Hoffmanns Verzählungen an der Wien

Hoffmanns Verzählungen an der Wien
William Friedkins Neuproduktion von Offenbachs "Les contes d'Hoffmann" im Theater an der Wien geriet zu einer Aufführung voller Irrtümer.

Irrtum Nummer 1: Ein renommierter Filmregisseur, der sogar den Oscar gewonnen hat (1971 für "French Connection"), ist Garant für einen szenisch packenden Opernabend.
Was Horrorspezialist William Friedkin im Theater an der Wien zeigt, ist langatmiges Steh-Theater mit überraschend wenigen Effekten, naiv anmutenden Filmsequenzen und einer Personenführung wie aus dem Handbuch für Opernklischees.

Er wolle "Hoffmanns Erzählungen" von Jacques Offenbach als ewigen Kampf zwischen Gut und Böse darstellen, sagte Friedkin im Vorfeld – das gelingt bestenfalls im Ansatz. Die Lichtregie (gerade davon durfte man sich von einem Filmemacher viel erwarten) wirkt simpel, das Nacktbild im Venedig-Akt allzu plakativ. Die unattraktive Bühne (Michael Curry) dient nur zur oberflächlichen Bebilderung.

Dass Friedkin das "Don Giovanni"-Finale mit Auftritt der Sängerin Stella inszeniert, ist aus dem Libretto erklärbar. Dass aber die Spiegelarie dem Werk vorangestellt wird, ist unlogisch.

Irrtum Nummer 2: Riccardo Frizza ist ein adäquater Dirigent für eine Wiener Toppremiere.
Der Italiener am Pult der Symphoniker lässt dynamische, dramatische Akzente vermissen. Seine Tempi sind gewöhnungsbedürftig, sogar die Ballade vom Zwerg Kleinzack wackelt von vorn bis hinten. Die musikalischen Schwächen sind sogar das größte Problem der Aufführung. Dieser "Hoffmann" ist seicht statt tiefgründig.

Irrtum Nummer 3: Eine eigens für das Theater an der Wien erstellte Fassung der erst nach dem Tod von Offenbach uraufgeführten Oper ist schon allein deshalb faszinierend, weil sie jüngste Forschungen berücksichtigt.
Abgesehen von der Absurdität mit der Spiegelarie zu Beginn statt im Venedig-Akt: Man hätte vieles streichen können, ja sogar müssen – dreieinhalb Stunden sind für "Hoffmann" viel zu lang. Vor allem das Finale mit der diesfalls singenden Stella ist dick aufgetragen und ignoriert völlig, dass Stella nur eine Projektionsfläche, ein Idealbild ist. Auch dass Hoffmann in dieser Regie altert, funktioniert als Kunstgriff nicht, weil Hoffmann seine Erzählungen ja nicht nochmals durchlebt.

Irrtum Nummer 4: Ein fabelhafter Tenor wie Kurt Streit ist automatisch auch ein guter Hoffmann.
Dafür fehlen ihm die Abgründe, die Brüche. Die Partie scheint ihm auch zu hoch zu liegen. Er singt den Dichter (immerhin mit einem an das Original erinnernden Bart) zu brav, zu wenig facettenreich. Den inneren Kampf spürt man nicht.

An dieser Aufführung ist aber freilich nicht alles fragwürdig: Aris Argiris vermittelt in seiner Gestaltung der Bösewichte darstellerisch Dämonie und agiert stimmlich kraftvoll. Mari Eriksmoen hat im kleinen Theater genügend Stimme und Koloraturen für die Olympia. Juanita Lascarro fehlt für die sensible Künstlerin Antonia einiges an Ausstrahlung, Angel Blue beeindruckt als verführerische Giulietta. Roxana Constantinescu ist immerhin quirlig als Muse/Nicklausse, Andreas Conrad amüsant in den Dienerrollen. Die meisten Nebenfiguren sind stark unterbesetzt.

Im Juni kommt eine Serie mit Marlis Petersen in den drei großen Frauenrollen. Das wird sicher interessanter.

KURIER-Wertung: ** von *****

 

Fazit: Steh-Theater an der Wien

Hoffmanns Verzählungen an der Wien

Das Werk
"Les contes d’Hoffmann" von Offenbach, 1881 in Paris uraufgeführt. In Wien wird eine neue Fassung (Herausgeber: Michael Kaye, Jean-Christophe Keck) gespielt. Striche wären wichtig gewesen.

Die Produktion
Hollywood-Regisseur William Friedkin hat zum Werk nichts Neues zu sagen – zu sehen ist langatmiges Steh-Theater. Auch das Dirigat (Riccardo Frizza am Pult der Symphoniker) enttäuscht. Kurt Streit ist kein idealer Hoffmann.

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