Grasl kontert: Wrabetz-Konzept wäre "brutalster Zugriff" auf Information und Redaktionen

ORF-Generaldirektor Wrabetz und Finanzdirektor Grasl.
ORF-Wahl: Generaldirektor Wrabetz hatte zuvor moniert, dass Grasl "die meiste Macht" anstrebe.

ORF-Finanzdirektor Richard Grasl weist Kritik von ORF-Chef Alexander Wrabetz an seinem Führungskonzept zurück. Wrabetz hatte moniert, dass Grasl "die meiste Macht" anstrebe, die ein ORF-General je hatte. Dieser drehte den Spieß nun um. "Wrabetz' Konzept bedeutet den brutalsten Zugriff auf die Information und die Redaktionen, den es jemals in der Geschichte des ORF gegeben hat", so Grasl zur APA.

"Wer sich davor fürchtet, hat mein Konzept nicht verstanden"

"Ich hingegen möchte Verwaltungsagenden bündeln, und wer sich davor fürchtet, dass 50 Buchhalter zusätzlich in der Generaldirektion arbeiten, hat wohl mein Konzept entweder nicht verstanden oder gar nicht gelesen. Ich glaube nicht, dass sich selbstbewusste Redakteure vor Buchhaltern in der Generaldirektion fürchten müssen", erklärte Grasl.

Der Finanzchef rät zugleich vor den Plänen von ORF-General Wrabetz ab. "Ich warne eindrücklich davor, das Konzept, dass alle Chefredakteure einem Generaldirektor als Super-Informationsdirektor unterstellt sind, umzusetzen. Wer diese Struktur einmal in die Hände bekommt, kann unendlichen Druck auf die Redaktionen ausüben. In meinem Konzept sind gewählte Programmdirektoren als Firewall zu den Redaktionen ein Garant für die Unabhängigkeit. Diese Programmdirektoren sind mir gegenüber auch weisungsfrei. Und die Redakteure sollen bei der Bestellung von Redaktionsleitern und Chefredakteuren ein echtes Vetorecht bekommen", sagte Grasl.

Die beiden Konzepte

  • Was Wrabetz plant... Hintergrund der Auseinandersetzung ist die künftige Ausgestaltung der Direktionen und Fachbereiche. Wrabetz plant für die nächste Geschäftsführungsperiode mit einer Programmdirektion, Radiodirektion, Kaufmännischen Direktion und Technischen Direktion. Daneben soll es in der Generaldirektion auch einen Chief Digital Officer geben. Und Wrabetz möchte ein Channel Management mit Channel-Managern und Channel-Chefredakteuren im Fernsehen einrichten. Diese Chefs von ORFeins und ORF 2 sollen dem Generaldirektor unterstehen. Wrabetz wäre damit indirekt auch den Informationsverantwortlichen vorgesetzt.
  • Was Grasl plant... Grasl plant organisatorisch mit Direktionen für TV-Programm, TV-Information, Radio und Digital. Darunter soll es für jeden ORF-Sender eigene Channel-Manager und Chefredakteure bzw. Info-Verantwortliche geben, die den jeweiligen Fachbereichsdirektionen unterstehen. Auf Kaufmännische und Technische Direktion will der Finanzdirektor verzichten. Die kaufmännischen Agenden sollen zum Teil in die Generaldirektion wandern, die eine Verwaltungsdirektion ohne Programmzuständigkeiten sein soll. Auch ein Teil der Technik käme bei Grasl in die Generaldirektion. Die operative Technik würde er in den jeweiligen Programmdirektionen ansiedeln.

In einem Mail an mehrere Oppositions-Stiftungsräte wies Grasl zuletzt auf die personellen Auswirkungen dieser Pläne hin. Die beiden Fernsehdirektionen hätte demnach 1.190 Vollzeit-Planstellen, die Hörfunkdirektion 593, die Digitaldirektion 228 und die Generaldirektion 355. "Die Annahme, die Generaldirektion/Verwaltungsdirektion wäre also künftig eine Mega-Direktion stimmt definitiv nicht", so Grasls Botschaft an die Vertreter des ORF-Stiftungsrats.

Bestellung am Dienstag

ORF-Generaldirektor Wrabetz und Finanzdirektor Grasl sind die beiden aussichtsreichsten Bewerber für den Posten des neuen ORF-Generaldirektors, der am kommenden Dienstag vom ORF-Stiftungsrat bestellt wird.

Nach dem Ende der Ausschreibungsfrist können Stiftungsräte nun bis Montagmittag noch Nachnominierungen einreichen. Und bis Freitag, 5. August, 12.00 Uhr kann jedes Mitglied des Stiftungsrats Nominierungen für das Hearing im obersten ORF-Gremium einbringen. Hearing und Wahl des Generaldirektors finden am 9. August statt. Die 35 Stiftungsräte wählen den neuen ORF-Chef in offener, nicht geheimer Abstimmung. Abgestimmt wird dabei nur über Personen, die auch am offiziellen Hearing teilgenommen haben.

18 Stimmen sind für eine Mehrheit notwendig. Die Mitglieder des Gremiums werden von Regierung, Parteien, Bundesländern, ORF-Publikumsrat und Betriebsrat beschickt und sind - abgesehen von wenigen Ausnahmen - in parteipolitischen "Freundeskreisen" organisiert. SPÖ und ÖVP können derzeit auf je 13 Vertreter zählen. FPÖ, Grüne, NEOS und Team Stronach haben je einen Stiftungsrat. Der von BZÖ/FPK bestellte und von der SPÖ-geführten Landesregierung verlängerte Kärntner Stiftungsrat sowie vier Unabhängige komplettieren das Gremium. Wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse ist der Ausgang der Abstimmung offen. Den Ausschlag dürften die Vertreter der Opposition sowie die Unabhängigen im obersten ORF-Gremium geben.

Bereits am 8. August findet eine von ORF III übertragene öffentliche Präsentation mit allen Bewerbern statt.

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