Grubinger: Orchester trifft Groove

Grubinger: Orchester trifft Groove
Der österreichische Schlagzeuger Martin Grubinger ist der neue Star der Neuen Musik. Am kommenden Freitag gibt er sein Debüt bei den Wiener Philharmonikern.

Nach einem Gespräch mit Martin Grubinger ahnt man, wie sich ein Schlagzeug fühlt: Der sympathische, hoch energetische Musiker gestikuliert so ausholend, als bearbeite er beim Reden unsichtbare Trommeln. Und spricht voller Leidenschaft über Musikbegeisterung, sinnlose Traditionen und Konzertveranstalter, die die Hosen voll haben.

KURIER: Sie begeistern bei stundenlangen Marathon-Konzerten mit Neuer Musik Ihr Publikum. Gleichzeitig gilt Zeitgenössisches sonst als sperrig. Was läuft da falsch?
Grubinger: Man muss zeitgenössische Musik auch groovig spielen! Man muss diese Musik leben, darf sie nie abstrakt, beamtisch spielen. Sondern die Kraft, die Emotion transportieren, die da dahinter stecken. Mein Instrument passt in unsere Zeit, man erlebt auch für das Auge sehr viel. Das muss man nutzen. Viele junge Leute kommen ins Konzert und wollen dieses Urtümliche im Rhythmus erleben.

Warum macht man nicht lieber gleich Rockmusik?
Wahrscheinlich, weil ich Österreicher bin. Weil ich mit der klassischen Musik aufgewachsen bin. Und weil es fast eine kleine Mission für mich ist, dass wir es schaffen, im Musikverein bei den Philharmonikern im Abo das Cerha-Werk so zu spielen, dass die Leute sagen: Zeitgenössische Musik, da muss ich wieder hin. Dass die Leute, die eigentlich nur die Abo-Karten nicht verfallen lassen wollen, plötzlich merken: Jessasmaria, das taugt mir.

Junges Publikum lockt man so aber noch nicht an.
Das Wichtigste, um junges Publikum zu bekommen ist, alle diese Konzert-Konventionen über Bord zu werfen, die keiner mehr versteht. Dieses dauernde Raus- und Reinlaufen, die Kleidung, nicht zwischen den Sätzen zu applaudieren - das ist alles total unnötig.

Fehlt es nicht vor allem an musikalischer Bildung?
Ja, absolut. Kinder wippen ganz natürlich mit, selbst wenn wir komplexe Sachen spielen. Das Problem ist, dass wir diese Musik nicht als etwas ganz Normales ansehen. Es ist natürlich toll, dass es Wien Modern gibt. Aber eigentlich müssten die Orchester es als selbstverständlich ansehen, zeitgenössische Musik in ihren Programmen zu haben. Bei Computern beschäftigen wir uns ja auch immer mit dem neuesten. Warum sind neue Werke immer Nischenprogramme, oder zwischen die Ouvertüre und die Symphonie geklemmt?

Weil Konzertveranstalter um's Geschäft fürchten?
Ja, die haben zum Teil die Hosen voll. Aber das ist Schwachsinn. Man kann kein Publikum haben, wenn man die Menschen nicht mit der Musik befasst. Das ist klar: Wenn ich immer nur zum McDonald's laufe, wird es im Steirereck schwierig.

Wie also holt man die Neue Musik aus der Nische?
Mit Projekten, bei denen man sie in ganz besondere Formen packt. Etwa ein Philharmoniker-Konzert nur mit neuer Musik, das so zur Tradition wird wie das
Neujahrskonzert.

Wo nehmen Sie die Energien her?
Als Schlagzeuger aufzutreten ist Spitzensport. Der Puls ist über zwei Stunden bei über 160, ich verliere an einem Abend zweieinhalb Kilo.

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