Glawogger: "Brauch' kein Puff mehr von innen sehen"

Glawogger: "Brauch' kein Puff mehr von innen sehen"
Michael Glawoggers "Whore's Glory" hat in Venedig Premiere. Ein Gespräch über seinen bisher schwierigsten Film, der Männer abschreckt.

Whore's Glory" heißt die neue Doku des österreichischen Regisseurs Michael Glawogger, die ihre Weltpremiere auf dem Filmfestival in Venedig hat. Auf gut Österreichisch: "Ein Hurenfilm." So steht's im Untertitel. Und so wollte es der Regisseur auch haben. Ein direkter Satz über einen direkten Film, der an drei verschiedenen Orten der Welt - Thailand, Bangladesch, Mexiko - dem ältesten Gewerbe der Welt nachgeht und dort Frauen und ihre Kunden befragt.

KURIER: Herr Glawogger, wer ins Puff geht oder dort arbeitet, will meist anonym bleiben. Aber mit Ihnen sprechen alle. Wieso?
Michael Glawogger:
Dieser Film war von der Recherche her der schwierigste, den ich je gemacht habe. Man muss sich zuerst mit der jeweiligen Form von Obrigkeit, Mafia oder Polizei, arrangieren - und wenn man dann lange genug an einem Ort herumhängt, fangen die Frauen an, sich zu interessieren und wollen wissen, was man da eigentlich macht.

Wie kamen Sie überhaupt auf das Thema "Hurenfilm"?
Das ergab sich aus meiner "Megacities": Darin macht eine Frau einen Striptease mit religiösen Konnotationen - und diese Szene wurde am meisten von allen diskutiert. Seit damals verfolgt mich der Stoff.

Wie wichtig war die Religion in der Wahl Ihrer Orte?
Zuerst habe ich in Bangladesch, in Faridpur gedreht. Dort wollten islamische Fundamentalisten die Frauen aus dem Sex-Getto vertreiben. Wir haben uns damals auf die Seite der Frauen gestellt - und konnten deswegen später dort filmen. Danach hatte ich die Idee, ein Triptychon, ein Altarbild zu machen. Als leichten Einstieg wollte ich ein Bordell in einem buddhistischen Land - den "Fishtank" in Bangkok -, dann den stark religiösen, islamischen Teil in der Mitte. Und als Kontrast dazu ein heftig katholisches Land - die "Zone" in Mexiko.

Glawogger: "Brauch' kein Puff mehr von innen sehen"

Interessant ist, dass Sie die Frauen keineswegs (nur) als Opfer darstellen ...
Diese Ambivalenz war mir wichtig. Außer in Bangladesch, wo klar war, dass Mädchen verkauft werden, habe ich keine Zwangsprostituierten getroffen. Ich wollte nicht über das Verbrechen Prostitution, sondern über den Alltag berichten. Und ich habe genommen, was mir die Frauen gegeben haben. Wenn ich nur Opfer gefunden hätte, wäre es ein Film über Opfer geworden.

Was erhielten Sie bis jetzt für Reaktionen auf den Film?

Frauen reagieren ganz anders als Männer - auch, weil sie an Orte kommen, die sie sonst nie sehen oder sinnvoll betreten könnten. Männer schreckt der Film eher ab. Er nimmt die Illusion vom wunderbaren Rotlicht und zeigt ziemlich harte Frauen, die sagen, wo's langgeht.

Sie zeigen kaum expliziten Sex-Szenen. Warum?
Ich wollte keine kulturellen Grenzen überschreiten. In islamischen Ländern ziehen sich die Prostituierten nicht einmal aus. In Mexiko habe ich einmal darauf bestanden, dass die Türe offen bleibt - weil man sich bei dem Thema nicht ganz darum herumdrücken kann.
Wieso gibt es keine Österreich-Episode?
Das wäre mir fast zu exotisch geworden (lacht) . Aber bei uns verschwindet der Straßenstrich zusehends in den virtuellen Raum, ins Internet. Das hat mich vom visuellen Standpunkt her nicht so interessiert. Aber ich habe lange in Österreich recherchiert.

Wird es einen Hurenfilm aus Österreich geben?

Nein, ich hab' genug. Ich war vier Jahre lang in allen Puffs der Welt, ich brauch' keines mehr von innen sehen. Es reicht mir wirklich.

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