Helmuth Lohner: "Ein grauenvolles Wischiwaschi!"

Helmuth Lohner: "Ein grauenvolles Wischiwaschi!"
Der große Komiker und Charakterdarsteller über Heiner Müller, Hans Neuenfels, die Oper, die Liebe und die Politik.

So zärtlich der große Komiker und Charakterdarsteller über Theater spricht, so wütend wird er beim Thema Politik: Helmuth Lohner im Gespräch vor der Premiere in der Josefstadt (Donnerstag).

KURIER: Wie laufen denn die Proben?

Helmuth Lohner: Ganz gut! Und wenn ich „ganz gut“ sage, ist das nicht abwertend gemeint. Ich gehöre nicht zu denen, die von einem Arbeitsprozess schwärmen (lacht). Da könnten leicht für die Zuschauer Enttäuschungen entstehen – die sagen dann vielleicht „so gut, wie er behauptet ist, ist es auch wieder nicht“. Aber es sind gute Proben.

Von einem schwierigen Stück.

Helmuth Lohner: "Ein grauenvolles Wischiwaschi!"
Es ist wirklich schwer! Bei den zeitgenössischen Autoren findet man das ja sonst kaum: Heiner Müller hat eine richtige klassische Sprache verwendet, für fast banale, anzügliche Dinge. Man hat fast das Gefühl, man liest Schiller.

Wie ist diese Rolle für Sie? Hat Sie diese Figur gleich interessiert?

Eigentlich ja! Die Idee kam von Hans Neuenfels – er hat gesagt, ich soll das spielen. Darauf habe ich vorgeschlagen: Machen wir es zusammen. Und die Josefstadt hatte Interesse daran.

Warum haben Sie und Neuenfels noch nie zuvor zusammen gearbeitet?

Wir kennen uns seit ewigen Zeiten, aber es ist unsere erste gemeinsame Arbeit. Wir haben immer wieder über Dieses oder Jenes gesprochen, aber Hans Neuenfels war zuletzt sehr mit dem Musiktheater beschäftigt.

Sie sind ja beide Opernregisseure.

Wir haben natürlich viele gemeinsame Gesprächsthemen. Ich bewundere ihn sehr, aber mir würde man diese Inszenierungen nicht glauben. Ich suche halt meinen anderen Weg, in der Überdeutlichkeit, in der genauen Suche. Etwas dazu zu erfinden, das widerstrebt mir, das geht nur,wenn es sich logisch ergibt. An Ideen würde es mir ja nicht mangeln, aber es wäre mir unmöglich, den „Rosenkavalier“ ins 21. Jahrhundert zu verlegen. Es gibt Stücke, wo man das ohne weiteres machen kann – beide Verdi schlummert das geradezu.

Heiner Müller schreibt ja als Zeitangabe für „Quartett“ sowohl „Salon vor der französischen Revolution“ als auch „nach dem Dritten Weltkrieg“.

„... in einem Bunker“! Die beiden sind auf eine gewisse Weise Eingeschlossene. Und total voneinander abhängig. Ihre Spiele erhalten sie am Leben. Ob es nun Hass ist, oder Liebe, oder Zusammengehörigkeit, oder totale Abhängigkeit. Ich glaube eher Letzteres.

Sie leben in der Vergangenheit.

Und sie müssen sich gegenseitig ärgern, quälen, beleidigen.

Glauben Sie, sind Beziehungen in der realen Welt auch so?

Wer kennt nicht Paare, die nur streiten, bis aufs Blut? Aber wehe, jemand ergreift Partei – dann werden die beiden sofort eine Einheit. Es klingt pathetisch, aber auch das ist eine Form der Liebe ... man schämt sich schon, wenn man das Wort aussprechen will.

Warum eigentlich?

Ja, warum eigentlich? Unsere Zeit ist ein bissl so geworden.

Früher hätte man sich da nicht geschämt.

Helmuth Lohner: "Ein grauenvolles Wischiwaschi!"
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Aber wo! Wobei: Ich habe das Wort nicht oft verwendet (lacht).

Ich nehme an, für Schauspieler sind die virtuos gebauten Rollenwechsel zwischen den beiden Figuren besonders reizvoll.

Wenn zum Beispiel er sich in den Verführer verwandelt und sie sich in die verführte Nichte – da sind sämtliche Register der intellektuellen Verführung drin. Und umgekehrt: Wenn sie sich in den Valmont verwandelt und er ist eine Madame der Gesellschaft – da sind so viele Argumente nötig, damit sich die sexuelle Vereinigung erfüllen kann. Das ist sehr gut geschrieben von Heiner Müller.

Das Stück ist auch sehr komisch.

Man darf es nicht benutzen – aber es schlummert ein bisschen was von der Klamotte da drin.

Das ist doch herrlich für Sie als Komödiant: Ganz knapp an der Klamotte vorbei gehen.

Ja, aber es darf nicht zu viel werden!

Wie ist die Zusammenarbeit mit Elisabeth Trissenaar?

Wir kennen einander, wir kennen unsere Töne, wir haben uns immer geschätzt.

Hans Neuenfels ist ihr Mann, die beiden arbeiten seit vielen, vielen Jahren zusammen. Ich stelle mir das fast merkwürdig vor, wenn man als Dritter zu diesem Team dazu kommt.

