Haußmann: "Bully Herbig ist ein Dadaist!"

Haußmann: "Bully Herbig ist ein Dadaist!"
Leander Haußmann hat in seinem neuen Film Bully Herbig erstmals und ernsthaft im Charakterfach besetzt.

Die Patschen von Putin standen im Eingang, als Leander Haußmann die alte Villa von Stalin aus Recherchegründen besichtigte. Putin wohnt jetzt nämlich da. Und seine Patschen sind winzig.

Im neuen Film "Hotel Lux" (ab Freitag im Kino) trägt der russische Diktator nun prompt auch "Puschen", wie Haußmann es nennt. Der Theatermann und Filmregisseur hat wieder eine Kommunismus-Komödie gedreht, seine beste seit "Sonnenallee". Der Film erzählt von einem deutschen Komiker (Bully Herbig), der 1938 aus Nazi-Berlin flüchtet und statt in Hollywood im berüchtigten Exilanten-Hotel Lux in Moskau landet. Dort wird er für den Leibastrologen Hitlers gehalten und muss für Stalin in die Sterne schauen. Einen "historisch korrekt erfundenen Film" nennt das Haußmann. Und neben Patschen spielen auch Bärte eine nicht unkomische Rolle. Sie rutschen runter, werden abrasiert und angeklebt, machen aus Komikern Diktatoren und aus Diktatoren jedermann.

Haußmann: "Bully Herbig ist ein Dadaist!"


KURIER: Lieben Sie Bärte?

Leander Haußmann: Ähmm, die Sache mit dem Bart. Tatsache ist, dass man sich damals wirklich Bärte angeklebt hat: Verkleidung war ein sehr probates Mittel, aus dem Land zu kommen. Außerdem liebe ich Verkleidung. Ich liebe Filme, in denen sich die Leute verkleiden. So. Der Film handelt davon, dass ein Komiker zufällig in diesem Hotel Lux landet und dass dies eine Verwechslung ist. Diese wird dann anhand von Namensverwirrung und Bärten erzählt. Das mit dem Bart habe ich bei Lubitsch geklaut. Der hat ja auch schon thematisiert, dass falsche Bärte rutschen. In "To be or not to be" hat einer immer einen Ersatzbart in der Tasche. Unserem Komiker wiederum fällt nach seiner Ankunft in Moskau beim Verhör der Bart ab und die Frage war: Wie reagieren die Leute darauf? Die Antwort war: normal. Wer in diesem Hotel ankommt, hat eben einen falschen Bart (lacht) . Ich liebe es, mit solchen Sachen zu spielen. Ich komme ja aus einem Theaterhaushalt: Mein Urgroßvater war Schauspieler, meine Mutter Kostümbildnerin und ich immer weit vorne im Fasching. Wenn ich ein Cowboy war, brachten meine Eltern das Bärtchen mit und Mastix - dieser Geruch erinnert mich bis heute stark an meine Kindheit. Ja, und es ist wirklich so: Das Zeug hält nicht, wenn man schwitzt. Ob im Theater oder vor Angst wie unser Komiker im Film.

Sie schlagen in Ihren Dialogen Brücken zwischen Privatheit und Politik mit Sätzen wie "Trotzki hat alles ruiniert: die Oktoberrevolution und die Ehe meiner Eltern".
... da will ich gleich einhaken. Ich bin waaaahnsinnig stolz auf mein Drehbuch.

In aller Bescheidenheit?
Ja, ich bin halt stolz drauf. Das ist weder unbescheiden noch bescheiden.

Das Drehbuch ist ja gut ...
Da war die Journalistin vor Ihnen aber anderer Ansicht (lacht) . Ich finde halt: Da quält man sich so lange rum - ich habe allein am Drehbuch zweieinhalb Jahre geschrieben - und dann soll man sich schämen? Dann soll man nicht glücklich sein? Da ist jeder Dialog vom Feinsten. Deshalb habe ich so lange gebraucht.

Sie haben sie zum Teil für Bully Herbig geschrieben. Wie war Ihr Bild von ihm vor und nach dem Film?
Zugegeben, ich bin ein wenig auf dem Selbstlobetrip. Jetzt sage ich mal die guten Sachen über mich, die die anderen nicht sagen: wie im Kommunismus! (lacht) Also, wenn Sie mich fragen, sind die Errungenschaften, die ich mir versucht habe anzueignen, um halbwegs ein guter Mensch zu sein: Dass ich offen bin. Wenn ich also in einen Bully-Film gehe, habe ich Lust auf einen Bully-Film und möchte auf dieser Ebene lachen. So. Nonsens ist ja eine hohe Form der Intelligenz, eine ganze Literaturform. Dadaismus zum Beispiel. Auch wenn Bully davon wahrscheinlich noch nie was gehört hat (lacht). Er ist ein Dadaist, könnte man doch sagen. Und um zur Frage zurückzukommen: Er hat mich weder positiv noch negativ enttäuscht, er hat ein gutes Drehbuch als solches erkannt und sich für dieses schwierige Projekt engagiert. Er wusste, dass er hier was zeigen kann, was er vorher noch nie gezeigt hat.

Er spielt einen Komiker, der sich als Astrologe Hitlers ausgibt und dann Stalin berät ...
Das ist nicht so an den Haaren herbeigezogen, wie es klingt. Es gab damals tatsächlich einen berühmten Astrologen, der in der Nähe Hitlers angesiedelt war und ihm auch die zwei Attentate vorausgesagt hat. Und auch die Russen waren immer interessiert an Metaphysik.

