Gesellschaftskritik auf der Tanzfläche

Saul Williams beim Elevate Festival in Graz.
Saul Williams eröffnete am Donnerstag das Grazer Festival für Musik und politischen Diskurs.

In Graz wird seit Donnerstagabend wieder getanzt, philosophiert und diskutiert. Dass sich das alles auf einen Nenner bringen lässt, beweist das Elevate Festival seit nunmehr zwölf Jahren. Die Plattform an der Schnittstelle zwischen Party und Diskurs hat sich mittlerweile mit viel Herzblut und der nötigen Sturheit einen Ruf erarbeitet, der weit über die Grenzen hinaus für Qualität und Anspruch steht.

Fehlentwicklung

Heuer ist das Elevate auch Teil der Initiative "We Are Europe", einem Zusammenschluss verschiedenster europäischer Festivals, die sich gegenseitig unterstützen. Im Fokus steht dabei nicht nur die Musik, sondern auch die Debatte. So kann man noch bis Sonntag Vorträge besuchen und sich mit einer Reihe von spannenden Gästen über aktuelle gesellschaftliche Fehlentwicklungen austauschen: Was hat uns bloß so ruiniert?

Um diese Frage drehen sich auch die Songs von Saul Williams, der bei der Eröffnung im Dom im Berg den Höhepunkt gab. Der aus den USA stammende Spoken-Word-Poet nahm 2001 mit seinem Debütalbum "Amethyst Rock Star" die heute allgegenwärtigen Black-Lives-Matter-Demos vorweg. Damit kürte er sich zur Institution des Alternative Hip-Hop, der seinen Kollegen gerne einmal den Spiegel vor das Gesicht hält und kritisch anmerkt, dass sie sich das oberflächliche Bling-Bling-Gehabe und ihr Goldketterl in den Allerwertesten schieben können. Seine Kritik am System und an der Weltpolitik fasst er in griffige Slogans zusammen. Es sind emotional aufgeladene Rap-Gewitter, die sich beim Konzert über den Köpfen des Publikums zusammenbrauen.

Drama

Begleitet von bratzigen Sounds, zerhackten Beats und Samples gab Saul Williams den Chefankläger, der das Drama liebt und den divenhaften Gestus einer Grace Jones verkörpert. Im Programm hatte er vor allem Songs aus seinem neuen, fünften Album "Martyr Loser King", die zwar musikalisch weniger aggressiv daherkommen, aber dennoch in punkto thematischer Wucht einiges zu bieten haben. Song für Song geht Williams die breite Palette globalisierter Missstände durch. Dafür begibt er sich auch ins Publikum und hält beim Song "Burundi" ein schamanenhaftes Klageritual ab: "I’m a virus in your system". Ansteckend und elektrisierend.

Im Vorprogramm begeisterte der heimische Künstler Lukas Koenig mit einer Mischung aus Jazz und Hip-Hop. Der Musiker, der auch Teil des Duos König Leopold ist, gibt auf der Bühne den Alleinunterhalter, rappt, bedient das Schlagzeug und den Synthesizer gleichzeitig. Dazu blubbern aus der Konserve Basslines. Guter Typ!

Das mit tollen Namen gespickte Musikprogramm – bespielt werden neben dem Dom im Berg auch noch andere Grazer Lokale – geht am Sonntag beim Abschlusskonzert im Grazer Orpheum mit Liveauftritten der auf Abschiedstournee befindlichen US-Band Swans sowie der schwedischen Sängerin und Organistin Anna von Hausswolff zu Ende.

Info: Elevate in Graz – noch bis Sonntag, 23.10. Saul Williams gastiert am 25.10. im Wiener brut.

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