Hamburger Schauspielhaus-Ensemble sagt "Tschüss"

Das Archivbild vom 23.09.1999 zeigt das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg. Mit der Forderung nach Schließung des Theaters hat Hamburgs Innensenator Ronald Schill für erheblichen Wirbel gesorgt. Angesichts der desolaten Haushaltslage in der Hansestadt sagte Schill am Dienstag (24.06.2003): "Es geht nicht an, dass die Kultur unangetastet bleibt". Foto: Rainer Jensen dpa/lno (zu dpa 0463 am 24.06.2003)
Mit einem eigenwilligem Abend verabschiedete sich das Ensemble des Hamburger Schauspielhauses.

Als Hanns Jörg Krumpholz den Schwan gibt, kennt das Publikum kein Halten mehr. Mit weit ausgebreiteten Armen "fliegt" der Schauspieler über die Bühne und gibt seltsame Laute von sich - eine Übung, um den absoluten Stimmsitz zu finden. "Das sitzt", meint er am Ende zufrieden und singt zur Bestätigung "Dies Bildnis ist bezaubernd schön". Mit einem Abend der besonderen Art hat sich das Ensemble des Hamburger Schauspielhauses am Samstag von seinem Publikum verabschiedet. Nach acht Jahren verlassen die meisten von ihnen Deutschlands größtes Sprechtheater. Im Herbst beginnt hier Karin Beier, zur Zeit nach Intendantin am Kölner Schauspiel, ihre erste Spielzeit. Bis dahin bleibt das Theater wegen umfangreicher Sanierungsarbeiten bis November geschlossen.

Ritt in die Sonne

Mit "Ritt in die Sonne" inszenierte Samuel Weiss zusammen mit dem Ensemble einen Abend von Schauspielern über Schauspieler, über ihr Theater, über den Abschied. Neben vielen heiteren, gab es auch anrührende Momente, einige Schauspieler ließen einen seltenen Einblick in ihre Arbeit zu. "Das Wichtigste ist der Schlussapplaus", klärt Julia Riedler, die zu Beginn der letzten Spielzeit direkt von der Schauspielschule an die Bühne kam, die Zuschauer auf - und gibt auch gleich Tipps, wie man da als Schauspieler gekonnt nachhelfen kann, indem man zum Beispiel bei der Verbeugung kräftig "Bravo" in Richtung Bühnenboden ruft.

Samuel Weiss, der als einer der wenigen im neuen Ensemble von Karin Beier bleibt, erklärt den Zuschauern, wie er es schaffte, im Alter von 16 Jahren in der Theater AG als "King Lear" den Tod seiner Tochter zu beweinen. "Zunächst versuchte ich es mit Zwiebeln, aber dann dachte ich, das ist zu auffällig, und probierte Zahnpasta. Leider bildete sich Schaum." Auf der Schauspielschule habe er dann neben "Method Acting" die "Mönchengladbach"-Methode gelernt: "Vor der entscheidenden Szene musst du das Wort 'Mönchengladbach' inhalieren."

Abschied

Einen der bewegendsten Auftritte hat Juliane Koren, die auf eine lange Schauspielkarriere zurückblickt. Während auf der Leinwand im Hintergrund Bilder von ihr als junges Mädchen in "Dornröschen" zu sehen sind, sinniert die 61-Jährige über den Abschied. "Eines Tages wacht man auf und alle sind weg", sagt sie bedrückt und bittet das Publikum: "Weinen Sie sieben Sekunden um mich und meinen Kummer." Für Heiterkeit sorgt dann wieder der Auftritt von Michael Prelle in Ritterrüstung, der sie zunächst küsst, um dann ernüchternd festzustellen: "Ich bin nicht dein Prinz."

Am Ende des kurzweiligen Abends, der noch ein Mal am 27. April als letzte Vorstellung gezeigt wird, bekommen die 17 von insgesamt 27 Schauspielern - nicht alle aus dem Ensemble waren dabei - rote Rosen vom geschäftsführenden Intendanten Jack Kurfess und dem künstlerischen Leiter Florian Vogel überreicht. Die beiden hatten die Leitung des Schauspielhauses übergangsweise übernommen, nachdem Intendant Friedrich Schirmer im September 2010 überraschend zurückgetreten war. "Die Leute denken immer, bei der Schauspielerei geht es um Gefühle. Das ist Quatsch. Es geht um Zeit, die vergeht", sinnieren am Ende zwei Einsame am Tresen. Bevor das Ensemble zum Abschied "We're on a road to nowhere" singt.

Kommentare