Horváths "Kasimir und Karoline" als Performance ohne Horváth

Performance mit Laien und Schauspielschülern im Oktoberfestmüll: „Kasimir und Karoline“ im Großen Studio des Mozarteums
Salzburger FEstspiele: Horváths "Kasimir und Karoline", von der New Yorker Gruppe 600 Highwaymen arg missbraucht.

Wenn das Theater einen Kommentar zur Arbeitslosigkeit und den Auswirkungen auf das Individuum abgeben will, greift es gerne auf Ödön von Horváths "Kasimir und Karoline" aus dem Jahr 1932 zurück. Das "Volksstück" spielt, so die Anmerkung des Autors, "in unserer Zeit". Man tut sich allerdings schwer, den Szenenreigen in die Gegenwart zu verlegen. Denn nicht nur der Zeppelin, der seine Schleife über der Oktoberfestwiese zieht, gehört längst der Vergangenheit an.

Die Ängste und Sorgen des arbeitslosen Chauffeurs Kasimir hingegen sind zeitlos. Gleiches gilt für die Weisheit des Zuschneiders Schürzinger: Die Menschen würden "durch unser heutiges wirtschaftliches System gezwungen, egoistischer zu sein, als sie es eigentlich wären". Eine Aktualisierung täte daher gar nicht Not.

Doch Bettina Hering, die Schauspielchefin der Salzburger Festspiele, verpflichtete als Regisseure das New Yorker Duo Abigail Browde und Michael Silverstone, das sich als 600 Highwaymen auf partizipative Theaterprojekte spezialisiert habe. Den beiden sagte Horváth aber so gut wie nichts, sie sprechen auch kein Deutsch. Daher wurde das Stück übersetzt, überarbeitet – und rückübersetzt. Aus "Ödön von Horváth: Kasimir und Karoline", wie im Programm angekündigt, wurde, so das Titelblatt der Spielvorlage, "Kasimir und Karoline von 600 High-waymen. Verfasst von Abigail Browde und Michael Silverstone, in Zusammenarbeit mit Saša Čelecki ... "

Von Horváths kunstvoller Umgangssprache sind daher nur Fragmente übrig geblieben. Im Original sagt zu Beginn ein deprimierter Kasimir zu seiner erlebnishungrigen Karoline: "Gestern abgebaut und morgen stempeln, aber heut sich amüsieren, vielleicht gar noch mit lachendem Gesicht!" Die Neufassung lautet schlicht: "Gestern wurde ich entlassen und heute soll ich mit dir lachen und mich amüsieren."

Etikettenschwindel und Simplifizierung sind aber nicht die einzigen Ärgernisse. Denn Browde und Silverstone haben für ihr partizipatives Projekt 23 Bewerber ausgewählt. Aber nur etwa die Hälfte sind Laien (Schüler und Pensionisten): Die andere Hälfte besteht aus Jungschauspielern, gleich sechs von ihnen besuchen das Mozarteum. Das führt zu einem seltsamen Ungleichgewicht. Denn natürlich merkt man im Großen Studio des Mozarteums sofort den Unterschied zwischen den Gruppen.

Er will weinen

Browde und Silverstone besetzten nur die Nebenfiguren mehr oder weniger typgerecht: Fast jede oder jeder darf einmal Kasimir oder Karoline sein. Das ist zumindest demokratisch. Und da die Laien wohl überfordert wären, Stimmungslagen mimisch zum Ausdruck zu bringen, wenden die Regisseure einen simplen Trick an: Ihre Textfassung verbalisiert der Einfachheit halber die Gedanken. Der Kasimir-Darsteller sagt daher: "Er will weinen, aber er weiß nicht wie."

Auf der nüchternen, von einer Brüstung eingefassten Spielfläche aus Holzbrettern (von Anneliese Neudecker) geht es zumeist auch nicht um Interaktion: Die Akteure sprechen den Text frontal zum und ins Publikum, sie ergänzen ihn mit durchchoreografierten Armbewegungen. So ließe sich auch jede Elfriede Jelinek aufführen.

Mit Fortdauer gewinnt die Inszenierung an Spannung, die Lichtstimmungen (von Annette Dell’Aere) werden gelber und düsterer, es ergießt sich Oktoberfestmüll, und immerzu sticht ein brillanter Sebastian Schneider als panisch werdender Kasimir heraus. Ein Ärgernis bleibt das Projekt dennoch.

Der Eintrittspreis ist für die sicher nicht festspielwürdige Produktion mit 38 Euro eine Zumutung.

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