit fähig, "weil er durch einen Glauben beseelt ist; meistens religiös, mitunter revolutionär." Das verbindet die Schlächter von Al-Rakka mit jenen von Paris des 18. Jahrhunderts. Aber Houellebecq führt eine weitere Beobachtung ins Treffen, die bis heute rätselhaft erscheint und vielleicht sogar Rückschlüsse auf das Ende der Terrormiliz zulässt. Denn die Gewalt und Grausamkeit der Französischen Revolution habe plötzlich aufgehört.

"Warum wurden die Menschen mit einem Schlag dieser Blutorgie überdrüssig? Darüber wissen wir nichts. Mit einem Mal, ohne ersichtlichen Grund, ließen die Menschen nach, und die Gier nach Blut verschwand. Und vielleicht wird einfach so, ohne wirklichen Grund, auf konfuse Weise und wenig spektakulär auch der 'Islamische Staat' enden."

Die Dankesrede in voller Länge

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