Geschwätzige Therapiesitzung

Sie haben einander nichts zu sagen, reden aber sehr viel: Andrea Eckert als Sie und Günter Franzmeier als Er in „Gift. Eine Ehegeschichte“
"Gift. Eine Ehegeschichte" von Lot Vekemans als zähflüssige Trauerstunde am Wiener Volkstheater.

Trauerarbeit ist bekanntlich nie leicht. Aber muss sie so ermüdend sein wie in Lot Vekemans Drama "Gift. Eine Ehegeschichte", das im Volkstheater zur geschwätzigen Auseinandersetzung zweier Verzweifelter mutiert?

Worum geht es? Zehn Jahre nach dem Unfalltod des gemeinsamen Sohnes treffen ein Mann und eine Frau aus administrativen Gründen im Warteraum einer Friedhofsverwaltung wieder aufeinander, die kaum verheilten Wunden brechen auf.

Namenlos

Es sind zwei Namenlose, die einst glücklich waren, ehe der Mann nach dem Tod des Sohnes einfach gegangen ist. Er hat inzwischen ein neues Leben, eine neue Frau, die von ihm ein Kind erwartet. Seine Ex hingegen badet in ihrer Trauer, will weiter leiden. Es kommt zur verbalen Konfrontation, die keinen Sieger, sondern nur Verlierer kennt ...

Michael Schottenberg hat diesen Plot in Hans Kudlichs kühlem, weißen Einheitsbühnenraum (samt Neon-Beleuchtung) schnörkellos inszeniert, versagt sich aber jeden Kommentar zu den Figuren. Schottenberg vertraut (völlig zurecht) auf das Können seiner zwei Protagonisten, vertraut aber auch dem Drama der niederländischen Autorin Vekemans. Zu sehr allerdings. Sätze wie "Ich hasse Glück" oder "Leiden macht auch süchtig" sind einfach Plattitüden und bleiben Plattitüden, egal wie oft man sie wiederholt oder wie intensiv sie auch vorgetragen werden.

Denn es liegt wirklich nicht an Andrea Eckert und Günter Franzmeier, dass dieses "Gift" trotz einer Spieldauer von nur 75 Minuten unfassbar schleichend daherkommt, dass sich zwischen einzelnen emotionalen Ausbrüchen immer wieder Längen – und noch schlimmer Langeweile – einstellen.

Zwar geht Eckert wunderbar und mit voller Hingabe in ihrem Leiden auf, mehr als zwei, drei Facetten dieser unglücklichen Frau darf sie aber stückgemäß nicht zeigen. Und Franzmeier wiederum rettet sich als Journalist, der ein Buch über den Tod des Sohnes schreiben will, in nonchalante Beiläufigkeit.

Die verbalen Spiegelfechtereien, das ständige Hin und Her von Nähe und Distanz – alles bleibt brav an der Oberfläche. Und irgendwann fällt der Satz "Mehr können wir nicht draus machen." Ein Motto, das über dem gesamten Abend stehen könnte.

KURIER-Wertung:

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