Wie schaffen Sie es, bei einem Stoff über die Jahre die Distanz nicht zu verlieren?
Ich lese meine Drehbücher am liebsten laut vor. Früher habe ich das mit meinem Vater gemacht. Da teste ich, ob eine Szene zu lang ist oder Leute aussteigen. Ich gebe meine Drehbücher nicht gerne aus der Hand. Viele Szenen sind viel komischer, wenn man sie vorgelesen bekommt. Mit meinem Vater habe ich in den letzten Wochen seines Lebens viel über "Hotel Lux" gesprochen.

Sie sind ja in der DDR, im Kommunismus, aufgewachsen. Haben Sie dennoch recherchiert?
Ja, und es war uferlos. Ich habe irgendwann aufgehört und beschlossen, ich erfinde lieber die Dinge und recherchiere sie nach. Und dann war es immer noch schlimmer oder komischer, als ich es mir ausdenken konnte.

Sie waren auch in der Datscha von Stalin?
Ja, heute ist es ja die Villa von Putin. Das wäre so, als ob heute in Berchtesgaden der deutsche Bundeskanzler wohnen würde. In Russland ist das ja alles noch nicht verarbeitet, und es gibt immer noch eine Heldenverehrung gegenüber Stalin.
Als ich in der Villa dann so rumging und das Bad sah, fiel mir ein, dass es noch nie eine Szene mit Stalin auf dem Klo gab. Und das soll man sich ja immer vorstellen, wenn man Angst hat: wie jemand scheißt. Also habe ich diese Szene geschrieben: mit Stalin im Bad, der Wasser aufdreht, damit er selbst nicht abgehört werden kann: Das ist doch genial, da kann man sagen, was man will.

Gibt es auch weniger geniale Szenen?
Hm, es gibt welche, die habe ich mir besser vorgestellt. Aber die sage ich jetzt hier nicht.

Ist der Film eine Abrechnung mit Kommunismus?
Nein, ich bin kein Typ, der mit der Faust durch die Welt rennt. Von den Ex-Ost-Filmemachern bin ich ja durchaus ein Versöhnlicher. Aber ich will schon deutlich machen, wie ich zu dem System eingestellt bin: nämlich negativ. Das heißt jetzt nicht, dass ich rechts bin. Das heißt auch nicht, dass diese Welt, in der wir leben, in aller Schönheit lebenswert ist. Nein, die Demokratie hat noch einige Wege zu gehen. Nachdem wir endlich Kirche und Staat getrennt haben, wäre als Nächstes dran, Wirtschaft und Staat zu trennen. Dennoch bin ich sehr glücklich, dass die Mauer gefallen ist. Denn ich hasse diesen Stalin. Im Übrigen ist die Frage nicht das System, sondern wie erhalten sich Menschen ihre Integrität in so einem System? Wie kann man das durchhalten? Niemand hätte wen anderen verraten müssen in der DDR. Niemand. Ich bin auch gefragt worden, ob ich für die Stasi arbeite. Ich war ein idealer Fall, ich war im Underground. Ich habe mich aber blöd gestellt und gesagt: Nein. Ende. Bis heute verstehe ich nicht, warum auch
viele Intellektuelle Leute verraten mussten.

Nachgefragt bei Bully: "Ich bin parodiemüde"

Haußmann: "Bully Herbig ist ein Dadaist!"

KURIER: Ich habe im Geschichtsunterricht nichts vom "Hotel Lux" gelernt.
Bully Herbig: Da sind Sie nicht die Einzige. Ich habe erstens nichts davon gehört und zweitens mich dann sogar entschieden, im Vorfeld nichts wissen zu wollen. Ich habe mir gedacht: die Figur, die ich spiele, weiß auch von nichts. Warum soll ich es dann wissen?

Sie haben sich also nicht klassisch vorbereitet?
Naja, ich habe mich mit den Humoristen dieser Zeit beschäftigt, mit Filmen und Tondokumenten. Da ist mir aufgefallen, dass damals das rollende R sehr gebräuchlich war (Herbig fängt an zu imitieren:) Die Sprrrache in den Filmen war sehrr heiter, sehrrr laut und musikalisch ... Aber wenn man das heute so machen würde, würden alle denken, es sei parodiert.

Sind Sie ein intuitiver Schauspieler?

Ähhh ... ich weiß gar nicht, wie ich darauf reagieren soll, dass mir Leute jetzt sagen: Ich sei Schauspieler. Ich habe das ja nie gelernt, war nie auf einer Schauspielschule und bin da nur reingerutscht.

Dafür machen Sie Ihre Sache aber gut.
Ohhh ... das erleichtert mich enorm, ehrlich. Zwischendurch hatte ich nämlich schon den Gedanken: Warum mache ich das hier? Muss man sich unbedingt so angreifbar machen?

Wollen Sie selbst mal einen ernsten Film machen?
Im Moment bin ich ein wenig parodiemüde. Kein Mensch macht gerne sein Leben lang dasselbe. Wenn man das macht, kommt Routine mit rein, und die macht das Frische kaputt.

Also nie mehr Komödie?

Nein, aber Parodien schließe ich erstmal aus. Ich mache sicher als Nächstes keine Harry Potter-Parodie.

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