Er schafft es, das Unaussprechliche abzubilden: In meist grau-braunen Zeichnungen zeigt der italienische Autor Igort das Unmenschliche. In seinen Graphic Novels berichtet er von vergessenen Kriegen („Berichte aus Russland“) und erzählt in erschütternden Bilden davon, wie wenig wert das Leben an manchen Flecken dieser Erde ist. Man muss es deutlich sagen: Bei diesen Büchern wird einem schlecht.
In „Berichte aus
Russland. Der vergessene Krieg im
Kaukasus“ erzählt von den Gräueltaten der Tschetschenienkriege. Unter den Augenzeugen, die Autor Igort auf seiner Recherche-Reise in die ehemalige
Sowjetunion interviewte, war auch die im Oktober 2006 ermordete kremlkritische Journalistin
Anna Politkowskaja, die über die Tschetschenienkriege berichtete. Über verstümmelte, vergewaltigte, zerfleischte Körper. Über eine Mutter, die um das Leben ihres Sohnes bettelt. Sie findet ihn, geschlachtet wie ein Tier. „
Anna konnte nicht mehr darüber reden“, schreibt Igort, „der Gedanke an
Tschetschenien verfolgte sie.“ Sehen und Aufschreiben waren ihr Motto – und wahrscheinlich ihr Todesurteil. Sie wurde im Oktober 2006 in ihrem Treppenhaus in
Moskau ermordet.
Igort beschreibt nicht linear die Geschehnisse, die ihm Augenzeugen berichteten, sondern greift immer wieder in der Geschichte zurück, um die historischen Zusammenhänge zu erläutern.
Er beginnt bei den tschetschenischen Unabhängigkeitbestrebungen im 19. Jahrhundert und erklärt, warum das Land seit jeher für die Russen so wichtig ist: Wegen seiner strategischen Lage. Nebenbei streift er – jeweils in verschiedenen Zeichen-Stilen – Zeitzeugen wie Leo Tolstoi, der sich 1853 aufgrund naiv-romantischer Vorstellungen über die „Schönheit des Kriegs“ freiwillig meldete. Und rasch befand: „Die Militärlaufbahn ist nicht das Richtige für mich, je schneller ich mich von ihr verabschiede, um mich der Literatur zu widmen, desto besser.“
Igort stammt mütterlicherseits aus
Russland und beschäftigt sich seit vielen Jahren zeichnerisch mit der Heimat seiner Mutter. „Berichte aus
Russland“ ist der zweite Band eines Werks, das den ehemaligen Staaten der
Sowjetunion gewidmet ist. Der erste, „Berichte aus der
Ukraine“ zeigt ein Land, in dem ein durch Mord und
Korruption geprägter Alltag die Gulags und die stalinistische Schreckensherrschaft abgelöst hat, und erinnert an die in Vergessenheit geratenen Geschehnisse des letzten Jahrhunderts: zum Beispiel den Holodomor, die von Stalin organisierte
Hungersnot, welche zur Auslöschung der lokalen Bevölkerung dienen sollte und der Millionen Menschen zum Opfer fielen.
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