Dennoch: Man merkt bei der Arbeit nie, dass sie schon 40 Jahren miteinander verheiratet sind. Höchstens in den Pausen kommen dann zwei, drei private Töne dazu, eheliche (lächelt).

Sie waren selbst Theaterdirektor. Was sagen Sie zu den laufenden Finanz-Affären rund um das Burgtheater?

Ich kenne Frau Stantejsky von meinen Burgtheaterzeiten, und ich kann mir kaum ein netteren und ehrlicheren Menschen vorstellen als sie. Man erfährt ja leider nicht, was konkret los war! Leider macht das alles kein gutes Bild, gerade in Sparzeiten.

Wie wird das weitergehen? In Sparzeiten ist es ja nicht populär, den Theatern wieder die Inflation abzugelten.

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Leiden wird der Spielplan. Ich finde das ja alles merkwürdig, diese Sparpläne. Da werden Ministerien zusammengelegt und Etats gekürzt. Dabei handelt es sich um außerordentlich wichtige Ministerien. Bildung und Kunst und Forschung sind meiner Meinung das wichtigste überhaupt. Die Regierung darf doch nicht verlangen, dass jene, die Kunst und Kultur produzieren und die Schaufenster des Staates erhalten, jetzt nur noch am Bettelstab gehen! Wir reden hier doch vom Spiegel eines Landes!

Sie sehen die Politik offenbar sehr kritisch.

Ich kann schon gar nicht mehr hinschauen, wenn ein Politiker im Fernsehen ein Interview gibt. Ich kann diese Sprechblasen nicht mehr sehen! Es ist so ein grauenvolles Wischiwaschi, was die zusammenreden! Und sie stehen da, dass man glaubt, die Hosen sind gestrichen voll – nur ja nichts sagen, ja nichts sagen! Ich sag nicht so und ich sag nicht so, damit es nicht heißt, ich habe so gesagt. Es ist, wie Karl Valentin gesagt hat: Wollen hätt ma schon, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.

Es ist eine doppelte Premiere für den Regisseur. Erstmals inszeniert Hans Neuenfels im Theater in der Josefstadt. Erstmals setzt er mit „Quartett“ ein Stück von Heiner Müller in Szene. Und das, obwohl Neuenfels den Autor gut gekannt hat.

Warum also erst jetzt? „Weil Heiner Müller lange Zeit sehr von gewissen Regisseuren besetzt war und auch vom Konflikt zwischen BRD und DDR. Ich hätte da den Kopf nicht frei gehabt, mir hätte die Perspektive gefehlt. Wien ist ein idealer Ort für meinen ersten Heiner Müller“, so Neuenfels.

Wie die Arbeit mit Helmuth Lohner und Elisabeth Trissenaar ist?

„Als Regisseur muss man bei diesem Stück vor allem den Rahmen schaffen. Den Text müssen sich die Darsteller selbst aneignen. Dann muss man zuhören, zuhören, zuhören.“

Sieben Jahre hat Neuenfels kein Sprechtheater gemacht, was der auch polarisierende Künstler bedauert. „Früher waren Oper und Theater mehr im Gleichgewicht. Zuletzt hat Musiktheater überwogen. Wenn ich die Chance habe, gewisse Opern zu machen, greife ich zu.“

„Gewisse Opern“ – damit meint Neuenfels etwa Wagners „Lohengrin“ in Bayreuth, mit den Ratten im Versuchslabor und den entsprechend heftigen Publikumsreaktionen. „Der ,Lohengrin‘ läuft wie die Ratten“, freut er sich. Warum es dennoch keine weiteren Projekte für Bayreuth gibt? „Das liegt an den zwei anstrengenden Schwestern mit ihrem Solitäranspruch. Am ,Grünen Hügel‘ darf jeder nur ein Mal ran.“

Puccini und Pause

Für andere Häuser gilt das aber nicht. 2015 wird Neuenfels an der Berliner Staatsoper Unter den Linden „Ariadne auf Naxos“ von Strauss realisieren; an der Bayerischen Staatsoper in München kommt Puccinis „Manon Lescaut“.

„Mit Jonas Kaufmann und mit Anna Netrebko – das ist der Olymp.“

Danach gönnt sich Neuenfels eine Pause. Auch, um sich anderen Tätigkeiten zu widmen. Für Zürich hatte er 2013 das Wagner-Projekt „Wagner – wie ich Welt wurde“ kreiert; mit dem (lesenswerten) „Bastardbuch“ ist er auch wieder als Autor in Erscheinung getreten. „Schreiben kostet Zeit, aber ich will das Schreiben nicht missen.“

Was Neuenfels als Regisseur vermisst? „Ich würde gern einmal ,Tristan‘ machen. Und Schönbergs ,Moses und Aron‘. Im Sprechtheater habe ich zu wenig Shakespeare inszeniert. Aber wir werden sehen, was kommt.“

Und wie sieht Neuenfels die viel beschworene Theaterkrise?

„Eine visionslose Politik verfolgt einen angeblich elitären Kreis, die Theatermacher, fast mit Aggressivität. Angela Merkel etwa darf vielleicht noch ein Mal pro Jahr nach Bayreuth fahren, was sie ja auch tut. Aber wird sie dafür gelobt? Nein, das geht gerade so durch.“

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